Eine ganze Armee war in Stalingrad eingeschlossen. Ihre Befreiung sollte der legendäre Generalfeldmarschall Manstein leiten – Hitlers berühmtester Stratege. Als sein Name im Kessel bekannt wurde schrieb Hauptmann Friedrich Waldhausen begeistert: "Gestern abend schickte der Feldmarschall von Manstein folgendes Telegramm an unser eingeschlossenes Häuflein: Haltet aus, ich hau Euch raus. Manstein. Das hat eingeschlagen bei uns! Das war mehr als ein Zug voll Munition und eine JU voll Verpflegung! Ich habe es gleich allen Soldaten bekanntgeben lassen. Wir werden aushalten! Die Stimmung der Truppe ist musterhaft. Alles pfeift uns singt. Die meisten Kranken sind schlagartig wieder gesundgeworden. Alles ist zuversichtlich: Haltet aus, ich hau’ Euch raus!"
Hitlers dünne Linien in der Steppe brachen zusammen
Wenige Tage vorher, am 19. November 1942, hatte der Angriff sowjetischer Truppen begonnen, um die deutsche 6. Armee und ihre Verbündeten in Stalingrad einzukesseln. Der Ansturm konnte von den Achsenmächten nicht aufgehalten werden. Ihre kampfkräftigsten Truppen waren in Stalingrad konzentriert. Dort war es den Deutschen trotz verlustreicher Kämpfe nicht gelungen, die Sowjets ganz aus der Stadt zu vertreiben.
Die langen Flanken in der offenen Landschaft mussten schlecht ausgerüstete italienische und rumänische Truppen sichern – sie wurden in kürzester Zeit von den russischen T-34 aufgerieben. Schon nach vier Tagen trafen die Angriffskeile der Roten Armee bei Kalatsch aufeinander. Damit war die Lebenslinie, die Eisenbahnstrecke, gekappt. Die deutsche 6. Armee, Teile der 4. Panzerarmee sowie rumänische Einheiten mit insgesamt 22 Divisionen und 330.000 Soldaten in Stalingrad waren abgeschnitten.
Stalingrad war für Hitler und Stalin ein Prestigeprojekt
Ein schneller Ausbruch hätte durchaus Erfolg haben können. Ihn untersagte die deutsche Führung. Hitler schrieb an den Oberbefehlshaber der 6. Armee Paulus: "...Die 6. Armee muss wissen, dass ich alles tue, ihr zu helfen und sie zu entsetzen. Ich werde ihr rechtzeitig meine Befehle geben." Hitler wollte die Stadt auf keinen Fall aufgeben und vertraute der Zusage Herman Görings, die Eingeschlossenen aus der Luft zu versorgen. Eine unlösbare Aufgabe, an der die Luftwaffe komplett scheiterte. Beim Versuch die Stadt anzufliegen, mussten die deutschen Maschinen bald eine Feuerwand der Flugabwehr durchqueren. Von den beiden wichtigsten Flugzeugtypen gingen 266 Junkers Ju 52 verloren und 156 Henkel He 111.
Nicht genug Kräfte der Wehrmacht für eine Gegenoperation
Statt des Ausbruchs sollte ein Einsatzangriff den Ring der Roten Armee sprengen. Der Oberbefehl wurde Generalfeldmarschall Manstein übertragen. Doch dann passierte lange Zeit nichts. Fehlende Reserven und die wankende deutschen Fronten führten zu Verzögerungen. Bei den Eingeschlossenen kippte die Stimmung. Der Gefreite Alois Müller schrieb zu dieser Zeit an seine Frau. "Geliebtes Putzerl! Sende die innigsten Grüße von der Front. … Ich schreibe im Finstern, und es geht sehr schlecht. Wir liegen nun schon 14 Tage in der Stellung .... Liebes Elschen, ich küsse Dich in Sehnsucht aus der Steppe und der Einsamkeit. Betet für uns, es muss doch besser werden. Furchtbar ist der Krieg. Manchmal denke ich so: wenn doch die Welt untergehen wollte. Es muss doch mal etwas geschehen, die Zeiten können doch nicht so weitergehen."
Erst am 12. Dezember griff das LVII. Panzerkorps unter der Führung Generaloberst Hermann Hoth endlich an – fast drei Wochen nachdem die Rote Armee die Stadt abgeriegelt hatte.
Abgesehen von den schwachen deutschen Kräften sprach in der Theorie einiges für einen Entsatzangriff. In der Geschichte war es belagerten Streitkräften nur selten gelungen aus eigener Kraft die Belagerer zu besiegen, aber fast immer musste eine Belagerung abgebrochen werden, wenn sich ein Heer näherte. Nur Caesar konnte in Alesia 52 v.Chr. die Belagerung der Stadt fortsetzen und gleichzeitig einen Angriff abwehren. Doch die Zeiten hatten sich geändert. Die Rote Armee schloss den Ring um Stalingrad und besaß genügend Kräfte, die deutschen Fronten von der Stadt wegzudrängen.
Am Ende blieb eine Division für Hitlers Angriff übrig
Der deutsche Angriff hätte Aussicht auf Erfolg gehabt, wäre er von starken Einheiten durchgeführt worden. In der Heimat und im Kessel dachte man beim Namen Manstein daran, dass eine Heeresgruppe aufgeboten würde oder doch zumindest eine ganze Armee. Tatsächlich lastete die Hauptlast der Kämpfe allein auf der deutschen 6. Panzerdivision. Sie sollte von der 23. Panzerdivision unterstützt werden. Dieser Verband war jedoch schon zu Beginn der Operation nur noch eine ausgebrannte Hülle. Der Zustand der ebenfalls eingesetzten 17. Panzerdivision war kaum besser.Nur die 6. Panzerdivision besaß ihre normale Stärke und war zudem mit modernen Panzern ausgerüstet. Ihre Panzer IV mit den Lanrohgeschütz konnten es mit dem T-34 aufnehmen. Außerdem sollte die Division die ersten Tiger I erhalten – den stärksten deutschen Panzer, der mit der mächtigen 8,8-Kanone ausgestattet war. Die neun zugeteilten Tiger kamen jedoch zu spät in dem Gebiet an.
Den deutschen Truppen schlug heftiger Widerstand entgegen, der zu erheblichen Verlusten führte. Als der Widerstand schließlich gebrochen werden konnte, erreichte die Panzer am 20. Dezember den Fluß Myschkowa. Von dort waren es nur noch 55 Kilometer bis zum Südrand des Kessels. Mehr als die Hälfte der Strecke waren zurückgelegt. In der Nacht war der Feuerschein über der Stadt zu erkennen. "Die schlimmste Lage ist jetzt vorbei. Wir hoffen alles, dass wir bis Weihnachten aus dem Kessel heraus sind", schrieb damals einer der Soldaten.
Im Kessel bereiteten sich die Truppen auf den Ausbruch vor. Aus dem Nordrand wurden Soldaten abgezogen, die Verbände vernichteten überschüssiges Material, nur was transportiert werden konnte, wurde behalten. Die geringen Vorräte an Benzin machten einen regulären Ausbruch zu dem Zeitpunkt unmöglich. Ein Großteil der Panzer und des schweren Geräts wären in der Wintersteppe vermutlich liegen geblieben. Dennoch wollten die Eingeschlossenen den Ausbruch wagen, um zumindest das Leben der Soldaten zu retten. Auch die verbliebenen Kräfte des LVII. Panzerkorps waren bereit, den entscheidenden Angriff ohne jede Sicherung zu wagen.
Keiner wollte die Verantwortung tragen
Diese Operation wurde nie durchgeführt. Erfolgreiche Angriffe der Roten Armee drohten, die deutschen Kräfte ihrerseits von jeder Versorgung abzuschneiden. Das war das Ende der Operation "Wintergewitter", die Reste der 6. Panzerdivision wurden abgezogen. Am 24. Dezember wurde den Eingeschlossen klar, dass sie in Stalingrad bleiben würden. Am Heiligabend schrieb der Soldat Kurt Haas seinem Vater in einem Feldpostbrief, dass er nicht zurückkehren wird. "Ich will Dir noch etwas schreiben, was etwas hart klingt, aber wir sind ja keine Frauen. Wenn Karl auch nach Russland gekommen sein sollte oder kommt noch hin, und es sollte eine Nachricht (über meinen Tod (Anmerkung der Redaktion)) heimkommen, die niemand erwartet, so mache beim Wehrmeldeamt ein Gesuch, dass einer zurückkommt, damit Du nicht das Allerschrecklichste erleben musst, dass noch eine zweite (Todes- (Anmerkung der Redaktion))Nachricht nach Hause kommt."
Die deutschen Kräfte wurden von vier Korps der Roten Armee angegriffen und weit zurückgeworfen. Die Überlegenheit der Sowjets lässt zweifeln, ob ein Ausbruch-Szenario zu dem Zeitpunkt noch Erfolg hätte haben können. Tatsächlich war der fehlende Mut der militärischen Führung schuld daran, dass diese letzte schwache Chance verstrich. Niemand von den Befehlshabern wollte die Verantwortung auf sich laden und niemand wollte den Befehlen Hitlers zuwider handeln.
Das Sterben im Kessel ging noch sechs Wochen weiter. Von 330.000 Eingeschlossenen überlebten etwa 6000 den Krieg.
Anmerkungen: Ein Leser machte uns darauf aufmerksam, dass die Tiger-Panzer erst am 6. Januar in der Region eingetroffen seien.
Die Feldpostbriefe aus Stalingrad sind in der originalen Orthografie wiedergegeben. Eine Auswahl findet man hier.
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