Die Algenplage im Mittelmeer sorgt für tiefe Sorgenfalten bei den Experten. Nach ihrer Einschätzung verändert die Überwucherung auf lange Sicht dramatisch das Biosystem und die Vielfalt des Lebens im Wasser.
Experte: "Algen sind schlimmer als Ölpest"
Als praktisch schon nicht mehr ausrottbar gilt die Alge "Caulerpa taxifolia", die sich inzwischen auf 17.000 Hektar Meeresboden breit gemacht hat. Ihre Schwester "Caulerpa racemosa" stieß später - auch aus Südaustralien kommend - dazu, vermehrte sich schneller und ist auf einer Länge von 500 Küstenkilometern in elf Ländern angekommen. Ihre Büschel machen zusammengerechnet mehr als 50.000 Hektar aus."Die Algen sind schlimmer als eine Ölpest, bei der doch sofort Mittel für die Beseitigung locker gemacht werden, weil Tourismus und Gesundheit betroffen sind", sagt Professor Alexandre Meinesz, Leiter des Umweltlabors der Mittelmeerküste (LEML) an der Universität Nizza. "Was diese Algen anrichten, das schreckt kaum jemanden auf, denn von ihnen geht keine akute Gefahr für den Menschen oder die Fische aus."
Und doch hält der streitbare Meeresbiologie das, was die Algen bewirken, langfristig "für schlimmer als die Ölpest". Denn die grünen Teppiche der Algen auf dem Meeresboden könnten in einigen Jahrzehnten die Lebensbedingungen in Teilen des Mittelmeeres beherrschen.
Algen wachsen um bis zu 3 cm pro Tag
Zur Sommerzeit wächst die "Caulerpa taxifolia" täglich um drei Zentimeter. Sie verdrängt dabei andere Algensorten und bietet auch den Fischen weniger Lebens- und Schutzraum. Der Ökologie-Professor Patrice Francour berichtete in der Pariser "Libération" von diesen Testergebnissen: "Die Meerbarben fliehen aus den Zonen, die von den Caulerpa-Algen kolonisiert worden sind. Sie ernähren sich nicht mehr gut (weil die Algen giftig sind)." Auch der Ozeanologe Marc Verlaque aus Marseille sieht die weiter fortschreitende Invasion der Algen als "eines der großen Zukunftsprobleme, vor denen das Mittelmeer steht."
Jedes Ankerlichten im Mittelmeer birgt die Gefahr, dabei die Algen «an Bord» zu nehmen und anderswo wieder auszusetzen. Auf diese Weise dürfte sich also die "Caulerpa racemosa", die erstmals 1990 vor der libyschen Küste aufgetaucht war, in kürzester Zeit rasch verbreitet haben. Was die ältere Algen-Schwester angeht, so ist diese bereits seit 1984 bekannt - sie hat als - umstrittenen - Ausgangspunkt das Meer unter dem Ozeanographischen Museum in Monaco. Algen aus dem Aquarium des Museums, eimerweise ins Wasser gekippt, könnten das Mittelmeer "verseucht" haben - was die Museumsleitung aber immer dementiert hat.
Bekämpfung mit Chlor nicht mehr möglich
Was kann getan werden? In Kalifornien habe man drei Millionen Dollar investiert und die Algen erfolgreich mit Chlor ausgerottet, im Mittelmeer sei der Zeitpunkt dafür verpasst worden, klagt Meinesz. Er hatte in Tests eine Schneckenart auf die giftigen Algen angesetzt, bekam jedoch keine politische Rückendeckung für einen Großangriff der Weichtiere auf die Algen-Schwestern. Taucher reißen Algen vor den Küsten heraus, was aber auch nicht der Weisheit letzter Schluss ist. Die Freizeitkapitäne werden mit Broschüren belehrt, die federförmige "taxifolia" und die blasenartige "racemosa" nicht noch weiter zu verbreiten. Denn das Mittelmeer hat mit der Verstädterung seiner Küsten und der Verunreinigung durch Abwasser schon genügend Probleme.