Andamanen und Nikobaren Wie die Natur die Eingeborenen rettete

Von ihren Vorfahren lernten die Eingeborenenstämme auf den Andamanen und Nikobaren, die Signale der Tierwelt zu beachten. Entgegen ersten Befürchtungen überlebten sie größtenteils die Tsunamis.

Das Gezwitscher der Vögel und das ungewöhnliche Verhalten von Eidechsen und Delfinen haben die Eingeborenenstämme auf den indischen Inseln Andamanen und Nikobaren offensichtlich vor den tödlichen Tsunamis gerettet. "Unsere Teams sind mit ihren Booten hinaus gefahren und haben uns berichtet, dass die Stämme sicher sind", sagte der Direktor der staatlichen Forschungseinrichtung Anthropological Survey of India (ASI), V.K. Rao, am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur. Während Zehntausende in Südasien wegen eines fehlenden technischen Frühwarnsystems den Flutwellen zum Opfer fielen, folgten die Eingeborenen den Warnsignalen der Tiere - und überlebten.

Geheimnisvolle Herkunft

Sechs von einst zehn Stämmen leben auf ihren verschiedenen Inseln im Golf von Bengalen. Zwischen 30 000 und 60 000 Jahre reicht ihr Ursprung zurück. Manche Stämme haben sich bis heute jedem Versuch verweigert, sie zu "zivilisieren". Sie sind Jäger und Sammler, von kurzer Statur und mit dunkler Haut, ihre Herkunft ist ein Geheimnis. Seit tausenden von Jahren reichen sie ihre Erzählungen und Erfahrungen von Generation zu Generation mündlich weiter. Von ihren Vorfahren lernten sie, auf die Signale der Tierwelt zu achten.

Andamanen und Nikobaren

Die Andamanen und Nikobaren sind eine Gruppe von mehr als 550 Inseln, von denen etwa nur rund drei Dutzend bewohnt sind. Die Ureinwohner sind Halbnomaden, die in Subsistenzwirtschaft von der Jagd, vom Fischfang sowie Früchten und Wurzeln leben. Die Inselgruppe liegt näher an Indonesien und Malaysia als an Indien und wird von 350.000 Menschen bewohnt. 30.000 davon gehören Urvölkerstämmen an.

Das Gebrüll wild lebender Elefanten, die sich plötzlich tiefer ins Innere der Inseln und auf Anhöhen zurückzogen, das Geschrei der Vögel, das auffällige Verhalten der Delfine und Eidechsen - all dies hat den Forschern zufolge die Stämme offensichtlich früh gewarnt, so dass sie Zeit hatten, sich in Sicherheit zu bringen, bevor die tödlichen Riesenwellen am 26. Dezember zuschlugen. Zwar soll es einige Tote unter den Eingeborenen geben. Doch entgegen ersten Befürchtungen haben alle Stämme nach Erkundung der Forscher überlebt.

"Besonders wilde Tiere sind extrem empfindsam", sagte die Tierschützerin Debbie Martyr, die für ein Tigerschutzprogramm auf der indonesischen Insel Sumatra arbeitet, dem britischen Sender BBC. Die Tiere hätten ein enormes Hörvermögen und könnten die Flut in der Ferne gehört oder die Veränderungen des Luftdrucks wahrgenommen haben, sagte die Expertin. Dies könnte erklären, warum es aus Sri Lanka, das mit am schwersten von Flutkatastrophe getroffenen wurde, keine Berichte über tote Tiere gibt.

Touristen ertranken, Tiere überlebten

Die Flutwellen waren bis zu dreieinhalb Kilometer tief zum Wildschutzreservat der Insel vorgedrungen. Während viele Touristen ertranken, wurden keine toten Tiere gefunden, berichtete die BBC unter Berufung auf Mitarbeiter des Yala-Nationalparks in Sri Lanka. Den Eingeborenen auf den Andamanen und Nikobaren ist der "sechste Sinn" der Tiere scheinbar seit langer Zeit bekannt. Forscher haben in den Überlieferungen der Stämme Hinweise auf eine frühere große Überschwemmung gefunden und auf Inseln, die kleiner wurden. "Es könnte sein, dass dies schon früher einmal passiert ist", erklärte Rao.

Seine Forschungseinrichtung ASI, die einen Stützpunkt vor Ort in der Gebietshauptstadt Port Blair unterhält, erforscht seit Jahrzehnten die Eingeborenenstämme. Nach der Flutkatastrophe hat sie der Zentralregierung vorgeschlagen, unverzüglich mit der Dokumentation der Frühwarnsysteme der Eingeborenenstämme zu beginnen. Jetzt sei die beste Zeit, da die Erinnerungen noch frisch seien.

AP
Lars Nicolaysen/AP

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