Familie Genow hat es sich im Wohnzimmer ihres Hauses in Neuenhagen bei Berlin gemütlich gemacht. Es gibt Kaffee und Kuchen, und das Geburtstagskind packt sein Geschenk aus. Der pensionierte Elektroingenieur hält eine eigenartige Urkunde in den Händen. Auf dem Dokument steht sein Vorname: Kyrill. Der gebürtige Bulgare soll Namenspate für ein Tiefdruckgebiet werden. Im Januar des kommenden Jahres werde sein Name überall auf den Wetterkarten in der Tagesschau und in den Zeitungen erscheinen, sagen die Kinder. "Du wirst berühmt sein", jubeln sie. Da freut sich auch Herr Genow über das ungewöhnliche Geschenk.
Eigentlich wollten die Kinder ein Hochdruckgebiet schenken. Doch das gab es nicht mehr zur Auswahl im Institut für Meteorologie der FU Berlin, das die Wetterpatenschaften verkauft, 199 Euro für ein Tief, 299 Euro für ein Hoch. Das Geld kommt der Wetterstation in Berlin-Dahlem zugute.
Kyrill Genow
... ist am Mittwoch zu Gast bei stern TV (RTL, 22.15 Uhr)
Kyrill war Missionar
Anfang Januar ist es endlich soweit. Die FU Berlin informiert Herrn Genow, dass ein nahendes Tiefdruckgebiet seinen Namen erhält. Kyrill, das bedeutet "der Herrliche" und kommt aus dem Griechischen. Der Name ist besonders in Osteuropa verbreitet und geht auf den christlichen Slawen-Missionar Kyrillos von Saloniki zurück. Der griechische Gelehrte aus dem Mittelalter und sein Bruder Method gelten als die Urheber des kyrillischen Alphabets. Doch darüber macht sich Herr Genow keine Gedanken, als sein Tief für erste Sturmwarnungen in den Nachrichten sorgt.
"Regen kommt und geht", denkt sich der 65-Jährige noch einige Tage vor dem Sturm. Aber am 18. Januar "ist draußen plötzlich die Hölle los". Kyrill Genow sitzt zu Hause vor dem Fernseher und schaltet hektisch von Sender zu Sender. Er sieht die Verwüstung, die der Sturm in Mitteleuropa hinterlässt. "Das war zu viel, ich war schockiert von allem", erinnert sich der Namenspate. Der Sturm fordert in Deutschland 13 Todesopfer. In den folgenden Tagen melden sich Menschen am Telefon, die besonders lustig sein wollen: "Es kamen Anrufe, von wegen Haftpflichtversicherung, Schadensmeldungen und so weiter."
Kyrill Genow ist sehr betroffen, dass sein Name nun in Verbindung mit dem zerstörerischen Orkan steht. Viel lieber wäre er mit seinen Leistungen als Elektroingenieur berühmt geworden. Anfang der 70er, als er noch in der DDR lebte, verhinderte Genow einen landesweiten Stromausfall und bekam dafür einen Orden. Doch darüber redet heute keiner mehr.