19 Jahre lang, von 1914 bis 1933, lebte der Physiker in der deutschen Hauptstadt oder auch nahe davon. Wenn an diesem Mittwoch das Einstein-Jahr eröffnet wird, widmet Berlin dem Genie mit Ausstellungen und Tagungen viel Aufmerksamkeit.
Zu Beginn des Jahres 1914 zählte Berlin sicher nicht zu Albert Einsteins Traumzielen. Dem lebensfrohen Süddeutschen, Schweizer Staatsbürger und linksliberalen Pazifisten waren preußischer Drill, nationalistisches Säbelgerassel und übertriebenes Pflichtethos ein Gräuel. Doch nirgendwo, schreibt sein Biograf Albrecht Fölsing, bot sich dem 34-Jährigen Physiker eine bessere und so gut bezahlte Stelle: Berlin lockte mit der Mitgliedschaft in der Preußischen Akademie der Wissenschaften und dem Direktorenposten am Kaiser- Wilhelm-Institut - dem Vorgänger der heutigen Max-Planck-Institute.
"Legehuhn" in der Hauptstadt
Über die Motive machte sich Einstein in Zürich wenig Illusionen. Die Berliner Wissenschaft, schrieb er spöttisch an Freunde, spekuliere mit ihm "wie mit einem prämierten Legehuhn". Auch von den Bewohnern der Hauptstadt hielt er nicht sonderlich viel.
Berlin war für Einstein dafür auf ganz andere Weise reizvoll. Hier lebte seine verwitwete Kusine Elsa Löwenthal, die den Physiker "mein Albertle" nannte und ihm mit ihrer zupackenden Art gefiel. Seiner Ehefrau, der Mathematikerin Mileva Maric, war Einstein überdrüssig. Doch er hing an seinen beiden kleinen Söhnen. Ein Zusammenleben in Berlin schien ihm bald dennoch nicht möglich - er schickte seine Familie zurück nach Zürich und ließ sich später scheiden.
In Berlin verwirklichte er danach seine Idealvorstellung vom Leben: Wie ein Junggeselle hauste er in abgewetzter Kleidung in einer spartanisch eingerichteten Wohnung, forschte besessen wann immer er wollte, spielte mit Leidenschaft Geige und besuchte nach Lust und Laune Kusine Elsa.
"Ehrlich dreckiger Albert"
Während Einstein in Berlin seine Allgemeine Relativitätstheorie erdachte, führte seine Freundin Elsa einen Kampf gegen "Albertles" Hygienevorstellungen. Sie verordnete ihm Zahnbürste, Kamm und Seife - ohne Erfolg. "Wenn ich Dir so unappetitlich bin, dann suche Dir doch einen für weibliche Geschmäcker genießbareren Freund. Dein ehrlich dreckiger Albert", schrieb ihr Einstein.
Dass Elsa ihren "unverbesserlichen Mistfinken" später dennoch heiratete, mag sie so manches Mal bereut haben. Die Beziehung sei "aufreibend und kompliziert", notierte sie. Nicht nur, weil sich Einstein durch seine ungesunde Ernährung ein schweres Magenleiden zugezogen hatte. Auch, weil er, wie Freunde im Physikerdeutsch formulierten, auf Frauen wirke "wie ein Magnet auf Eisenstaub". Er hatte immer wieder neue Geliebte.
Spätestens seit 1919 wurde Einstein zum Medienstar erkoren. Weil kaum jemand seine Theorien erklären konnte, standen die unkonventionelle Art des Physikers, seine wilde Haarmähne und seine Marotten schnell im Mittelpunkt der Berichterstattung. "Mein Beruf ist nun Fotomodell", spottete Einstein, der sich aus dem Rummel wenig machte. Er nutzte seine Popularität lieber für seine politischen Ziele. Schon im Ersten Weltkrieg hatte er im Gegensatz zu vielen Berliner Akademiker-Kollegen einen glühenden Pazifismus vertreten.
1932 warnte er vor der "Faschisierung"
Dass Einstein Berlin bis 1933 die Treue hielt, lag sicher nicht an einer Liebe zu Deutschland. Heimatgefühle hat er stets verleugnet. Er wurde als Jude, der sich für den Zionismus stark machte, auch zunehmend angefeindet. Doch lockende Angebote aus dem Ausland lehnte er aus Verbundenheit zu seinem Gönner Max Planck ab. Auch sein Haus in Caputh bei Potsdam, in dem er die großen Geister seiner Zeit versammelte, wollte er lange nicht missen.
Doch er erkannte die Zeichen der Zeit: 1932 warnte er in einem Berliner Aufruf vor der "entsetzlichen Gefahr der Faschisierung". Ein Jahr später kehrte er bewusst nicht mehr von einem Forschungsaufenthalt in den USA zurück. Deutschland hat er bis zu bis zu seinem Tod 1955 nicht mehr betreten.
Ulrike von Leszczynski, DPA