Trevor Reed kam nicht mehr frei, als er nach einer durchzechten Partynacht in einer Moskauer Ausnüchterungszelle erwachte. Am nächsten Morgen wartete er bereits in der Polizeistation darauf, dass ihn seine Freundin abholt, als die Beamten ihn plötzlich nicht mehr gehen lassen wollten. Stattdessen erschienen Agenten von einer der Inlandsgeheimdienste und begannen ihn zu befragen. Es ging um seine Zeit beim US-Militär. Aber warum und wieso war ihm nicht klar. Später wurde ihm vorgeworfen, Polizisten angegriffen zu haben. Danach begann Reeds dreijähriger Albtraum.
Fast 1000 Tage in russischer Haft
Knapp 30 Jahre war der Texaner alt, als er nach einem bizarren Prozess für 985 Tage in verschiedenen russischen Straflagern untergebracht wurde. Fast 19 Kilo habe er in der Zeit verloren, erzählte er dem Sender ABC in seinem ersten großen Interview nach seiner Freilassung Ende April. Darin berichtet er von Isolationszellen von der Größe eines Schranks, in denen er 23 Stunden pro Tag verbringen musste, von Zellennachbarn mit ernsthaften psychischen Problemen und von Arbeitslagern, die wirkten, als "kämen sie direkt aus dem Mittelalter."
Obwohl Trevor überzeugt war, dass das Urteil gegen ihn bereits vor dem Prozess feststand, kämpfte er um seine Unschuld. Doch die Behörden versuchten offenbar seinen Widerstand zu brechen. So wurde er in eine psychiatrische Einrichtung geschickt, "vermutlich, um mich einzuschüchtern." Dort sei es fürchterlich gewesen: "Blut an den Wänden und die Toilette war ein Loch im Boden, der mit menschlichen Fäkalien übersät war."

Im Sommer vor drei Jahren wurde Trevor Reed verhaftet. Damals hatte er bereits bei den US-Marines gedient, studierte "Internationale Sicherheit" und besuchte seine russische Freundin. Nach dem Verhör durch die Geheimdienstleute wurde er wegen "Gewalt gegen Polizeibeamte" angeklagt. Das Urteil: neun Jahre Haft. Der Richter sagte damals, der Amerikaner habe durch seinen Angriff auf die Polizisten "psychischen und körperlichen Schaden" verursacht, wie die Nachrichtenagentur AFP damals berichtete. Als der Krieg in der Ukraine begann, dachte Reed, dass der das Ende seiner Hoffnung sei, früher entlassen zu werden. Doch er sollte sich täuschen.
Zwei Wochen Einzelhaft auf kaltem Boden
Mehr als sein Jahr verbrachte er in Untersuchungshaft, in einem Gefängnis, dass er als "extrem dreckig" und rattenverseucht bezeichnete. Danach ging es in einen früheren Gulag, berüchtigte sowjetische Arbeitslager aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs. Dort, so erzählt er, verweigerte er sowohl die Arbeit als auch sich an die Regeln zu halten. Zur Strafe landete er bis zu zwei Wochen in Einzelhaft, wo er auf dem kalten Boden schlafen musste. Auf der anderen Seite erntete er den Respekt seiner Mithäftlinge.
Dann plötzlich die Wende. Wohl auch dank seiner Eltern und seiner Freundin, die nicht aufgegeben haben, um seine Freilassung zu kämpfen. "Sie haben das alles erreicht. Sie haben ihr Leben gegeben, um mir zu helfen."
Im April 2022 wurde er in ein Flugzeug gesetzt und Richtung Schwarzes Meer geflogen. Die Maschine sei so alt gewesen, dass Trevor während des Flugs befürchtete, abzustürzen. Schon auf der Reise weiter in die USA spürte "ich, dass ich eine Flugangst entwickelt hatte". Beim Zwischenstopp in der Türkei wurde er gegen einen russischen Piloten ausgetauscht. "Ich erinnere mich, wie wir uns ansahen. Vermutlich haben wir beide das gleiche gedacht: 'So sieht der Typ also aus.'."
Trevor Reed hat Blut gehustet
Zurück in den Vereinigten Staaten musste Reed erst einmal durch den Medizincheck. "Ich habe Blut gehustet und befürchtet, eine Tuberkulose erwischt zu haben." "Er sah fürchterlich aus", erzählte seine Mutter Paula Reed ebenfalls im Sender ABC. "Er war richtig dürr und hatte schwarze Ringer unter den Augen. Er sah nicht so aus wie der Trevor, der nach Russland gereist war. Es war schlimm, ihn so zu sehen."
In seiner Heimat versucht er, wieder zurück in sein Leben zu finden. "Ich bin viel mit meiner Familie zusammen und gewöhne ich sehr langsam daran, frei zu sein." Gleichzeitig aber beschäftigt ihn das Schicksal seines Landmannes Paul Whelan. Der wurde 2018 in Moskau verhaftet und wegen vermutlich erfundenen Spionagevorwürfen zu 16 Jahren verurteil. Auch er ist derzeit in dem Ex-Gulag. "Ich fühle mich schuldig, dass ich frei bin und Paul nicht", sagt Trevor Reed. "Sobald ich wieder in der Lage dazu bin, werde ich alles versuche, ihn da herauszuholen."
Quellen: ABC, AFP