Seine Erwähnung ist immer der Punkt in Gesprächen über das römische Reich, an dem all unser Respekt für die Menschen, die einst Badehäuser, imposante Amphitheater und funktionale Großstädte erbauten, plötzlich bröckelt: das Xylospongium. Der "Schwamm am Stiel" war ein antikes Hygieneutensil, das in den öffentlichen Latrinen zur Reinigung des Hinterteils nach dem Toilettengang dienen sollte. Und es war kein Einweg-Werkzeug, sondern wurde von einem Benutzer der öffentlichen Toilette zum nächsten weitergereicht.
Aus heutiger Sicht wirkt die Vorstellung, dass mehrere Benutzer sich so einen Toilettenschwamm teilten, äußerst befremdlich. Aber Vorstellungen von Sauberkeit sind nun mal historisch und kulturell verschieden, hieß es dazu stets. Im römischen Alltag hätten sich Hygienestandards einfach stark von modernen Vorstellungen unterschieden. Aber: Stimmt das wirklich? Hatten Menschen nicht schon immer eine instinktive Abneigung gegen den Kontakt mit fremden Fäkalien – und seien es nur deren Spuren an einem Schwamm?
Gibt es Belege für den berüchtigten Schwamm?
Die Hinweise auf den gemeinsam genutzten Po-Schwamm sind bei genauerem Hinsehen erstaunlich rar. Und seine Existenz ist in der Forschung mittlerweile umstritten. Der österreichische Archäologe Gilbert Wiplinger hat systematisch alle relevanten antiken Textstellen und Inschriften untersucht und kam zu dem Ergebnis, dass keine wirklichen historischen Belege für die Nutzung des Xylospongiums existieren. Es gibt überhaupt nur wenige Beschreibungen eines Schwamms auf einem Stab, und keine davon erwähnt unmissverständlich, dass er zur analen Reinigung diente.
Vielmehr ist die einzige gesicherte Erkenntnis, dass ein solches Utensil in römischen Latrinen vorkam. Die früheste namentlich überlieferte Erwähnung findet sich in einem Brief des Soldaten Claudius Terentianus – dort wird das Wort jedoch nicht wirklich erklärt und kein Gebrauch beschrieben. Der römische Philosoph und Dramatiker Seneca berichtete später von einem Gladiator, der sich in einer Latrine mit einem Stab, an dem ein Schwamm befestigt war, das Leben nahm. Tragisch und unappetitlich. Der Text bestätigt aber somit die Anwesenheit eines solchen Gegenstands in Latrinen. Er erwähnt jedoch nicht, dass dieser zur Intimhygiene verwendet wurde.
Keine archäologischen Beweise
Die wenigen weiteren Textquellen sind ebenfalls vieldeutig und lassen unterschiedliche Deutungen zu. Wiplinger zieht zwei Schlussfolgerungen: Erstens ist die Präsenz eines Schwamms an einem Stab in Latrinen mehrfach bezeugt – zweitens fehlt jeder direkte Hinweis darauf, dass er zur Reinigung des Hinterteils gedacht war.
Bei archäologischen Grabungen finden sich häufig Pflanzenfasern, Stoffreste, Keramikscherben oder glatte Kiesel – Materialien, die auch ohne Stiel zur Reinigung nach dem Toilettengang benutzt werden konnten. Als Einweg-Produkte. Einen erhaltenen Schwamm am Stock hat man noch nirgends gefunden. Wiplinger und mehrere andere Wissenschaftler haben deshalb vorgeschlagen, dass das Xylospongium eher als Toilettenbürste oder Reinigungswerkzeug für die Latrine selbst gedacht gewesen sein könnte, nicht als gemeinschaftlicher Po-Reiniger für Menschen.
Popkulturell ein Hit, aber wohl nicht wahr
Der Schwamm am Stiel hat es vermutlich deshalb auf einen so populären Platz in der Geschichte geschafft – und sich dort so lange gehalten – weil die Erzählung bei Zuhörern so zuverlässig ein Schaudern auslöst. Die Römer, die für ihre Zeit so fortschrittlich und zivilisiert waren, waren am Ende doch nur Ferkel, die keine Ahnung von Hygiene hatten … da fühlt man sich mit seinem gefliesten Badezimmer direkt wie die Spitze des Fortschritts.
Die Römer hatten in der Tat zahlreiche aus heutiger Sicht fragwürdige Sitten und Ansichten – aber, so muss man es nach dem aktuellen Stand der Forschung sagen: Die Nutzung eines gemeinschaftlichen Toilettenschwamms war wohl keine davon.