Forschungsschiff "Meteor" Auf der Suche nach dem Energieträger der Zukunft

Von Siebo Heinken
Bremer Wissenschaftler erkunden den Grund des Mittelmeers auf der Suche nach einem Energieträger der Zukunft: Methanhydrat birgt enorme Chancen, aber auch große Risiken.

Die Tiefsee stinkt nach faulen Eiern. Als das graue Plastikrohr auf den Tisch gehoben wird, fliehen die Matrosen aus dem Labor. Aber Gerhard Bohrmann lächelt. "Super", sagt der Geologe, "genau getroffen! Direkt in den Vulkan, 1600 Meter unter uns."

Gekürzte Fassung aus National Geographic Deutschland, Ausgabe April 2015.

Wir sind knapp 50 Kilometer vor der Küste Kalabriens. Es ist der siebte Tag unserer Expedition, kurz nach neun Uhr abends. Nacht umhüllt uns, nur vom italienischen Stiefel schimmert in der Ferne das Licht der Küstenorte. Das Mittelmeer hat Ruhe gegeben, die "Meteor" liegt still auf dem Wasser. Sie ist "eingeparkt", genau oberhalb von zwei Schlammvulkanen. Aus einem haben die Wissenschaftler gerade die Sedimentprobe genommen und ins Labor gebracht. Sie soll ihnen Auskunft darüber geben, wann und wie dieser Vulkan zuletzt ausgebrochen ist und was er aus dem Erdinneren an die Oberfläche gebracht hat.

Schlammvulkane? Seit wenigen Jahrzehnten erst erforschen Wissenschaftler dieses geologische Phänomen. Aus Öffnungen in der Erdkruste wird kein Magma, sondern eine Mischung aus Ton und Wasser ausgespuckt. Solche Formationen kommen vor allem dort vor, wo sich eine Erdplatte unter die andere schiebt und dadurch Schlamm nach oben gepresst wird. 50 solcher Vulkane gibt es allein hier, im Kalabrischen Bogen, wo die Afrikanische auf die Eurasische Erdplatte trifft, mehr als 500 bekannte im östlichen Mittelmeer, wohl Zehntausende weltweit. Die meisten verborgen in der Tiefsee.

Superstoff für unsere Gesellschaft?

Gerhard Bohrmann und sein Team von 30 Wissenschaftlern interessieren nicht nur die Vulkane selbst, sondern besonders die Gase, die sie in großer Menge freisetzen: Schwefelwasserstoff und Propan, vor allem aber - Methan. In großen Tiefen bildet es zusammen mit Wassermolekülen eine Substanz ähnlich wie Schneematsch, die Forschern noch immer Rätsel aufgibt: das Methanhydrat. Es löst Hoffnungen wie Ängste aus. Manche sehen es als Superstoff für unsere Gesellschaft, die wie ein Junkie an der Energiespritze hängt, andere fürchten den goldenen Schuss für die Menschheit.

Methan entsteht über Millionen Jahre im Meer, wenn Bakterien abgestorbenes organisches Material abbauen, das auf den Boden gesunken ist. Kommen hoher Druck und tiefe Temperaturen zusammen, bildet Methan mit Wassermolekülen das Gashydrat. Wissenschaftler schätzen die Menge des Methanhydrats in allen Weltmeeren auf 100 Gigatonnen manche sogar auf bis zu 530.000 Gigatonnen. Es könnte ein Mehrfaches der Energie liefern als alle weltweit noch zur Verfügung stehenden Vorräte an Erdöl, Erdgas und Kohle. Ein Kubikmeter Methanhydrat enthält 164 Kubikmeter Methan. In Japan wurde bereits damit begonnen, es versuchsweise zu fördern. Energiekonzerne wittern ihr nächstes großes Geschäft.

Doch Forscher warnen. "Wir wissen zu wenig über die Folgen des Abbaus für Umwelt und Ökosystem", sagt Gerhard Bohrmann, 59, Professor für Geologie an der Universität Bremen und stellvertretender Direktor des Zentrums für Marine Umweltwissenschaften, eine Kapazität seines Fachs.

Man weiß, dass Methanhydrat die Kontinentalhänge stabilisiert wie Zement den Mörtel. Vor 8000 Jahren gab es durch die sogenannte Storegga-Rutschung an der norwegischen Küste einen bis zu 20 Meter hohen Tsunami, der das Leben auf den Shetland- und Faröer-Inseln vernichtete und Island erreichte. Ein wahrscheinlicher Auslöser, das weiß man heute: instabil gewordenes Methanhydrat am Meeresboden.

Eine Welt völliger Dunkelheit

Noch gravierender sind die möglichen Folgen des Klimawandels auf das Methanhydrat. Wird das Wasser in der Tiefe zu warm, löst der Matsch sich auf. Methan wird freigesetzt und steigt nach oben. In der Atmosphäre wirkt dieses Gas 23-mal stärker als Kohlendioxid und kann die Erderwärmung dramatisch beschleunigen. Wie zuletzt vor 56 Millionen Jahren. Möglicherweise als Folge gewaltiger Vulkanausbrüche stieg die Temperatur der Atmosphäre stark an, die Wärme gelangte in große Meerestiefen und destabilisierte riesige Vorkommen von Methanhydrat. Das aufsteigende Methan verstärkte den Treibhauseffekt - eine Kettenreaktion. Es gab ein großes Artensterben.

"Über all diese Dinge müssen wir noch viel mehr erfahren", sagt Bohrmann. "Deshalb ist unsere Grundlagenforschung so wichtig."

Weltweit erforschen Wissenschaftler wie er Schlammvulkane und Methanhydrat. Wie bildet und zersetzt es sich? Was passiert, wenn als Folge der Klimaerwärmung auch die Ozeane wärmer werden? Steigt das Methan zur Wasseroberfläche, oder wie viel davon wird im Meer von Mikroorganismen zersetzt? Dürfen wir diese fossile Energie überhaupt nutzen? So soll auch diese Reise mit der "Meteor" ein neues Puzzleteil liefern. Irgendwann, so hoffen die Forscher, können sie das ganze Bild zusammensetzen.

Aber wie erforscht man eine Welt der völligen Dunkelheit?

Lesen Sie den vollständigen Text in der aktuellen Ausgabe von National Geographic Deutschland. Weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie auch unter nationalgeographic.de/

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