Was den Modebegriff Anti-Aging angeht, ist die Praxis den wissenschaftlichen Grundlagen weit voraus: Es gibt Seminare zum Thema »ewig jung bleiben«, Spezialkliniken und zahlreiche Methoden und Mittelchen, die verkauft und bereits zahlreich angewandt werden. Dabei sei Anti-Aging eigentlich erst der Wissenschaftsbereich der Zukunft, ist sich Professor Ernst Siebzehnrübl von der Frankfurter Uniklinik sicher. »Das Gebiet wird boomen, denn die Gesellschaft ist immer mehr jugendorientiert«, sagte Siebzehnrübl der AP. Vor allem bei den 40- bis 50-Jährigen werde die Nachfrage in den kommenden Jahren steigen.
Bei der Hormonbehandlung fehlen Langzeitstudien
Als »Anti-Aging-Guru« will sich Siebzehnrübl nicht bezeichnen lassen. Anti-Aging sei nur ein kleiner Bereich seines Fachgebiets, erklärte der Mediziner. Der Frauenarzt ist ausgewiesener Experte auf dem Gebiet der Reproduktionsmedizin und gynäkologischen Endokrinologie. In der Forschung widmet er sich vor allem der Untersuchung der »Steuerung der Körperfunktionen durch Hormone«, wie er den Begriff Endokrinologie erklärt. Mit dem Einsatz von Hormonen könne im Körper tatsächlich sehr viel bewirkt werden, sagt der Mediziner.
Allerdings müssten die Stoffe sehr vorsichtig eingesetzt werden, wie zum Beispiel die als Wundermittel gegen das Altern angepriesenen Hormone DHEA und Melatonin: Es gebe bisher kaum Untersuchungen über Nebenwirkungen und Langzeitfolgen der angeblichen Jungmacher. Oft nähmen eifrige Patienten die Stoffe unkontrolliert ein, ohne dass zuvor ein Mangel festgestellt worden sei, sagt Siebzehnrübl. Die Einnahme gleicht damit einem Selbstversuch ohne ausreichende Informationen über die Wirkung der Substanzen. Die Hormone sind teilweise in verschiedenen Dosierungen über das Internet zu bestellen, in den USA kann man sie sogar im Supermarkt kaufen. DHEA ist ein Vorläufer der männlichen und weiblichen Geschlechtshormone und fördert offenbar die Zellerneuerung. Melatonin stimuliert nach Erkenntnissen von Medizinern das Immunsystem.
Nach Einschätzung Siebzehnrübls gibt es in Deutschland nur »fünf bis zehn ausgewiesene Experten« für das Jungbleiben. Die Frankfurter Uniklinik, an die er erst vor wenigen Monaten berufen wurde, werde sich vor allem der Forschung im Anti-Aging-Bereich widmen, erklärt der Mediziner. Hier sei viel nachzuholen. Aber er behandelt auch selbst: Hauptsächlich Frauen in den Wechseljahren seien seine Patienten. Die Zahl der Patientinnen, die Siebzehnrübl wegen ihres Alterns aufsuchen, beträgt allein aus dem Frankfurter Raum bereits »einige Hundert«.
´ Strategie gegen das Altern: gesunde Ernährung und Bewegung
Der Mediziner sieht bei seiner Behandlung den Mode-Ausdruck »Anti-Aging« eher als Überbegriff für »ein auch im fortschreitenden Alter gesundes und beschwerdefreies Leben«. Bei Anti-Aging oder Forever-Young gehe es um den Unterschied zwischen dem kalendarischen und dem gefühlten biologischen Alter, erklärt er. Wohlbefinden, bleibende Leistungsfähigkeit und Lebensqualität sind seine Schlagworte. Und die kämen beide von innen. Alterserscheinungen wie Falten und Fett mit dem Skalpell zu bekämpfen, habe mit Anti-Aging nichts zu tun.
Gegen funktionelle Störungen wie Hitzewallungen, Schlafstörungen und Depressionen lasse sich tatsächlich gut mit einer Hormontherapie vorgehen, sagt Siebzehnrübl. Aber Hormone sollten lediglich gezielt zur Unterstützung eingesetzt werden. Auch einfache Maßnahmen wie ausreichend Bewegung und gesunde, vitaminreiche Ernährung seien eine sehr gute Strategie gegen das Älterwerden, rät der Experte.
Anna Huber