Nasa-Drama Die einsamen Helden

Nach dem bizarren Eifersuchtsdrama um eine US-Astronautin entbrennt nun die Diskussion um die Ursachen. Lässt die Nasa ihre Helden zu sehr allein? Und unterschätzt sie womöglich die fatalen Folgen, die zwischenmenschliche Probleme haben können?

Astronauten sind Helden - nicht nur in Amerika, aber dort ganz besonders. Die Erwartungen an die Raumfahrer sind extrem, Fehler darf es nicht geben. Dass die Sternenheldin Lisa Nowak die Nerven verliert und mit Luftgewehr, Klappmesser, Hammer und Pfefferspray im Wagen fast 1500 Kilometer durch die USA fährt, um eine vermeintliche Nebenbuhlerin zu überfallen, passt da nicht ins Bild. Oder doch?

"Du setzt dir ein Ziel und dann heißt es nur noch weiter, weiter, weiter und du lässt dich durch nichts aufhalten", beschreibt der ehemalige US-Astronaut Jerry Linenger die Selbstdisziplin in der elitären Gruppe. Diese Zielstrebigkeit erkennt er auch im Versuch Nowaks, die vermeintliche Rivalin Colleen Shipman von ihrem Shuttle-Kollegen William Oefelein fern zu halten. Dass die Mutter dreier Kinder jedoch nicht einmal nach Beginn ihrer Verfolgungsfahrt über ihr Handeln reflektierte, findet Linenger beunruhigend. "Das widerspricht ihrem Training", sagt er.

"Niemand hilft bei der Wiederanpassung"

Schon seit ihrer Kindheit arbeitete die 43-Jährige darauf hin, Raumfahrerin zu werden. In der Highschool gehörte sie zu den besten ihres Jahrgangs, später besuchte sie die Marineakademie und wurde Testpilotin. Als Nowak im vergangenen Sommer ihren Flug im Space Shuttle absolvierte, war das große Ziel erreicht - und die Aussicht auf weitere Weltraummissionen gering. Bereits 2010 sollen die altgedienten Raumfähren ausrangiert werden. Einen Ersatz wird es wohl erst mehrere Jahre später geben.

"Das größte Problem jedes Astronauten ist, wenn sie einmal ihr Ziel erreicht haben: Was tue ich als nächstes, auf was konzentriere ich mich?", erklärt der Nasa-Experte und NBC-Korrespondent Jay Barbree. Zurückkehrende Raumfahrer seien Überflieger ohne großes Ziel. "Fast jeder Einzelne kam zurück und hatte Anpassungsprobleme", sagt Barbree.

Dennoch seien die Astronauten nach ihrer Heimkehr weitgehend auf sich allein gestellt, sagt Buzz Aldrin, der als zweiter Mensch der Welt auf dem Mond stand und nach seiner Rückkehr mit Depressionen und Alkoholproblemen kämpfte. "Niemand hilft ihnen bei der Wiederanpassung. Es ist schwer für die Nasa, diese Verantwortung zu übernehmen." Die Behörde könne zwar mit Physik, Wissenschaft und Technik umgehen. Menschliches Verhalten und die Reaktionen darauf seien in ihrer Komplexität jedoch nicht vorhersehbar.

"Die Nasa übertreibt"

"Die würden nie auf die Idee kommen, mit einer defekten Schraube oder einer Schraube, die einen Mangel aufweist, zu fliegen", sagt die ehemalige Nasa-Psychiaterin Patricia Santy. "Sie würden die Raumfähre auf dem Boden lassen." Bei zwischenmenschlichen Problemen könne sich die Nasa dagegen nicht vorstellen, dass diese ebenso katastrophale Folgen haben könnten, kritisiert sie.

Nun erwägt die Raumfahrtbehörde, sich künftig mehr um die Heimkehrer zu kümmern. "Einzelne könnten sich fragen, wo sie hingehören", räumt Nasa-Flugleiterin Ellen Ochoa nach dem bizarren Überfall der Weltraumheldin Nowak ein. Auch die psychologischen Tests für Raumfahrer sollen überarbeitet werden. Für Psychiaterin Santy lässt sich das Problem dagegen nicht allein durch verbesserte Auswahlverfahren lösen. "Ich glaube wirklich, dass die Nasa es mit der Darstellung, wie heldenhaft und super all diese Menschen sind, übertreibt", sagt sie. "Sie selbst haben vergessen, dass dies ganz normale Menschen sind."

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Seth Borenstein/AP

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