FRIEDENSNOBELPREIS Osloer Signal gegen Bush?

Kenner der Szene erwarten bei der Entscheidung über den diesjährigen Friedensnobelpreis ein deutliches Signal gegen die derzeitige Kriegsrhetorik von US-Präsident George W. Bush.

Die Entscheidung über den diesjährigen Friedensnobelpreis soll »ziemlich schwer« gewesen sein, heißt es aus dem Umfeld des Osloer Komitees. Wenn am Freitag die Wahl der fünf Juroren der Öffentlichkeit mitgeteilt wird, erwarten manche Kenner der Szene ein deutliches Signal mit dem angesehensten Preis der Welt gegen die derzeitige Kriegsrhetorik von US-Präsident George W. Bush. Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund werden der demokratische Senator Sam Nunn und sein republikanischer Kollege Richard Lugar in Osloer Zeitungen als Favoriten unter den 156 offiziell nominierten Kandidaten dieses Jahres gehandelt.

Nunn und Lugar haben sich mit ihrem »Cooperative Threat Reduction Programme« (Kooperationsprogramm zur Verminderung von Bedrohungen/CTR) um die friedliche Beseitigung des ausgedienten russischen Atomwaffenarsenals verdient gemacht. Lugar gehört aber auch zu den republikanischen Außenpolitikern, die gegen eine Blankovollmacht für das Vorgehen von Bush in Sachen Irak sind. »Die Preisvergabe an die Amerikaner Lugar und Nunn wäre ein indirektes Signal an Bush, dass man eine weniger aggressive Außenpolitik wünscht«, meinte der Chef des Osloer Friedensforschungsinstitutes, Stein Tønnesson, in der Zeitung »Dagbladet«.

Allerdings müssten die drei weiblichen und zwei männlichen Komiteemitglieder wohl auch mit Kritik rechnen, weil die Leistung der beiden US-Politiker in einem sehr eingegrenzten Bereich von vielen als nicht besonders herausragend empfunden werden dürfte. Breiter angelegt ist im Vergleich dazu das nun über Jahrzehnte angelegte Engagement des früheren US-Präsidenten Jimmy Carter zur friedlichen Beilegung kriegerischer Konflikte. Der 78-jährige Demokrat gehört zu den ewigen Nobelpreis-Favoriten und galt zuletzt doch eher als schon abgeschrieben. Die harte Linie des derzeitigen Chefs im Weißen Haus könnte Carter nun vielleicht doch noch einmal zu höchsten Ehren verhelfen.

Nach dem Jubiläumspreis im letzten Jahr an die UN und deren Generalsekretär Kofi Annan zur 100. Wiederkehr der ersten Nobelpreisvergabe 1901 hoffen manche allerdings auch auf »etwas ganz Anderes«. Der Friedensnobelpreis werde sich mehr in Richtung Umwelt orientieren, hatte Komiteesekretär Geir Lundestad in diesem Jahr erklärt. Warum also nicht doch mal eine Vergabe an die vom irischen Rockstar Bono (»U2«) mitbetriebene Initiative Jubilee 2000, die für einen Schuldenerlass an die Länder der Dritten Welt eintritt?

Das wäre ein echtes Alternativpropgramm zu dem zwar logischen, aber doch wenig zündenden und leicht pompös wirkenden Preis 2001 an die Weltorganisation. Auch der politisch wohl mit Abstand umstrittenste Preis des letzten Jahrzehnts aus dem Jahr 1994 an den später ermordeten israelischen Ministerpräsidenten Izchak Rabin, Außenminister Schimon Peres und Palästinenserpräsident Jassir Arafat könnte das Osloer Nobelkomitee zu einem Schwenk in Richtung Friedensinitiativen von der Basis her bewegt haben.

Ganz ausgeschlossen wird in Oslo schließlich auch nicht, dass die fünf Komiteemitglieder in diesem Jahr überhaupt keinen Preisträger küren. Zuletzt gab es das 1972, nachdem ein Jahr zuvor der damalige Bundeskanzler Willy Brandt für seine Ostpolitik als bisher letzter Deutscher den Friedensnobelpreis bekommen hatte. 1976 wurde der Preis auch nicht vergeben, dann aber im folgenden Jahr rückwirkend zwei Frauen aus der nordirischen Friedensbewegung zuerkannt. Die Dotierung beträgt in diesem Jahr 10 Millionen schwedische Kronen (1,1 Millionen Euro).

Thomas Borchert

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