Die Flutkatastrophe in Südostasien hat nach jüngsten Angaben über 22.000 Menschen das Leben gekostet. Die meisten Opfer sind in Sri Lanka zu beklagen. Dort stieg die Zahl der Toten auf mindestens 12.029, wie Regierung und Rebellen mitteilten. In Indonesien kamen nach offiziellen Zahlen fast 5000 Menschen ums Leben, Vizepräsident Jussuf Kalla rechnete sogar mit bis zu 10.000 Toten.
In den betroffenen Gebieten bieten sich Bilder des Grauens: "Sie haben die Kinder übereinander gestapelt", berichtet eine Mutter in Sri Lanka, die zwar ihre Tochter retten konnte, nicht jedoch ihre beiden Söhne. "Ich musste sie hochheben, um zu sehen, ob meine Söhne darunter sind." Viele Leichen seien nach der langen Zeit im Wasser bis zur Unkenntlichkeit entstellt gewesen. "Überall sind Fliegen, und es riecht fürchterlich." Weil die Leichen in dem feucht-heißen Klima verwesen und die Angst vor Seuchen umgeht, kommt es in Caddalore am Montag zum ersten Massenbegräbnis von Kindern.
In Sri Lanka beginnen die Behörden, die Leichen zu fotografieren - sie wissen nicht, ob die Toten identifiziert werden können, bevor sie verwesen. Platz in den Leichenhallen gibt es auch in Sri Lanka nicht mehr.
In Indien riss die Flutkatastrophe nach Angaben von Finanzminister Palanappian Chidambaram mindestens 4000 Menschen in den Tod. Darin seien die Opferzahlen von der Insel Car Nicobar noch nicht eingerechnet, weshalb mit einem weiteren Anstieg zu rechnen sei. Der Polizeipräsident der Inselgruppe der Andamanen und Nicobaren hatte zuvor von bis zu 3000 Toten allein auf den Inseln gesprochen, eine offizielle Bestätigung stand aber noch aus.
Flutwelle verwüstet auch die ostafrikanische Küste
Thailand meldete am Montag 866 Tote. In Malaysia wurden 50 Tote registriert, auf den Malediven 43. In Birma kamen rund 30 Menschen in den Fluten um, in Bangladesch zwei.
Die verheerende Flutwelle hat auch noch in rund 4500 Kilometer vom Zentrum des Seebebens die an die ostafrikanische Küste verwüstet. An der Küste Somalias am Horn von Afrika seien Hunderte Menschen getötet worden und ganze Dörfer verschwunden, sagte ein Sprecher des somalischen Präsidenten in der kenianischen Hauptstadt Nairobi.
Eine genaue Schätzung der Totenzahlen liegt nach Angaben von Präsidentensprecher Jussuf Ismail noch nicht vor, weil sich die Hilfe zunächst auf die am schlimmsten betroffenen Gebiete konzentriere. Von den Fischern, die auf See waren, sei keiner zurückgekehrt, erklärte Ismael und bat die internationale Gemeinschaft dringend um sofortige Hilfslieferungen.
Nach der Flutkatastrophe bemühen sich tausende Retter aus aller Welt um die Versorgung der Opfer. "Die Menschen stehen vor dem Nichts, wir verteilen Nahrungsmittel und Kleidung, um die schlimmste Not zu lindern", sagt Father Arputham, Partner der Malteser, am Montag aus Südindien. Weil es vielerorts kein sauberes Wasser gibt, befürchtet das Internationale Rote Kreuz den Ausbruch von Epidemien wie Malaria oder Durchfall. Hilfsorganisationen baten dringend um Spenden.
Außer den rund 22.000 Menschen sind vermutlich mehr als eine Million obdachlos. Viele Katastrophengebiete sind schwer zugänglich, außerdem behindern Nachbeben die Rettungsmaßnahmen. Die Zerstörung von Krankenhäusern gebe Anlass zu großer Sorge, sagte Hakan Sandbladh vom Internationalen Roten Kreuz in Genf. Die Organisation werde genug Medizin liefern, um rund 100.000 Menschen mit Medizin gegen Durchfall zu versorgen.
Vor Ort mussten die Helfer zunächst einen Überblick über das riesige Ausmaß der Katastrophe gewinnen. Bundesinnenminister Otto Schily schickte ein Erkundungsteam des Technischen Hilfswerks nach Sri Lanka. Die drei Experten für Trinkwasserversorgung und Infrastruktur sollen Hilfsmöglichkeiten für die Not leidende Bevölkerung prüfen.
Unterdessen läuft seit Sonntag die Soforthilfe auf Hochtouren. Lokale Mitarbeiter der "Aktion Deutschland hilft" (ADH), in der zehn deutsche Hilfsorganisationen zusammengeschlossen sind, verteilten Lebensmittel, Trinkwasser und Entkeimungstabletten, wie Sprecherin Janina Niemietz sagte. Sauberes Wasser werde mit Lastwagen aus dem Landesinnern in die Küstengebiete gebracht. Die Betroffenen erhielten auch Schlafmatten, Decken und Medikamente. In Sri Lanka evakuierten die Helfer Menschen aus überschwemmten Regionen, transportierten Kranke ab und bargen Tote, wie Niemietz weiter sagte. Hunderte Helfer seien im Einsatz, weitere würden aus ganz Südostasien zusammengezogen.
Martin Baumann, Projektleiter der Welthungerhilfe in Sri Lanka berichtete von Massengräbern nahe der Stadt Mullaitivu. Allein in der Schule seien fast 500 Tote aufgebahrt. "In der Gegend um die Stadt Mullaittivu sind etwa 20 Dörfer einfach vom Erdboden verschwunden", sagte Baumann. In der Region seien sämtliche Straßen bis zu eineinhalb Kilometer von der Küste entfernt komplett zerstört.
Diakonie Katastrophenhilfe, Caritas und Misereor wollten neben der Soforthilfe bereits den Wiederaufbau von Häusern und Infrastruktur beginnen. Das Kinderhilfswerk Unicef will sich zudem um die Wiedererrichtung von Schulen und Gesundheitsstationen kümmern. Schätzungen zufolge ist mindestens jedes dritte Opfer ein Kind. Die SOS-Kinderdörfer in Sri Lanka, die von der Katastrophe verschont blieben, nahmen Flüchtlinge auf.
Nach einer ersten Schätzung des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz sind in den kommenden Monaten rund fünf Millionen Euro Spendengelder nötig, um die Opfer zu versorgen und die verwüsteten Gebiete wieder aufzubauen. Zahlreiche Staaten sicherten bereits Hilfsgelder zu, die Hilfsorganisationen stellten hohe Summen für Sofortmaßnahmen bereit. Organisationen, Kirchen und Politiker riefen zu Spenden auf.