Zwei Tage nach dem Flammeninferno von Viareggio mit mindestens 19 Toten sucht der Urlaubsort in der Toskana nach Wegen zurück in die Normalität. Bars und kleine Läden in Bahnhofsnähe sind wieder geöffnet, die Straßen nicht mehr nur von Reportern und Feuerwehr bevölkert, berichteten italienische Medien am Donnerstag. Die Flüssiggas-Waggons, die bei dem Zugunglück in der Nacht zum Dienstag nicht explodierten, sind leergepumpt. Fünf umgekippte Wagen des Güterzuges müssen noch von einem Kran zurück auf die Schienen gestellt und abtransportiert werden. Innerhalb der kommenden 24 Stunden dürfte dann der Bahnbetrieb wieder aufgenommen werden - drei Tage nach der bombenartigen Explosion eines Kesselwagens.
Im Laufe des Tages konnte ein Teil der etwa 1000 Menschen, die aus der gefährlichen Zone in Bahnhofsnähe in Sicherheit gebracht werden mussten, in ihre Häuser zurückkehren, berichteten italienische Medien. Nur die besonders schwer von Explosion und Feuersbrunst heimgesuchte Straße am Bahnhof bleibt noch gesperrt.
"Meine Straße sieht aus wie nach einem Bombenangriff. Aber mein Haus steht noch - wie durch ein Wunder", erzählt eine Überlebende der Bahnhofsstraße Via Ponchielli. Die Signora durfte unter Aufsicht der Feuerwehrleute ein paar Sachen aus ihrer Wohnung holen. Eine Rückkehr ist fürs Erste ausgeschlossen.
Zahl der Toten auf 19 gestiegen
Die Zahl der Todesopfer stieg unterdessen auf 19 weiter an. Am Donnerstag starb eine schwer verletzte Frau im nahe gelegenen Krankenhaus "Versilia" an ihren Verbrennungen, berichtete die italienische Agentur Ansa. Am Morgen war bereits ein Mann im Krankenhaus von Carrara seinen Verletzungen erlegen. Beide hatten bei dem Unglück schwerste Verbrennungen am ganzen Körper erlitten. Erst am Vortag waren zwei Kleinkinder an den Brandverletzungen gestorben.
Insgesamt werden in Krankenhäusern Norditaliens 27 Schwerverletzte des Unglücks versorgt. Der Zustand von 19 Patienten gilt als kritisch, da sie schwerste Verbrennungen auf über 90 Prozent der Körperoberfläche erlitten haben. Mehrere Menschen wurden noch vermisst. Es wurde daher weiterhin eine "viel höhere Zahl an Todesopfern" befürchtet. Am Bahnhof von Viareggio war in der Nacht zum Dienstag ein mit Flüssiggas betankter Kesselwaggon aus noch unbekannter Ursache explodiert. Durch die Wucht der Explosion wurden etliche Häuser in der Umgebung zerstört. Experten vermuten, dass ein Achsenbruch an dem Waggon das Inferno ausgelöst hat.
Materialschaden wohl die Ursache
"Ein Attentat ist ausgeschlossen", erklärte der zuständige Staatsanwalt von Lucca, Aldo Cicala, zu den ersten Ermittlungsergebnissen. Man habe Anzeige gegen unbekannt erstattet wegen vielfacher fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Brandstiftung. "Wahrscheinlich ist ein Materialschaden für das Desaster verantwortlich", bestätigte Cicala die Meinung der Experten.
Das Unglück löste in Italien Kritik aus an den ungenügenden Investitionen in die Infrastruktur des Verkehrsnetzes, an mangelnden Kontrollen und Vorschriften. Ein Streckenverlauf, der Gefahrentransporte wie den der Tragödie von Viareggio durch Ortszentren führte, sei inakzeptabel, sagte der Umweltbeauftragte des Regionalrats Toskana, Erasmo D’Angelis. "Jeden Tag passieren 30 solcher 'Bomben-Züge' unsere Städte", kritisierte D’Angelis. "Das kann nicht weiter hingenommen werden."