Der Chirurg Für Benjamin Carson ist es der fünfte Einsatz

Benjamin Carson ist eine internationale Kapazität für die Trennung siamesischer Zwillinge. Kein Wunder also, dass die verzweifelten Eltern dem Neurochirurgen vertrauen.

Vier Mal schon hat Carson den Schädel zusammengewachsener Zwillinge durchtrennt, bevor er jetzt bei Lea und Tabea das Skalpell ansetzte. Für die deutschen Babys gibt es aus seiner Sicht keine Alternative. Durch den 180-Grad-Winkel ihrer Verwachsung würden Lea und Tabea niemals sitzen und gehen können.

Anders verhielt es sich mit Laleh und Ladan aus Iran, die vor einem Jahr unter den Händen von Carson und anderen Spezialisten in Singapur verbluteten. Die 29-jährigen Frauen hatten Jura studiert, waren gereist und aktiv, als sie glaubten, die Gemeinsamkeit nicht länger ertragen zu können. "Natürlich hätten sie wohl noch einige Jahre leben können", räumte der Chirurg nach ihrem Tod in der Fernsehsendung "Nightline" von ABC ein.

"Unfreiheit könnte schlimmer als der Tod sein"

In Deutschland waren Laleh und Ladan abgewiesen worden. Heidelberger Ärzte fanden eine Trennung in ihrem Alter zu riskant und begründeten dies 1998 im "Journal of Neurosurgery". Auch die Universitätsklinik Bonn hatte das Wagnis einer solchen Operation Jahre zuvor gescheut. Für Carson dagegen bestand eine "50-zu-50-Chance". Die Unfreiheit könnte "für zwei so intelligente Menschen ein schlimmeres Schicksal als der Tod sein", stimmte er Laleh und Ladan zu.

Der gleiche Arzt, der jetzt die Mädchen aus Lemgo operiert, war 1987 auch bei den Zwillingen Patrick und Benjamin Binder aus Ulm eingesprungen. Anfangs galt der Ausgang noch als Erfolg, später traten schwere Hirnschäden bei den deutschen Jungen in Erscheinung. Als Carson 1994 in Südafrika zu helfen versuchte, erlagen seine kleinen Patientinnen den Komplikationen der Operation. Dafür kamen zwei sambische Brüder durch, denen Carson 1997 den Schädelknochen durchtrennte.

Risiko des gemeinsamen Sinus sagittalis superior

Auch das Wagnis an Lea und Tabea scheint vorerst unter keinem guten Stern zu stehen. Mit mehrstündiger Verspätung begonnen, musste die Operation abgebrochen werden, als die Chirurgen durch die harte Hirnhaut (Dura mater) drangen, um die gemeinsamen Blutgefäße zu trennen oder aufzuteilen. Verletzungen in diesem Bereich gehören zu den Albträumen der Chirurgen, ließ sich die Zeitschrift "Stern" erläutern, die mit den Eltern von Lea und Tabea einen Exklusivvertrag abgeschlossen hat.

Es drohen Lungenembolie, Schlaganfall, Lähmungen und Schäden an wichtigen Nerven. Wie den Siamesischen Zwillingen aus Iran könnte auch Lea und Tabea zum Verhängnis werden, dass sie sich den Sinus sagittalis superior im Hirn teilen. "Wenn man an diesem Sammelgefäß chirurgisch manipuliert, manipuliert man zugleich an vielen anderen Venen" und riskiert den Hirntod, warnte der Präsident des International Neuroscience Institute in Hannover, Madjid Samil, vor einem Jahr in der "Ärzte Zeitung".

Totale Abschottung

Ob es die Sorge um den Ausgang von Leas und Tabeas Trennung ist oder der Wunsch ihrer Eltern - Carson schottet sich bisher rigoros von den Medien ab. Während Fernseh- und Rundfunkstationen in den USA fast rund um die Uhr über die Zwillingsoperationen in Los Angeles, Texas und New York 2003 und in diesem Jahr berichteten, gibt es nicht ein Bild oder ein Wort von den Mädchen aus Lemgo. Dabei sprechen die Kliniken gern von der "kompliziertesten aller Operationen" - wenn sie denn gut geht.

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Gisela Ostwald/DPA

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