"Stellen Sie sich vor, jemand zahlt 100 Euro auf ein gebührenfreies, steuerfreies Sparkonto mit einem garantierten Zinssatz von 2 Prozent pro Jahr. Wie viel würde sich am Ende des ersten Jahres auf dem Konto befinden, wenn die Zinszahlung erfolgt ist? Und wieviel sind es nach fünf Jahren – 110 Euro, oder mehr oder weniger?" Mit solchen Fragen zum Finanzwissen, aber auch zum Finanzverhalten: "Wer ist in Ihrem Haushalt für die alltäglichen Geldentscheidungen zuständig?" und "Was haben Sie zuletzt getan, als Einkommen nicht ausreichte, um die Lebenshaltungskosten zu decken?" hat die Internationale Hochschule (IU) erforscht, wie es um das Wissen der Bevölkerung zu finanziellen Dingen steht, und wo sich die Menschen in Gelddingen Rat holen.
Das Ergebnis der Studie: Bei der finanziellen Bildung in Deutschland besteht Luft nach oben. Die Kluft zwischen dem vermeintlichen Wissen um Geldanlagen, Inflation und Zinseszins und dem faktischen ist gewaltig. 79,7 Prozent der Befragten schätzen ihre finanzielle Bildung selbst als eher gut bis sehr gut ein. Doch tatsächlich erreichen sie in der Studie im Durchschnitt gerade einmal die Hälfte (10,7 Punkte) von insgesamt 20 möglichen Punkten zur finanziellen Bildung.
"Wir müssen vor allem jungen Menschen besseres Finanzwissen vermitteln"
"Wir müssen vor allem jungen Menschen besseres Finanzwissen vermitteln", fordert Prof. Dr. Johannes Treu, Professor für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Volkswirtschaftslehre an der IU Internationalen Hochschule. Die Schule solle ein Basisverständnis schaffen. Darüber hinaus brauche es digitale und qualitativ geprüfte Angebote, um verständliche Informationen zu erhalten.
Nur knapp die Hälfte der Befragten (49,2 Prozent) fühlt sich durch ihre schulische Ausbildung finanziell gebildet, zum Beispiel über Fächer wie Wirtschaft oder Sozialkunde. Doch neun von zehn Befragten (89,3 Prozent) bilden sich nach eigenen Aussagen weiter, wenn es um finanzielle Themen geht. Sie setzen dafür vor allem auf die Familie: 41,3 Prozent der Befragten nannten diese Quelle für Finanzwissen am häufigsten. In der Generation Z, also den unter 25-Jährigen, gaben sogar 60,6 Prozent der Befragten an, dass die Familie eine Informationsquelle ist. Unter den Befragten der Generation Z spielen logischerweise auch soziale Medien eine große Rolle: 38,9 Prozent von ihnen vertrauen auf Influencer:innen.
"Wer sich selbst, der Familie oder Influencer:innen zu stark vertraut, geht ein unnötiges Risiko ein"
Insgesamt fühlt sich aber gerade die Generation Z recht wenig informiert: 38,7 Prozent der unter 25-Jährigen denken, dass sie nicht genug für eine Finanzinvestition wissen. Unter den über 56-Jährigen empfinden das nur 10 Prozent so.
Sind dann finanzielle Entscheidungen zu treffen, vertrauen die Befragten vor allem auf sich selbst (82,1 Prozent). Erst danach folgen die Familie (60,4 Prozent) oder Freund:innen (43,6 Prozent). Schlusslicht unter den Vertrauenspersonen sind mit 39,0 Prozent die Finanzberater:innen. "Wer sich selbst, der Familie oder Influencer:innen zu stark vertraut, geht ein unnötiges Risiko ein", sagt Treu.
Gerade weil viele auf ihre eigene Kompetenz setzten, sei es wichtig, die finanzielle Bildung in Deutschland auszubauen, fordert Wirtschaftsforscher Johannes Treu, denn: "Der Umgang mit Geld und das Verstehen von Investitionen, Schulden und Finanzinstrumenten entscheiden darüber, ob Menschen ein finanziell stabiles Leben führen und finanzielle Ziele erreichen."