Historischer Skandal Blanche Monnier: Die schöne Französin, die von der eigenen Mutter eingekerkert wurde

Blanche Monnier als junge Frau
Blanche Monnier als junge Frau
© Wikimedia Commons
Ein Fall, der Frankreich erschütterte: Die 25-jährige Blanche Monnier, eine Tochter aus sehr gutem Hause, verliebte sich in einen Mann, der ihrer Mutter nicht passte. Um die Liaison zu verhindern, sperrte sie ihre Tochter weg – für die nächsten 25 Jahre.

Die Monniers aus der französischen Stadt Poitiers waren eine sehr wohlhabende Familie mit adligen Wurzeln. Im Jahr 1874 lebten die verwitwete Mutter Louise und die bereits erwachsenen Kinder Blanche und Marcel in einer Villa in der Rue de la Visitation Nummer 21. Sie hätten ein sorgenfreies Leben im Luxus führen können, mit Bällen, Opernbesuchen und Reisen. Tochter Blanche galt zudem als ausgemachte Schönheit, der viele Verehrer zu Füßen lagen. Und trotz dieser nahezu perfekten Voraussetzungen sollte das Leben des historischen It-Girls zu einer einzigen Tragödie werden.

Denn die schöne Blanche verliebte sich – und zwar nicht in einen Adelsspross, sondern in einen gewöhnlichen Anwalt, der nicht nur deutlich älter war als sie selbst, sondern auch nicht ansatzweise so reich wie die Familie Monnier. Für die Mutter der jungen Frau kam das nicht in Frage. Sie verbot Blanche die Beziehung. Doch die 25-Jährige weigerte sich, ihren Liebsten aufzugeben, und sie weigerte sich auch, stattdessen einen anderen Mann zu heiraten.

Eine Liebe, die nicht standesgemäß war

Sicherlich gab es in vielen Familien, reich oder arm, ähnliche Szenen. Hochzeiten waren nicht immer Verbindungen aus Liebe, oft ging es um Geld, Ansehen oder wichtige Kontakte. Doch Louise Monnier schien von der Entschlossenheit ihrer Tochter überfordert zu sein. Die Angst, dass die junge Frau mit ihrem Liebhaber durchbrennen und so den Ruf der Familie ruinieren könnte, war so groß, dass sie sich zu einem unglaublichen Schritt entschloss: Louise sperrte Blanche in einem geheimen Zimmer der Villa ein. Das einzige Fenster des Zimmers wurde mit Brettern versperrt, Tageslicht gab es so darin nicht mehr.

Den Bekannten der Familie wurde wahlweise erzählt, Blanche sei ins Ausland gereist, oder sie sei plötzlich verstorben. Ihr Liebster, der Anwalt Victor Cameil, stellte immer wieder Nachforschungen an, starb aber 1885 unerwartet. Danach war die junge Frau schlicht von der Bildfläche verschwunden. Ihre Familie lebte ihr Leben ganz normal weiter.

26 Jahre in einem einzigen Zimmer

Vermutlich dachte keiner der Beteiligten, dass Blanche die nächsten 26 Jahre in diesem kleinen, dunklen Zimmer verbringen würde. Es scheint, als hätten Mutter und Bruder nach einer Weile versucht, die Existenz der eingekerkerten Blanche zu ignorieren. Versorgt wurde die Eingesperrte hauptsächlich durch ein Hausmädchen, das Louise Monnier überaus treu ergeben war. Jenes Hausmädchen brachte Blanche über zwei Jahrzehnte lang täglich Essen in ihr trauriges Gefängnis, ohne je mit jemandem außerhalb der Villa darüber zu sprechen. Von Marcel Monnier wurde sie dafür, kurz bevor sie in Rente ging, mit einer Auszeichnung für besonders treue Dienste belohnt.

Zeugen berichteten später, sie hätten um das Jahr 1874 und in den Monaten danach noch gelegentlich mysteriöse Schreie in der Nähe der Villa gehört. "Was habe ich getan, dass ich das verdiene?", will jemand verstanden haben. Oder: "Es kann keinen Gott geben, wenn mir so etwas passiert." Warum dann niemand die Polizei benachrichtigte – man muss es wohl darauf schieben, dass es eine andere Zeit war, in der viel mehr als "Privatsache" galt als heute.

Eine junge Frau in ständiger Dunkelheit

Nach vielen Monaten in Isolation scheint Blanche resigniert zu haben. Nichts deutete darauf hin, dass ihre Familie je ein Einsehen mit ihr haben würde, niemand schien sie zu vermissen, vermutlich würde sie eines Tages in diesem dunklen Zimmer sterben, ohne je wieder Tageslicht gesehen zu haben. Auch ihre Versorgung schien immer schlechter zu werden: Das Zimmer wurde kaum noch gereinigt, niemand brachte ihr mehr saubere Kleidung. Als das alte Hausmädchen in Rente ging, wollte Marcel Monnier eine andere, jüngere Angestellte zu ihrer Nachfolgerin machen. Er nötigte die Frau zur absoluten Diskretion, aber sie konnte nicht für sich behalten, was sie da erfahren und gesehen hatte. Man geht davon aus, dass sie einem Freund davon erzählte.

Der konnte nicht fassen, dass die reiche, angesehene Familie mit etwas so Schrecklichem durchkommen konnte. Er schrieb eine kurze Nachricht an die Polizei: "Ich habe die Ehre, Sie über eine sehr ernste Sache zu informieren. Ich spreche von einer unverheirateten Dame, die in Madame Monniers Haus eingesperrt ist, halb verhungert und inmitten von stinkendem Unrat, offen gesagt: Sie lebt seit 25 Jahren in ihren eigenen Ausscheidungen."

Ein furchtbarer Anblick für die Polizisten

Und tatsächlich nahm die Polizei diesen Hinweis ernst und untersuchte die Villa in der Rue de la Visitation. Mit Erschrecken betraten sie das geheime Zimmer, in dem die völlig nackte Blanche auf einer schimmligen Strohmatratze lag. Es war dunkel, stank bestialisch, überall lagen Essensreste. Offenbar hatte die Eingesperrte sich irgendwann geweigert, zu essen. Sie wog keine 30 Kilo mehr, war nur noch Haut und Knochen. Die langen, dunklen Haare waren völlig verfilzt. Sie hatte keine Kraft mehr, selbst aufzustehen.

Blanche im Jahr 1901 bei ihrer Befreiung
Blanche im Jahr 1901 bei ihrer Befreiung
© Wikimedia Commons

Louise Monnier, inzwischen 75 Jahre alt, und ihr Sohn Marcel wurden festgenommen. Als die Geschichte publik wurde, sorgte sie für einen gesellschaftlichen Aufschrei. In sämtlichen Zeitungen – in Frankreich, dem Rest Europas und sogar in New York – wurde über den Fall der "Eingekerkerten von Poitiers" berichtet. Die Menschen waren schockiert. Vor der Gefängniszelle von Louise versammelte sich ein wütender, schreiender Mob, den die Matriarchin zu sehen bekam. Wenige Tage später starb sie an einem Herzinfarkt. Vor Gericht landete somit nur Marcel, Blanches Bruder.

Kein gerechtes Urteil für die Täter

Marcel Monnier wurde zuerst verurteilt, nach einer Berufung allerdings freigesprochen. "Unterlassene Hilfesleistung" stand damals nicht im Gesetz, und eine direkte Tatbeteiligung war ihm nicht nachzuweisen – obwohl er mit den jeweis eingeweihten Hausmädchen gesprochen hatte.

Für Blanche ging es auch nach ihrer Befreiung nicht viel besser weiter. Die 26 Jahre in ihrem Kerker waren nicht spurlos an ihrem Gemütszustand vorbeigegangen – sie wurde als psychisch krank diagnostiziert und in eine entsprechende Heilanstalt gebracht. Dort hatte sie es, kann man vermuten, wohl nur geringfügig besser als im Haus ihrer Familie. 1913 starb sie dort im Alter von 64 Jahren.

Ist die ganze Wahrheit bekannt?

Der aufsehenerregende Fall sorgte auch im Nachgang noch für zahlreiche Mythen und Spekulationen, die einen wahren Kern beinhalten könnten – oder auch nicht. So gibt es beispielsweise das Gerücht, dass Blanche von ihrem Liebhaber schwanger war und in der Gefangenschaft ein Baby zur Welt brachte. Ihre Mutter hätte sie eingesperrt, um der Familie die Schande zu ersparen. Das Kind hätte man heimlich weggegeben.

Andere glauben, dass Blanche nicht erst durch die lange Isolation psychische Schäden davontrug, sondern bereits als junge Frau Zeichen einer psychischen Krankheit zeigte. Ihre Mutter wollte nicht riskieren, dass das bekannt würde und für einen gesellschaftlichen Skandal sorgte, nachdem die Tochter geheiratet hätte und aus der Familienvilla ausgezogen wäre. Deshalb sei sie eingesperrt worden. Nichts von alldem kann heute noch bewiesen werden.

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