Nur alle vierzig Jahre wird das Maß aller Kilos aus dem dreifach gesicherten Schrank hervorgeholt, um es mit Kopien des Ur-Kilogramms abzugleichen. Bei den jüngsten Messungen zeigte sich, dass das Original 50 Mikrogramm leichter war als die Vergleichskilos im Durchschnitt. "Sonderbar, denn alle Kopien sind aus dem gleichen Material wie das Urkilo", sagt der Physiker Richard Davis. Und viele der Referenzzylinder wurden ebenfalls 1889 gegossen. "Über die Gründe der Masseänderung gibt es nur Hypothesen", sagt Michael Borys von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) in Braunschweig, wo der deutsche Prototyp gehütet wird. Veränderungen könnten durch Umgebungseinflüsse während der Aufbewahrung oder des Gebrauchs hervorgerufen werden, aber sicher sei man sich nicht.
Wissenschaftler suchen nach Alternativen
Die Abmagerung des Ur-Kilogramms hat Folgen: Das Kilo ist das einzige Maß im internationalen Einheitensystem, das tatsächlich nur durch den Vergleichsgegenstand festgelegt wird. Das Ur-Kilogramm, nimmt es nun ab oder zu, "verkörpert als Masseneinheit per Definition weiterhin genau ein Kilogramm", so Borys. Dadurch entstehe ein zusätzlicher Unsicherheitsfaktor etwa bei Kalibrierungen. Der Ruf nach Preissenkungen für ein Kilo Rinderfilet oder eine Neujustierung der Haushaltswaage wäre indes verfrüht.
Die bislang festgestellte Masseänderung von 50 Mikrogramm macht sich erst in der achten Stelle hinter dem Komma bemerkbar. Dennoch zerbrechen sich Wissenschaftler weltweit darüber den Kopf, wie die inkonstante Konstante stabilisiert werden kann, schließlich sind sie jeden Tag auf exakte Messungen angewiesen. Auf einer Konferenz im November wollen Experten in Paris über Lösungen beraten. Geprüft wird etwa eine Kugel aus Silikon-Kristall mit einer einzigen Form von Atomen. Am Braunschweiger PTB wird mit Ionenakkumulation experimentiert, um das Kilogramm an eine atomare Masse anbinden zu können.