Raumsonde Cassini-Huygens Sturzflug ins Ungewisse

Es könnte ein Kamikaze-Flug oder auch eine Zeitreise in die Vergangenheit der Erde werden, wenn sich die Raumsonde "Huygens" Mitte Januar in die dichten Wolken des Saturnmonds Titan stürzt.

Am 25. Dezember, dem ersten Weihnachtsfeiertag, soll sich die europäische Raumsonde "Huygens" von ihrem Mutterschiff "Cassini" lösen und in Richtung auf den Saturnmond Titan steuern. Der einzige Mond im Sonnensystem mit einer Atmosphäre fasziniert die Wissenschaft schon seit langem.

"Huygens" hängt derzeit noch an der Seite von "Cassini" und umkreist mit ihm das Saturnsystem. Ob bei der Ablösung alles glatt gegangen ist, werden die Forscher erst mehr als eine Stunde später wissen, denn so lange brauchen die Funksignale vom Saturn zur Erde.

Die 300 Kilogramm schwere Sonde wird dominiert vom 2,75 Meter großen gerundeten Hitzeschild, der an eine flache Wokschüssel erinnert - die aber beim Eintritt in die Titan-Atmosphäre 1.500 Grad Celsius aushalten muss. Darauf montiert ist ein Kasten mit den wissenschaftlichen Geräten, am oberen Ende sind die Fallschirme untergebracht, die den Fall der Sonde bremsen sollen, wenn sie in die Atmosphäre des rätselhaften Monds eintaucht.

In "Huygens" steckt Musik drin

In der europäischen Raumsonde "Huygens" steckt im wahrsten Sinn des Wortes Musik drin. Mit an Bord sind nämlich auch vier Popsongs, die die Musiker Julien Civange und Louis Haeri im Auftrag der Europäischen Raumfahrtbehörde (ESA) für das Projekt "Music2Titan" komponierten. Ab Dienstag steht die Musik auch auf der entsprechenden Web-Site zur Verfügung. "Unsere Musik ist wie ein blinder Passagier", sagt Civange. "Damit kann sich jeder mit einer solchen Reise identifizieren."

Jeder Song stehe für einen Teil des Unternehmens "Cassini-Huygens", erklärt Civange. Das Rockstück "Lalala" stehe für die Phase am Boden, die Vorbereitungen, den Bau der Sonde, "Bald James Dean" für die Trennung von "Huygens" von "Cassini". "Hot Time" ist dann eher experimentell und bezieht sich auf die Forschungen auf Titan. "No Love" schließlich beschäftigt sich mit Fragen zum möglichen Aufbruch der Menschen zu den Sternen.

"Huygens" verlässt an Weihnachten die Raumsonde "Cassini" und macht sich auf den Weg in Richtung des Saturnmonds Titan, den er am 14. Januar erreichen soll.

http://music2titan.com

Wenn die Geschwindigkeit langsam genug ist, wird der Hitzschild abgesprengt, und die sechs wissenschaftlichen Instrumente, die von einer Zeitschaltuhr zum Leben erweckt werden, können mit ihrer Arbeit beginnen. Von "Huygens" wird viel abverlangt: nachdem der Hitzeschild sie vor der mörderischen Hitze bewahrte, müssen die Instrumente bei Temperaturen von rund minus 180 Grad Celsius funktionieren. Die Forscher hoffen, dass die Sonde während ihres insgesamt wohl rund zweieinhalbstündigen Sinkflugs Daten und Bilder sendet. Begrenzt werden die Möglichkeiten von den Batterien, deren Lebensdauer rund drei Stunden beträgt.

Eingreifen können die Forscher dann schon längst nicht mehr. Denn wenn sich "Huygens" erst einmal gelöst hat, läuft alles andere automatisch. Um wirklich sicher zu gehen, wurden die über Titan zur Verfügung stehenden Daten ständig aktualisiert, zuletzt bei einem Vorbeiflug der Sonden am 13. Dezember.

Keiner weiß, was "Huygens" erwartet

Was es auf Titan zu sehen gibt, darüber wurde und wird gerätselt. Plumpst "Huygens" auf einem Methansee oder landet er eher auf einer festen, vielleicht sumpfartigen Oberfläche? Theorien dazu, wie Titan auf der Oberfläche beschaffen ist, gibt es viele - die Raumsonde soll jetzt Klarheit bringen. "Was ihm da blüht, wissen wir nicht", sagte Michael Khan, Huygens-Spezialist bei der Esa auf einer Veranstaltung in Darmstadt. Ein Aufsetzen auf der Oberfläche wäre "das Sahnehäubchen". Ob sie das überhaupt durchsteht, ist unklar, denn dafür wurde die Sonde auch gar nicht konstruiert.

Bis es soweit ist, vergeht aber noch einige Zeit. Erst am 14. Januar trifft "Huygens" auf Titan ein. "Cassini" gibt ihm am Samstag um 05.08 Uhr (MEZ) quasi nur einen kleinen Schubs, der "Huygens" mit einer Geschwindigkeit von zunächst 35 Zentimetern pro Sekunde wegtreibt. Damit "Huygens" aber nicht ins Trudeln gerät, wird eine so genannte Drallstabilisierung eingesetzt, das heißt, die Sonde wird zusammen mit dem Schubser in eine leichte Drehbewegung versetzt, so wie ein kleiner Kreisel, den man zwischen Daumen und Zeigefinger dreht, und der dann auf seiner Spitze steht. "Huygens" dreht sich aber nur sieben Mal in der Minute um die eigene Achse.

Seit sieben Jahren unterwegs

Der größte Mond des Saturn ist der einzige im ganzen Sonnensystem, der eine Atmosphäre besitzt. Diese besteht wie die der Erde größtenteils aus Stickstoff. Wolken, die es vermutlich auf Titan gibt, könnten aus Methan bestehen. Daneben wurden aber auch organische Verbindungen nachgewiesen. Damit sind die wesentlichen Bausteine für die Entwicklung von Leben vorhanden. Die Atmosphäre Titans ähnelt insgesamt der der Erde vor rund vier Milliarden Jahren. Die Forscher hoffen also, dass uns Titan etwas über unsere eigene Vergangenheit erzählt. Der Mond hätte auch sonst das Zeug zum Planeten, denn er ist zum Beispiel größer als die Planeten Merkur und Pluto.

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"Huygens" ist ein Projekt der Europäischen Raumfahrtbehörde (ESA) und der europäische Teil am europäisch-amerikanischen Gemeinschaftsprojekt "Cassini-Huygens". "Cassini" wurde von der Nasa entwickelt und gebaut. Wobei aber die Breitbandantenne und ein Großteil des Funksystems von der italienischen Raumfahrtbehörde ASI entwickelt wurden. Mehr als sieben Jahre ist es inzwischen her, dass die Sonde am 15. Oktober 1997 ins All gestartet wurden. Am 1. Juli erreichten "Cassini-Huygens" das Saturnsystem. Noch rund vier Jahre soll "Cassini" nach der Abtrennung von "Huygens" das System erkunden.

Klaus Gürtler, AP

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