Ein Jahr nach dem Absturz der Raumfähre "Columbia" hat sich US-Präsident George W. Bush nachdrücklich zur bemannten Raumfahrt bekannt und den Flug eines Menschen zum Mars als Ziel für die nächsten Jahre ausgegeben. Er kündigte dazu die Entwicklung eines neuen Raumschiffs an, das zum Ende des Jahrzehnts die Raumfähren ablösen und Astronauten auch zum Mond fliegen soll. Dort will Bush eine dauerhafte Station als Basis für Flüge zum Mars errichten lassen.
386 Meilen reichen Bush nicht
Den Zustand der bemannten Raumfahrt der USA nach der "Columbia"-Katastrophe vom 1. Februar 2003, die sieben Astronauten das Leben kostete, beschrieb Bush schlicht als Stillstand. Die übrigen drei Raumfähren stehen seitdem auf dem Boden. "In den vergangenen 30 Jahren hat kein Mensch mehr seinen Fuß auf eine andere Welt gesetzt oder ist weiter in den Weltraum vorgestoßen als 386 Meilen (rund 620 Kilometer), das ist ungefähr die Entfernung von Washington D.C. nach Boston in Massachusetts", sagte Bush. "Es ist an der Zeit für Amerika, den nächsten Schritt in der Erkundung des Weltalls zu gehen."
"Bush gibt Geld aus, als ob wir es wie Heu hätten"
Er stelle sich "neue Reisen in Welten außerhalb unserer eigenen" vor, erklärte Bush am Mittwoch in seiner Rede am NASA-Hauptquartier in Washington. Sein Ziel sei die "Ausdehnung der Anwesenheit des Menschen über das Sonnensystem". Roboter sollten spätestens 2008 mit der weiteren Erkundung des Mondes beginnen, bemannte Flüge möglichst schon 2015 und spätestens 2020 folgen. Für wann bemannte Flüge zum Mars geplant sind, sagte Bush zunächst nicht.
NASA-Haushalt 2004 beträgt 15,5 Milliarden Dollar
Zur Umsetzung seiner Pläne rief Bush ein neues Gremium ins Leben, die Kommission zur Umsetzung der US-Raumfahrtpolitik, die von dem früheren Luftwaffenminister Pete Aldridge geleitet wird. Zur Finanzierung soll der NASA-Haushalt in den kommenden fünf Jahren gerade einmal um eine Milliarde Dollar aufgestockt, weitere elf Milliarden sollen im NASA-Haushalt umschichten werden. Der NASA-Haushalt für 2004 beträgt 15,5 Milliarden Dollar. Verbunden sein wird die neue Zielsetzung auch mit dem weitgehenden Rückzug der Amerikaner von der Internationalen Weltraumstation (ISS), nachdem sie ihre Verpflichtungen erfüllt haben.
Ablenkungsmanöver im Zeichen des Wahlkampfs
Beobachter sehen in dem Vorstoß Bushs einen Versuch, von heimischen und internationalen Problemen seiner Amtszeit ein knappes Jahr vor der Wahl abzulenken. Neu sind die Pläne auch nicht. Schon Bushs Vater hatte während seiner Zeit als Präsident die Landung von Astronauten auf dem Mars geplant. Als die Schätzungen für die Kosten aber 500 Milliarden Dollar erreichten, wurde das Projekt vom Kongress zu den Akten gelegt.
Und auch dieses Mal gibt es Kritik vor allem an den Kosten. Angesichts eines Haushaltsdefizits von einer halben Billion Dollar hätten die USA wichtigeres zu tun, als sich mit kostspieligen Raumfahrtprogrammen zu befassen, erklärten Politiker der Demokraten. Und da sich die bisherige Finanzplanung mit einer zusätzlichen Milliarde Dollar für die Raumfahrt gerade auf fünf Jahre beläuft, bedeutet dies, dass sich auf jeden Fall - wenn Bush im November für eine zweite Amtszeit gewählt wird - seine Nachfolger mit dem kostenträchtigsten Teil des neuen Raumfahrtprogramms beschäftigen müssen.
Kommentatoren beurteilen Bushs Raumfahrtpläne skeptisch
Pressekommentatoren sehen die Raumfahrtpläne des amerikanischen Präsidenten George W. Bush als Wahlkampftaktik und Ablenkungsmanöver. In den USA rufen die enormen Kosten des Vorhabens, auf dem Mond eine bemannte Station als Ausgangspunkt für spätere Marsexpeditionen aufzubauen, Skepsis hervor.
So schreibt die "New York Times" am Donnerstag: "Mr. Bush hat in Wirklichkeit den Mond (buchstäblich) versprochen und es zukünftigen Präsidenten und Kongressen überlassen, auszuknobeln, wie sie die vermutlich hohen Rechnungen bezahlen, während sie die einschneidenden Einnahmenverluste bewältigen, die durch die unbesonnenen Steuerkürzungen von Mr. Bush entstehen werden."
Die "Washington Post" meint: "Die Nation steht einem klaffenden Haushaltsdefizit gegenüber, pädagogischen und gesundheitlichen Bedürfnissen und einer internationalen terroristischen Bedrohung. Daher ist es ein merkwürdiger Zeitpunkt, mit einem kostspieligen entbehrlichen Projekt anzufangen."
Die dänische Tageszeitung "Politiken" schreibt: "Die groß angelegte Vision von US-Präsident Bush ... ist kaum das, was ein amerikanischer Präsident im Augenblick mit Blick auf Zeit, Energie und Geld ins Zentrum stellen sollte. Das Timing ist vielleicht perfekt für einen Spitzenpolitiker, der die Aufmerksamkeit der Wähler von mehr erdverbundenen Problemen ablenken möchte."
Die Wiener Tageszeitung "Der Standard" glaubt, dass es weniger um wissenschaftliche Erkenntnisse geht: "Neue Mondmissionen hätten wohl auch militärische Hintergründe - der Raketenschild im Weltall ist bekanntlich eines der Lieblingsprojekte der Neokonservativen. Und die vollmundige Ankündigung von zukünftigen Mond- und Marsflügen passt gut in die Wahlkampfstrategie des Präsidenten. Eine nationale Mission an einen fernen Ort, wo viel Ruhm und keine Guerilla lauert, soll Amerikaner die anhaltende Misere im Irak vergessen und den Präsidenten als friedlichen Visionär erscheinen lassen."
Andere Hintergedanken sieht die belgische Zeitung "Le Soir": "George Bush hat darauf geachtet, auch an die Auswirkungen auf die zivile Wirtschaft zu erinnern - vom GPS-System bis zu medizinischen Geräten. Kritiker unterstreichen dennoch, dass diese Pläne nicht frei von militärischen Hintergedanken sind - zu einer Zeit, da China erstarkt."
Für die "Saarbrücker Zeitung" "sieht alles danach aus, dass die mit viel Wirbel angekündigten Ideen des Präsidenten nicht mehr werden als das, was die Amerikaner einen "Pie in the Sky" nennen oder auf Deutsch ein Luftschloss." Nach Ansicht der "Ostthüringer Zeitung" hält sich Bush für einen "Weltenlenker mit epochaler Gestaltungskraft. Der Griff nach den Sternen ist da nur logisch. Positiv gedeutet nennt man das Kühnheit; negativ gewendet heißt das Größenwahn".