Abenteuer in der Tiefe Ein Jahr nach "Titan"-Tragödie: US-Milliardär plant Tauchgang zur "Titanic"

Vermisstes Tauchboot: Experten warnten schon 2018 vor Sicherheitsrisiken der "Titan"
Sehen Sie im Video: Berichte über Sicherheitsmängel des vermissten Tauchbootes mehren sich.




Wie kann man sicher auf Tauchfahrt gehen? Mit dieser Frage beschäftigt sich Will Kohnen schon seit langem. Der Ingenieur aus Kalifornien ist Vorsitzender eines Ausschusses für bemannte Unterwasserfahrzeuge bei der Marine Technology Society, einem Verband zur Erforschung von Meerestechnik. 2018 wandte er sich in einem Schreiben an die Firma OceanGate, Betreiber des Tauchbootes "Titan", das seit einer Touristen-Tauchfahrt am Sonntag verschollen ist. Mehrere Experten unterschrieben damals den offenen Brief. "Als Vorsitzender des Unterwasser-Ausschusses stehe ich zu dem Brief und zu den Gefühlen unserer Mitglieder, die besorgt waren. Es liegt keine Freude darin, zu sagen: 'Junge, wir haben gehofft, dass das nicht passiert. Wir sind momentan in einer sehr prekären Situation, die viele Menschen betrifft." Der Brief an den OceanGate-Chef Stockton Rush, der selbst in dem vermissten Boot sein soll, bezog sich nicht auf einen bestimmten Konstruktionsfehler, sondern auf die Entscheidung des Unternehmens, sich dem in der Branche anerkannten Zulassungsprozess nicht mehr zu unterziehen. "Es gibt nur zehn Fahrzeuge auf der ganzen Welt, die 4.000 Meter oder tiefer tauchen können, und alle sind zertifiziert - außer der "Titan". Es ist also ein Ausreißer. Branchenexperten äußerten sich auf einer Konferenz damals besorgt: Was sollen wir tun? Das ist sehr riskant, wir verstehen die Strategie, aber es ist für alle sehr riskant." Der mexikanische Youtuber Alan Estrada war bereits selbst mit der "Titan" auf Tauchgang. Die Gefahr sei ihm und anderen Teilnehmern damals bewusst gewesen, berichtet er im Interview. "Wir haben eine Erklärung unterschrieben, mehrere Blätter, ich weiß nicht mehr, wie viele, in denen alle Risiken erklärt werden, die man eingeht, einschließlich 'Verlust des eigenen Lebens'. Wir, die wir an diesen Expeditionen beteiligt sind, wissen, dass es sich um eine unglaublich riskante Expedition handelt. Wir wissen, dass wir nicht in einen Vergnügungspark gehen." Bei seiner Expedition zum Wrack der "Titanic" im vergangenen Jahr sei die Kommunikation zwischen Tauchboot und Begleitschiff zwischenzeitlich abgerissen, sagt Estrada. "Es gibt es eine Toleranzzeit. Wenn die Kommunikation innerhalb dieser Zeit nicht wiederhergestellt ist, muss man die Mission abbrechen. Wie Sie in meinen Videos sehen können, haben wir die Kommunikation mehr oder weniger in einer Tiefe von 1000 Metern verloren. Die Toleranzzeit verstrich, und wir waren bereits dabei, die Mission abzubrechen; tatsächlich wurde der erste Ballast abgeworfen, und genau in diesem Moment konnten wir die Kommunikation wiederherstellen und haben sie auch nicht mehr verloren. Deshalb konnten wir den Abstieg machen." Der Tauchgang der "Titan" am Sonntag war für zwei Stunden angesetzt. Laut Schätzungen von Experten reicht der Sauerstoff an Bord nur für 96 Stunden. Die Suche nach den Vermissten wurde am Donnerstag mit höchster Eile fortgesetzt.
Nach dem tragischen Vorfall im Nordatlantik, bei dem ein U-Boot auf dem Weg zum Wrack der "Titanic" implodierte ist klar: Der Tauchgang ist gefährlich. Doch einen Milliardär schreckt das nicht.

Es war ein Schock für die Angehörigen und für die Welt: Im Juni vergangenen Jahres implodierte das U-Boot "Titan" bei seinem Tauchgang zum Wrack der untergegangenen "Titanic". Vier Tage lang suchten Helfer der US-Küstenwache fieberhaft mit Flugzeugen, Schiffen und Tauchrobotern nach den Verschollenen.

In 3800 Metern Tiefe nahe dem Wrack des gesunkenen Dampfers entdeckten sie schließlich Trümmerteile der "Titan". Alle fünf Insassen starben bei dem Vorfall, die Betreiberfirma Oceangate stellte daraufhin den Betrieb ein.

Mit der "Triton 4000" zum Wrack der "Titanic"

Den Unternehmer Larry Connor schreckt der tragische Vorfall von damals offenbar nicht: Der Milliardär aus Ohio möchte als nächstes den Tauchgang zum Wrack der "Titanic" wagen. Für das Abenteuer will er zusammen mit dem Chef des Unternehmens "Triton Submarines", Patrick Lahey, ein neues Mini-U-Boot entwickeln lassen, berichtet das "Wall Street Journal". Es soll den Namen "Triton 4000/2 Abyssal Explorer" targen; in Anlehnung an die Meerestiefe in Metern, die das Boot erreichen kann. Das geplante U-Boot kann damit weiter tauchen als das Gefährt von Oceangate, das eigentlich nur für eine Tiefe von 1300 Meter zugelassen war.

Ocengate-Chef Stockton Rush, der selbst zu den Opfern zählte, war dafür bekannt, dass er in puncto Sicherheit bis an die Grenzen ging. Mehrere Warnungen von Beratern über mögliche Probleme der "Titan" hatte er ignoriert. Die Ermittlungen der US-amerikanischen und kanadischen Behörden dauern bis heute an.

Milliardär Connor will deshalb erst loslegen, wenn die "Triton 4000" vollständig von einer Marineorganisation zertifiziert wurde, teilte ein Sprecher US-Medien mit. Wann das Abenteuer beginnen soll, steht deshalb noch nicht fest. Dem "Wall Street Journal" sagte Connor: "Ich möchte den Menschen auf der ganzen Welt zeigen, dass der Ozean zwar extrem mächtig ist, aber auch wundervoll und unterhaltsam sein kann und das Leben wirklich verändert, wenn man sich auf ihn einlässt."

Connor gilt als Abenteurer. 2021 wagte er sich mit Lahey in einem Tauchboot in die Challenger-Tiefe und zur Sirena-Tiefe im Marianengraben. Mit 11.000 Metern ist er der weltweit tiefste Punkt am Meeresboden.

Quellen: "Wall Street Journal", BBC, Forbes, AFP

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