Dieser Text ist aus dem stern-Archiv. Er erschien zuerst am 16. Januar 2023. Anlässlich von Roberts Habecks USA-Reise veröffentlichen wir ihn an dieser Stelle erneut. Der Bundeswirtschaftsminister will in Washington, New York und Chicago bis Samstag Wirtschaftsvertreter und Politiker treffen. Die Deutsche Umwelthilfe forderte von Habeck, eine Begrenzung der Flüssiggas-Importe aus den USA auf das unbedingt notwendige Maß zu vereinbaren und den Bau von Importterminals in Deutschland zunächst zu stoppen. Deutschland bezog zuletzt mehr als 80 Prozent seines Flüssigerdgases (LNG) aus den USA, bei Restunsicherheiten über die genaue Herkunft und Zusammensetzung des Gases. Diese Reportage zeigt, was das für die Menschen vor Ort bedeutet.
Deutschland muss Alternativen finden zur Energie aus Russland und setzt dabei auf Flüssiggas. Wie der rettende Stoff produziert wird, lässt sich an Orten besichtigen, die weit von Europa entfernt liegen – zum Beispiel hinter Wanda Vincents Gartenzaun. Vincents Haus steht in Arlington, einer Kleinstadt in Texas. Im Erdgeschoss betreibt sie den Kindergarten "Mother’s Heart". Davor toben Jungen und Mädchen auf einem kleinen Spielplatz. Und nur wenige Meter entfernt wird mittels "Hydraulic Fracking" Erdgas aus dem Boden gepresst. Heruntergekühlt auf minus 162 Grad verwandelt es sich in das flüssige LNG (Liquefied Natural Gas), das dann mit anderen Gaslieferungen gemischt und schließlich verschifft wird – auch nach Deutschland.
Wanda Vincent und die Kinder können das Fracking riechen. Ein schwerer Geruch nach faulen Eiern hängt in der Luft. "Entlüftungsgase", sagt die stämmige Frau beiläufig. Ihre Stimme klingt rau, sie hüstelt dauernd. Vor ein paar Tagen wurde ihr ein kleiner Tumor aus der Schilddrüse entfernt. Sie schaut in Richtung Bohrloch und fragt: "Wer kommt auf die furchtbare Idee, neben dem Spielplatz eines Kindergartens eine Frackinganlage zu bauen?"