Wellness & Reise Badete Sisi auch?

Nein, die Kaiserin wanderte auf Madeira, um sich von der Schwiegermutter zu erholen. Und sie musste viel wandern. Heute könnte sie sich auf der Blumeninsel komfortabler verwöhnen lassen, jeden Tag in einem anderen Wellness-Palast.

Als es Sisi wieder mal so richtig dreckig ging, fuhr, nein, floh sie auf ein fernes Eiland. Schwager Maximilian hatte von einem Blumengarten im Atlantik geschwärmt, wo ewiger Frühling herrsche. Wo es niemals zu kalt und selten zu heiß sei und das mild-feuchte Klima die "nervösen Störungen" kurieren werde, unter denen die Kaiserin nach Ansicht ihrer Quacksalber litt.

1860 lief ein britischer Luxusdampfer mit Österreichs Herrscherin an Bord im Hafen von Funchal ein. Was folgte, war ein denkwürdiger Winter auf Madeira. Auf die 22-jährige Leidensmutter des Habsburgerreiches (ihre Tochter Sophie war tragisch früh gestorben) hatte die Insel einen wohltuenden Einfluss. Lichtjahre entfernt vom Intrigenstadl des Wiener Hofes und den Gemeinheiten der Schwiegermutter blühte Sisi rapide auf. Wanderte durch Bananenplantagen, Eukalyptuswälder, Zuckerrohrfelder und Obstterrassen; ritt oder ließ sich kutschieren; lernte, auf der viersaitigen Braguinha-Gitarre der Insulaner zu spielen. Flanierte durch die hübsche kleine Stadt, ratschte im Kreise ihrer Hofdamen. Als sie im März 1861 abreiste, fühlte Elisabeth sich an Leib und Seele renoviert.

Bis heute zieht es Ausgepowerte auf die grüne Vulkaninsel. Portugals atlantische Bastion hat zwar kein Strandleben (noch nicht; zurzeit wird im Süden bei Calheta ein Kunst-Stück aus Saharasand angelegt). Sie bietet auch keine Ballermänner, dafür eine Vielzahl erstklassiger Hotels, die sich aufs Betütern einer anspruchsvollen Gästeschaft kapriziert haben. Im vielleicht schönsten Inselresort, dem in 550 Meter Höhe über der malerischen Bucht von Funchal ausgebreiteten Choupana Hills Resort & Spa, wispert die schwedische PR-Dame stolz-geheimniskrämerisch: "Ein sehr prominenter Politiker aus einer Ihrer Regierungsparteien war kürzlich bei uns..." Der Rest ist Schweigen.

Die 60 Bungalowhälften und vier Suiten (Letztere mit Jacuzzis und Riesenterrassen) haben die französischen Architekten Michel de Camaret und Didier Lefort in einem asiatisch-afrikanischen, sehr edelholzbetonten Stil gestaltet. Die meisten Gäste verlassen die tropisch bewachsene Anlage nur selten. Sie hat einfach alles, was der Erholungsmensch braucht, von Innen- und Außenschwimmbecken über nahe gelegene Golfplätze bis hin zur so genannten Fusion-Küche. Sprich, europäisch-asiatische Leckereien à la Tempura-Garnelen mit Gurkencurry, Tunfisch in Sesamkruste oder Papageienfische auf Blattspinat, kreiert vom jungen, aus Erfurt stammenden Spitzenkoch Eyck Zimmer (früher im Londoner "Dorchester"). Und der Wellness-Bereich mit Sauna und türkischem Dampfbad fährt auf, was sich Verwöhnsüchtige nur wünschen können: Aromatherapie, Reflexzonenmassagen, Algenpackungen, kosmetische Gesichtsbehandlungen, Entspannungs- oder Revitalisierungsbäder. Freunde fernöstlicher Heilweisen gönnen sich eine indische Kopfmassage.

Mitten durch den Garten führt eine Levada, ein schmaler Bewässerungskanal. Dass Madeira als Wanderer-Dorado Mallorca imagemäßig abgehängt hat, liegt am weit verzweigten, mehrere tausend Kilometer langen Levada-Netz der Insel. Entlang der einst zumeist von maurischen Sklaven angelegten Gräben verlaufen Wirtschaftswege, Pfade für jede Kondition. Kurze Spaziergänge auf fast ebenem Gelände sind da genauso möglich wie geführte Märsche entlang spektakulärer Steilküsten, die einige Trittsicherheit erfordern. Auf Levada-Wanderungen durch Dörfer, Höfe und Felder lernt man die Insel und ihre Menschen am besten kennen. Sisi als Vor-Läuferin.

Lieber die klassische Wohlfühle gefällig? Gönnen wir uns ein "Soft-Pack" bei Roswitha Süper im Vier-Sterne-Hotel Ondamar in Caniço de Baixo, das gut bestückt ist mit Well- und Fitnessanlagen. Roswitha, ausgebildete Krankenschwester, geht mit einem gewissen Ernst zur Sache. Erst macht sie ein Peeling, um die Haut aufnahmebereit zu rubbeln, dann folgt die Einreibung. Die Emulsion besteht aus dem Saft des auf Madeira wie Unkraut wuchernden Liliengewächses Aloe vera. Damit eingeschmiert, in eine Folie geschlagen und umhüllt von einer Art Luftmatratze, dümpeln wir in der körpertemperaturwarmen Badewanne. Tut gut. Nach einer halben Stunde Wasserbett ist die Steife, die uns das ganze Jahr im Genick saß, für ein paar Tage weggeblasen. Frei nach Helga Feddersen: Happiness is a warm Wann'.

Das Ondamar, geführt von der deutschstämmigen Familie Bachmeier, wächst langsam mit dem angrenzenden schlichteren Hotel Galomar zusammen. Der gemeinsame "Revital-Club", geleitet vom fidelen Profi Charlie Riedl, enthält so ziemlich alles, was zum Wellness-Geschäft gehört. Sogar eine ganzheitlich geeichte Qigong-Trainerin namens Karin Gilch wirkt hier. Den Gästen verklart sie im Abendsonnenlicht sanft, wie man "Energie fließen lässt" und "loslassen können lernt". Es gibt das "Kleopatra-Bad mit Ziegenbuttermilch und ätherischen Ölen" (23 Euro) oder die "Algoplaste Körpermodelage gegen Cellulite mit Extrakten aus Laminaria-Algen, Koffein, Efeu, Arnika und Rosskastanie" (50 Euro).

Wichtiger freilich ist das Ambiente, in dem wohlgefühlt wird - mit Blick aufs blaue Meer nämlich, an dem der Hotelkomplex liegt. Die teils holzgetäfelten Anwendungs- und Trainingsräume bieten Aussicht auf Pflanzen, Blumen, Sonnenschein. Genau hier liegt der Unterschied zu einem Wellness-Tempel etwa in Mecklenburg-Vorpommern, wo winters unvermeidlich Gevatter Trübsinn vor der Türe lauert. In der gediegenen Quinta das Vistas dagegen bekommt man die Massage in einem lichten, luftigen Teehäuschen mit Blick auf den Hafen von Funchal, wo vielleicht gerade die Queen Mary 2 festmacht. Das Personal ist trainiert, jeden Gast mit seinem Namen anzusprechen. Für eine Inselrundfahrt steht der hauseigene Rolls-Royce Baujahr 45 bereit.

So geht das mit dem Wohlfühlen. Oder doch lieber ganz cool? Das Crowne Plaza Resort Madeira liegt im Touristenviertel von Funchal und erfüllt sämtliche Kriterien des Sushi essenden Neoliberalen. 300 Zimmer mit Meerblick in zwei kühn geschwungenen Gebäuden. Minimalistisches Design (Teppiche verpönt!), Philippe-Starck-Stühle, 5500 Quadratmeter große, rechteckige Pool-Landschaft mit Süß- und Salzwasserbecken, die optisch ins Meer übergeht. Im "Thalassotherapy Thalgo Marine Spa" warten die Massage-Mädels mit allem auf, was gut und teuer ist, bis hin zu ausgefuchsten Lymphdrainagetechniken. Doch die gekachelten Kellerräume verströmen ein etwas klinisches Flair - Frankenstein ohne Krankenschein. Sagen wir, man muss es mögen.

Der Gegenentwurf liegt an den Hügeln des Örtchens Caniço. Der als Hotel getarnte botanische Garten trägt den Namen Quinta Splendida. Quintas sind ehemalige Herrenhäuser, von denen viele zu Hotels konvertiert und so vor dem Verfall gerettet wurden. Die Splendida punktet mit einem 25 000-Quadratmeter-Garten, voll exotischer Spezies. Bio-Gemüsebeete versorgen die Hotelküche. Daneben dient der Garten als Lehrpfad für die Gäste, die auch Gärtnerkurse belegen können. Die Balkone gucken kaum aus dem Meer der Pflanzen und Blumen hervor.

"Eine Insel auf der Insel" nennt der Besitzer Giancarlo Bertoli, ein energetischer Sarde, sein Dschungelcamp. Ein Traumplätzchen besonders für Frauen, die sich in den 169 Zimmern und Suiten einzeln, zu zweit oder kohortenweise einnisten. Manche spüren am alten Hofbrunnen "Energiefelder" auf, andere belegen Madeirawein-Lektionen oder verfallen der Blumenmalerei. Die Wellness-Abteilung ist derzeit sehr bescheiden, wird jedoch mit Riesenaufwand ausgebaut. Sobald die Arbeiten getan sind (frühestens im Winter), wird hier die größte Wellness-Farm Madeiras stehen. Über ihr Suiten für betuchte Feelgoods, die zwecks Aufpeppung oder Verschönerung nur ein Treppchen steigen müssen.

Und die Insel selbst? Einst war sie eine Domäne reicher englischer Winterflüchtiger, die seit Ende des 18. Jahrhunderts mit Regenschirm und Bowler anrückten. Ihr Castle war die Hotellegende Reid's, wo der Putz des britannischen Empire mittlerweile bröckelt. Diese Klientel stirbt aus. Doch Funchal ist immer noch eine altmodisch-gepflegte, urgemütliche Kuschelstadt geblieben, trotz höllischen Verkehrs zur Rush-Hour. Gepflastert ist sie über weite Strecken mit kleinen runden Steinen, die jeden Stöckelschuh killen.

Die Altstadt voller kleiner Restaurants, welche sämtlich Espada servieren, den muränenförmigen Degenfisch. Das Untier wird aus 800 Meter Tiefe und mehr nach Urgroßvätersitte geangelt und schmeckte schon dem Madeira-Fan Winston Churchill. Dazu gibt es den obligatorischen Vinho Verde, einen leicht moussierenden Weißen. Sicher, kulinarische Höhenflüge sind der Lokalküche fremd. Macht nichts - ein bisschen FdH gehört zum Wellness-Erfolg.

Die Öko-Freaks der Wohlfühl-Szene zieht es in den einsamen Südwesten der Insel. Dort liegt das mit Umwelt-Lametta hoch dekorierte Hotel Jardim Atlântico (die angebrochenen Klorollen der Gäste werden nach deren Abreise vom Personal aufgebraucht) auf einem fantastischen Naturbalkon über dem wogenden, beruhigend raunenden Atlantik. Zwei Dutzend Wanderrouten führen direkt vom Hotel in alle Himmelsrichtungen. Der Frühstücksraum von Entspannungsmusik berieselt, die Wasserkaraffen mit Bergkristall und anderem Steingut angereichert ("löst Energieblockaden") - dies wäre der perfekte Ort für einen Parteitag der Bündnisgrünen. Leider gucken manche Gäste etwas gniefelig aus ihrer Naturfaserwäsche. Egal, wer sich auf der Schnittstelle von Wellness und Esoterik wohlfühlt, wird mit Erdpackungen zum Entschlacken oder "kinesiologischen Balanceübungen" für Körper & Geist umfassend bedient. Da geht auch schon mal Herbert, einem von Banken gehetzten Unternehmer aus Ossiland, die Sonne positiver Energie auf. Und das hauseigene Pay-TV-Programm zeigt unter anderem ein Erotiklichtspiel namens "Mexican Bum Bum". Gut, dass Sisi das noch nicht erleben musste. Obwohl es sicher auch ganz entspannend wirkt.

TIPPS FÜR MADEIRA
Allgemeine Infos: Icep Portugal, Handels- und Touristikamt, Schäfergasse 17, 60313 Frankfurt/M., Tel.: 069/920 72 60, Fax: 23 14 33, E-Mail: frankfurt@icep.pt, www.portugalinsite.com
Hotels:
Choupana Hills, Tel.: 00351/291/20 60 20, Fax: 20 60 21, E-Mail: info@choupanahills.com, www.choupanahills.com
Ondamar/Galomar, Tel.: 00351/291/93 09 30, Fax: 93 45 55, E-Mail: ondamar@galoresort.com, www.galoresort.com
Quinta das Vistas, Tel.: 00351/291/75 00 07, Fax: 75 00 17, E-Mail: info@charminghotelsmadeira.com, www.charminghotelsmadeira.com
Crowne Plaza, Tel.: 00351/291/71 77 00, Fax: 71 77 01, E-Mail: crowne.plaza.md@mail.telepac.pt, www.madeira.crowneplaza.com
Quinta Splendida, Tel.: 00351/291/93 04 00, Fax: 93 04 01, E-Mail: hotel@quintasplendida.net, www.hotelquintasplendida.com
Jardim Atlântico, Tel.: 00351/291/82 02 20, Fax: 82 02 21, E-Mail: refugioatlantic@mail.telepac.pt, www.jardimatlantico.com
Geführte Levada-Wanderungen:
Christa Dornfeld, Tel.: 00351/291/93 54 08 und 96-749 76 05 (Handy), E-Mail: christa@madeirabook.com, www.madeirabook.com
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Wolfgang Röhl

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