Das Haus, in dem sie lebt, hat Anke Siebke selber entworfen und zusammen mit ihren Eltern gebaut. "Der Zusammenhalt in unserer Familie ist unheimlich stark", sagt die 45-Jährige, die als Folge von Contergan verkürzte Arme hat. "Ich bin sehr durch meine Eltern und meinen Bruder Klaus gefördert und angespornt worden." Eltern und die Tochter wohnen unter einem Dach in Bad Segeberg. Anke Siebkes Vater, ein äußerst erfolgreicher Sport-Schütze, hat ihr das Schießen beigebracht - zusammen üben sie in der Schießanlage im Keller. In ihrer Freizeit malt die ehemalige Bauzeichnerin auf Aquarell-Papier, Porzellan oder Seide. "Ich habe die ruhige Hand von meinem Vater geerbt", sagt sie.
Die Mutter kürzt die Ärmel bei neuen Oberteilen, sie hilft bei allen täglichen Verrichtungen, die Anke schwer fallen: Fensterputzen, eine Kette im Nacken zumachen, einen Reißverschluß schließen. "Als meine Mutter vor einiger Zeit schwer krank war und in die Klinik musste, merkte ich, das ist alles fast nicht mehr zu schaffen", sagt Anke Siebke. Dinge, die sie bis dahin zu zweit erledigt hatten, musste die Tochter alleine bewältigen: Wäsche waschen, bügeln oder Essen kochen.
Das Buch: "Contergan - Fünf Lebensgeschichten"
Für sein aktuell erschienenes Buch "Contergan - Fünf Lebens- geschichten" (Wellhöfer Verlag, 72 Seiten, 39,80 Euro) hat der Fotograf Carsten Büll ein Jahr lang Betroffene der Contergan-Katastrophe begleitet und portraitiert. "Wurde anfangs intensiv über die geschädigten Babys und Kinder berichtet, so weiß heute kaum jemand, was aus ihnen geworden ist und wie diejenigen heute leben", schreibt er im Vorwort. Und er kommt zu dem Schluss: "Glück und Unglück im Leben hängen ganz offensichtlich nicht davon ab, ob man lange oder stark verkürzte Arme hat."
So hoffen Eltern und Tochter, dass alle möglichst lange gesund und rüstig bleiben. Anke Siebke musste wegen Gelenkverschleiß in den Fingern und Sehstörungen vor kurzem selbst in Ruhestand gehen. Sie macht sich schon heute Gedanken darüber, wie sie klarkommen soll, wenn Vater und Mutter eines Tages selbst pflegebedürftig werden oder nicht mehr leben. "Meinen Eltern habe ich versprochen, dass sie nicht ins Heim kommen, solange ich es zuhause mit Pflegekräften hinbekomme", sagt sie. "Bei Altersdemenz allerdings, so haben wir uns geeinigt, ist ein Heim doch die bessere Lösung, weil ich damit zu Hause überfordert wäre."