Seit Montag gilt "Phase 2": Nach Wochen des strikten Corona-Lockdowns dürfen die Italiener sich nun erstmals wieder etwas freier bewegen, die strengen Regeln werden langsam gelockert. Erste nicht-systemrelevante Firmen nehmen den Betrieb wieder auf und auch Ortswechsel sind nun wieder möglich. Wer verreist, muss dies allerdings begründen: Besuche bei Familienmitgliedern sind möglich – bei Freunden jedoch nicht; Urlaubs- und Freizeitreisen sind ebenfalls verboten.
Was gerade in Italien passiert, ist auch für Länder wie Deutschland spannend zu beobachten: Halten sich die Menschen an das Abstandsgebot? Wie entwickelt sich das Infektionsgeschehen, wenn man strenge Ausgangsbeschränkungen wieder lockert? Kommt - wie von Politikern und Epidemiologen befürchtet - eine zweite große Corona-Welle?
Volle Bahnsteige in Mailand
Es wird wieder gehupt in Mailand: Wie die Nachrichtenagentur Ansa berichtet, herrschte am Montagmorgen spürbar mehr Verkehr in der norditalienischen Metropole. Nach Wochen mit Corona-bedingt leeren Straßen sind jetzt wieder Fahrzeuge unterwegs – und auch die Ungeduld angesichts grüner Ampeln ist zurück. "Überall in der Stadt gibt es Verkehr, aber im Moment fließt er, keine Probleme", berichtete die örtliche Polizei der Ansa.

Auch am Mailänder Hauptbahnhof herrschte wieder mehr Betrieb: Schon am frühen Morgen hatte sich dort eine lange Schlange aus etwa 100 Wartenden gebildet. Sie hatten den Hochgeschwindigkeitszug um 7.10 Uhr über Rom nach Neapel gebucht, doch vor dem Einsteigen musste jeder von ihnen durch die Sicherheitskontrolle: Polizei und Armee standen zum Fiebermessen und für Pass-Checks bereit. Dabei soll es zunächst keine Probleme gegeben haben. Alle Reisenden ließen sich freiwillig kontrollieren und hielten beim Warten auch genügend Abstand, so die ANSA. Auf den Bahnsteigen wurde es dann jedoch zeitweise wieder voller, wie aktuelle Bilder zeigten. Der Bürgermeister der Stadt, Giuseppe Sala, befand jedoch: "Die Mailänder haben sich sehr sorgsam verhalten."
Mailand gilt zusammen mit der zugehörigen Provinz Lombardei als Corona-Hotspot in Italien.
Andrang in Turin auf Züge Richtung Süden
Auch in Turin waren die Bahnhöfe am Montagmorgen zeitweise gut gefüllt. Die Zeitung "La Stampa" sprach von einem regelrechten "Exodus in Richtung Süden". Viele Italiener, vor allem Studenten, waren aufgrund des Lockdowns in der Stadt gestrandet und machten sich nun auf den Weg zu ihren Familien, so die Zeitung.
Außerdem seien wieder "Autos in großen Mengen" in der Stadt unterwegs, berichtete Ansa. "Jogger und Hundebesitzer verschwendeten keine Zeit und betraten sofort den Valentin-Park." Die meisten Passanten hätten eine Maske getragen.
Schlangen vor Bars in Rom
In der italienischen Hauptstadt kamen am Montag nur wenige Züge an. Fahrgäste berichteten der Ansa, es seien nur wenige Passagiere an Bord gewesen, sodass man leicht habe Abstand halten können. Die römischen U-Bahnen sind dagegen schon wieder gut gefüllt: Ein Immobilienmakler auf dem Weg zum Büro sagte der Agentur, er habe deshalb "ein wenig Sorgen, es ist der erste Tag, an dem ich nach zwei Monaten wieder zur Arbeit komme. Ich habe ein wenig Angst, aber ich kann nichts anderes tun."
Auch Bars und Restaurants haben teilweise wieder auf – allerdings gibt es Essen und Getränke nur zum Mitnehmen. Vor vielen Lokalen bildeten sich daher lange Schlangen, einige Wartende hätten sich daraufhin lautstark beschwert, hieß es.
Vorsicht in Venedig, Florenz und Bari
Auch in den Touristenhochburgen Venedig, Florenz und Bari kehrt langsam das Leben ein Stück weit zurück. In allen drei Städten gab es seit dem Morgen mehr Verkehr als in den Wochen zuvor, "allerdings nicht auf dem Niveau vor der Blockade", schrieb die Nachrichtenagentur. Busse und Bahnen seien jedoch weitgehend leer geblieben.
Volle Straßen und Verkehrsmittel in Neapel
Im Gegensatz zu den anderen italienischen Großstädten schien in Neapel die Stimmung etwas anders zu sein. Tag 1 nach dem Lockdown sah "nicht wie ein Tag mitten in einem Notstand aus, sondern wie ein Tag vor der Sperrung", schrieb die Ansa. Es gab demnach viel Verkehr, volle Straßen, Gedränge an Bushaltestellen. Der einzige Unterschied zu früher: Die meisten Menschen trugen Masken.
Für Aufregung sorgten die Zustände in einer Regionalbahn, die am frühen Morgen aus dem kampanischen Hinterland in Neapel eintraf. Ein Video, das unter anderem die Zeitung "Corriere della Sera" veröffentlichte, zeigte ihre Ankunft.
Die Bilder zeigten, wie Dutzende Menschen aus dem Zug auf den Bahnsteig strömten. "Eine dramatische Situation, die wir angesichts der vom Ministerium für Verkehr und Infrastruktur herausgegebenen Richtlinien nie erwartet hätten", kommentierte Adolfo Vallini von der Gewerkschaft USB Lavoro Privato Napoli.
Italien lebte rund zwei Monate im Lockdown
Nach rund acht Wochen im Corona-bedingten Lockdown samt strikter Ausgehbeschränkungen atmen die meisten Italiener nun auf, weil langsam ein Ende in Sicht kommt. Insgesamt herrschte jedoch Verwirrung darüber, was nun genau erlaubt ist und was nicht.
Sport in Parks ist wieder erlaubt, aber ohne Begleitung. Auch Familienbesuche sind wieder gestattet – Besuche bei Freunden jedoch nicht. Fabriken fahren wieder hoch, Restaurants und Bars dürfen für Take-Away wieder öffnen.
Die Regierung hatte am 10. März die 60 Millionen Menschen im Land unter Quarantäne gestellt und die Produktion des Landes heruntergefahren. Damit stand das Land unter einem der längsten und striktesten Lockdowns der Welt. Nun könnten rund vier Millionen Menschen wieder arbeiten gehen, sagte Regierungschef Giuseppe Conte. Masken sind unter anderem in öffentlichen Verkehrsmitteln Pflicht.
Italien hat mit fast 29.000 Toten so viele Opfer zu beklagen wie wenig andere Länder. Allerdings sinkt die Zahl der Infektionen seit längerem. Welche Auswirkungen die neuen Lockerungen auf das Pandemie-Geschehen in dem Land haben wird, dürfte allerdings erst in einigen Wochen abzusehen sein.
Quellen: Nachrichtenagenturen Ansa, DPA, "La Stampa [1]", "La Stampa [2]"