Viele Dichter verfassten auch mal einen obszönen Text, selbst der Olympier Goethe war sich nicht zu schade, eine italienische Prostituierte anzupreisen. Heimlich natürlich, doch das sind brave Altherrenfantasien, wenn man sie neben "Leah Sublime" legt. Nicht jugendfrei und verstörend ist das Harmloseste, was man über das Werk sagen kann.
In dem Text besingt Aleister Crowley seinen Sex mit Leah Hirsig. Sie war 1883 in der Schweiz geboren. Nach einer hässlichen Scheidung wanderte ihre Mutter in die USA aus und ermöglichte ihren Töchtern ein freies Leben, eine jede sollte sich auf eine Kunst konzentrieren. 1948 arbeitete Leah Hirsig als Kunstlehrerin in der Bronx. Sie und ihre ältere Schwester Anna fühlten sich vom Magischen angezogen. Zu zweit besuchten sie den schon damals bekannten und berüchtigten Okkultisten Crowley in New York. Zwischen Meister und Lehrerin funkte es gewaltig, der Besuch verging damit, dass Hirsig und Cowley sich leidenschaftlich abküssten. Beim zweiten Treffen wollte Crowley sie nackt malen.
Leidenschaftlicher Sex
"Die "kleine Schwester" (Leah) erinnerte mich an Salomos Freundin, denn sie hatte keine Brüste... Sie strahlte eine undefinierbare Süße aus. Ohne Zeit mit Worten zu verschwenden, begann ich sie zu küssen. Es war reiner Instinkt. Sie teilte es und tat es mir gleich. Wir fuhren fort, mit gelegentlichen Unterbrechungen, wie es die Höflichkeit verlangte, um ihrer Schwester in den seltenen Momenten zu antworten, in denen sie außer Atem war."
"Leah Sublime" erschien 1920 und fängt beinahe harmlos an.
Leah Sublime,
Göttin über mir!
Schlange des Schleims
Alostrael, liebe mich!
Unser Herr, der Teufel
Erfreut sich des Festes.
Tritt mit deinem Fuß
Mein Herz, bis es weh tut!
Rhythmisch steigert sich der Text und wütet in Schleim, Kot und allen erdenklichen Grenzüberschreitungen. Der Sex war leidenschaftlich - Crowley pries Hirsigs Vagina wenig magisch als "patentierte Vakuumpumpe" an. Und Sex hatte bei Crowley eine okkulte Bedeutung. Er gab Leah den mystischen Namen "Alostrael" – sie zählte zu den "Scarlet Women" des Meisters. Davon gab es viele, doch Hirsig ist die Bedeutendste. Die "Scarlet Woman", die Große Mutter oder auch die Mutter der Abscheulichkeiten, ist eine Göttin in dem mystischen System, das Crowley 1904 in seinem Werk "The Book of the Law" beschrieb.
Die mächtige Frau der Apokalypse
Die scharlachrote Frau repräsentiert den weiblichen Sexualtrieb und die befreite Frau. Der Name spielt auf die Apokalypse an, Alostrael ist die Geliebte des Biestes, welche das Zeichen 666 trägt.
In der Offenbarung des Johannes, Kapitel 17, heißt es:
"Der Engel entrückte mich in die Wüste. Dort sah ich eine Frau auf einem scharlachroten Tier sitzen, das über und über mit gotteslästerlichen Namen beschrieben war und sieben Köpfe und zehn Hörner hatte.
Die Frau war in Purpur und Scharlach gekleidet und mit Gold, Edelsteinen und Perlen geschmückt. Sie hielt einen goldenen Becher in der Hand, der mit dem abscheulichen Schmutz ihrer Hurerei gefüllt war.
Auf ihrer Stirn stand ein Name, ein geheimnisvoller Name: Babylon, die Große, die Mutter der Huren und aller Abscheulichkeiten der Erde.
Und ich sah, dass die Frau betrunken war vom Blut der Heiligen und vom Blut der Zeugen Jesu."
Abtei von Thelema
Und diese Hure der Apokalypse wollte die junge Hirsig sein. Schon das Gedicht "Leah Sublime!" besteht aus 666 Worten. 1921 notiert sie: "Ich widme mich ganz dem großen Werk." Mann und Kind ließ sie in New York zurück, um bei Palermo einen okkulten Tempel, die Abtei von Thelema in Cefalù, zu gründen. In der Abtei vollführten die beiden magische Rituale. Unter anderem wollte Hirsig dazu Sex mit einem Ziegenbock haben, doch das Ritual misslang. Crowley übernahm die Rolle des Tieres, dem Bock wurde die Kehle durchgeschnitten, das Blut spritze über Hirsig.
Ihre sexuelle Beziehung kühlte ab, 1924 wählte Crowley die nächste "Scarlet Woman". Doch Hirsig blieb dem "großen Werk" des Okkultismus weiter treu. Finanzielle und gesundheitliche Probleme und die feindselige Haltung der damals neuen faschistischen Regierung in Rom führt dazu, dass die Abtei aufgeben wurde und die Gruppe nach Frankreich emigrierte. Leah Hirsig arbeitet noch eine Zeit für Crowley, die finanzielle Lage war so angespannt, dass sie als Prostituierte gearbeitet haben soll. Sie schrieb: "Als menschliches Geschöpf wäre ich gerne in den Armen der Bestie 666 gestorben, die, wie in meinem ersten Tagebuch (beginnend am 21. März 1919) vermerkt wird, mein Geliebter, mein Gefährte, mein Vater war und ist, mein Kind, und alles andere, was die Frau im Mann braucht."
Doch schließlich kehrte sie in die USA zurück. Dort heiratete sie erneut, bekam ein weiteres Baby und unterrichtete wieder Kinder – so als sei nichts geschehen. Eine ihrer geschockten Schwestern verfasste 1926 Reihe von Artikeln über ihr Leben unter dem Titel "My Life in a Love Cult, A Warning to All Young Girls" im "New York Journal".
Leah Hirsig starb 1975 in der Schweiz. Der Nachwelt hinterließ sie ihre magischen Tagebücher.
Quelle: Magical Diary of Leah Hirsig