Grüne Gentechnik Das Gruseln vor dem "Genmais"

Maisfelder, auf denen genetisch veränderte Pflanzen wachsen, werden oft von Umweltaktivisten zerstört. Doch derart manipulierte Lebensmittel möchte ohnehin kaum jemand essen. Warum sind diese Pflanzen so gefürchtet? Welche Ängste sind unbegründet, und wo haben die Kritiker recht?
Von Nina Bublitz

"Ohne Gentechnik" soll künftig auf tierischen Lebensmitteln stehen, wenn keine gentechnisch veränderten Futtermittel verwendet wurden. Ein Anreiz für die Erzeuger, denn gerade die "grüne Gentechnik", die Veränderung von Pflanzen, ist hierzulande extrem unbeliebt.

Genmais, allein das Wort klingt schon schaurig. Dabei ist genau genommen jeder Mais Genmais - Gene enthält jede Pflanze. In rauen Mengen. Dieser Fakt ist nicht unbedingt allgemein bekannt, wie die europaweite Umfrage "Eurobarometer" zeigt: Im Jahr 2005 hielten rund 35 Prozent der Befragten die - falsche - Aussage "Normale Tomaten enthalten keine Gene, während genetisch modifizierte welche haben" für korrekt. Und etwa jeder vierte hielt die - falsche - Befürchtung für wahr, dass das Essen manipulierter Früchte auch das eigene Erbgut verändern könne. Da ist es nicht verwunderlich, dass 70 bis 80 Prozent der Verbraucher gentechnisch veränderte Lebensmittel ablehnen. Und dass Felder, auf denen in Deutschland Bt-Mais, eine von Monsanto erzeugte Sorte, wächst, regelmäßig von Umweltschützern zerstört werden.

Ein mögliches Risiko der veränderten Produkte: Sie könnten Allergien auslösen. Dies wird zwar vor der Zulassung des Lebensmittels überprüft, reicht aber nicht unbedingt aus, um Verbrauchern die Sorge zu nehmen. Denn "in der Wahrnehmung sind niedriger Nutzen und ein hohes Risiko miteinander verknüpft", erklärt Professor Ortwin Renn, Leiter der Abteilung Technik- und Umweltsoziologie an der Universität Stuttgart. Und die Produkte bieten dem Kunden bislang keinen Vorteil, weil sie weder günstiger noch gesünder sind. Renn: "Was nutzt es dem Verbraucher, wenn der Mais weniger Probleme mit einer Schmetterlingsraupe hat?"

Auch Professor Mark Stitt vom Max-Planck-Institut für Molekulare Pflanzenphysiologie stellt fest, dass die Vorteile der bisher angebauten gentechnisch veränderten Nutzpflanzen nur schwer zu vermitteln seien. Sie hätten zwar auch positive Effekte auf die Umwelt, diese seien jedoch nicht sofort für den Verbraucher ersichtlich. Sind die Pflanzen etwa unempfindlicher gegen Schädlinge, können Bauern Pestizide einsparen, die sonst die Umwelt belasten würden. Stitt plädiert für einen vorsichtigen Umgang mit der Gentechnik: "Neue Methoden in der Landwirtschaft müssen immer genau beobachtet und kontrolliert werden. Durch Dünger und Pestizide etwa hat man in den vergangenen Jahrzehnten zwar die Erträge stark gesteigert - aber einige negative Folgen dieser Anwendungen hätten vermieden werden können, wenn man gleich kritischer gewesen wäre." Einen Kritikpunkt der Gentechnik-Gegner, entschärft Biochemiker Stitt - zumindest für Deutschland: die Auskreuzung der veränderten Gene in wild wachsene Pflanzen. "Dieses Risiko ist bei vielen der Nutzpflanzen hierzulande nicht vorhanden, weil es keine 'wilden Verwandten' gibt, mit denen dies geschehen kann. Bei gentechnisch verändertem Mais in Mexiko besteht das Problem theoretisch, in Deutschland aber nicht."

Möglich ist dagegen, dass umstehende Maisfelder beeinträchtigt werden. Daher wurden Mindestabstände festgelegt: 150 Meter zu konventionell angebautem Mais, 300 Meter zum Feld eines Biobauern.

Auf dem Weg zum Saatgut-Monopol

Ein bedenklicher Aspekt der grünen Gentechnik ist sicher, dass der weltweite Markt mit Saatgut durch sie noch noch mehr in die Hände weniger großer Konzerne gerät. Diese Konzerne können dann zunehmend die Preise diktieren, wenn den Landwirten keine praktikablen Alternativen zur Verfügung stehen. Selbst das unveränderte Saatgut dürfen Bauern nicht einfach vermehren. Das muss der Saatguthersteller erst lizenzieren, es kostet also extra. Zudem sind viele der heute angebauten Linien Hybride, die sich kaum vermehren lassen. Beim gentechnisch veränderten Saatgut ist die Lage jedoch noch verschärft: "Monsanto lizenziert nicht eine Maissorte, sondern das veränderte Gen, das in verschiedene Maissorten eingebracht wird", erklärt Stitt. Bedenkliche Patente - viele Organisationen, unter anderem Greenpeace, fordern, dass solche Patente auf Leben generell untersagt werden.

Immerhin: "Zu diesem Zeitpunkt läuft ein großer Teil der grünen Gentechnik in öffentlichen Instituten", sagt Professor Stitt. "Ich hoffe sehr, dass dies so bleibt." Er nennt ein klares Ziel für die Landwirtschaft weltweit: Die Mengen an Dünger und Pflanzenschutzmitteln zu reduzieren - und zwar ohne dass die Erträge sinken. "Wir haben nicht den Luxus, weltweit komplett auf Bioanbau umzustellen, auch wenn die ökologische Landwirtschaft sehr schöne Seiten hat, weil zum Beispiel der Einsatz von Dünger und Pflanzenschutzmitteln deutlich reduziert ist. Doch die Erträge sind im Vergleich zum konventionellen Anbau schlecht. Beim Getreide erreicht man sogar nur die Hälfte des Ertrags."

Verbesserte Züchtung

Wie soll die Gentechnik überhaupt die Erträge steigern? Stitt: "In der Zukunft werden andere Merkmale von Pflanzen verändert, sodass sie bei Kälte, Dürre oder auf stickstoffarmen Böden besser wachsen. An solchen Pflanzen wird geforscht." Doch diese Veränderungen sind deutlich komplizierter als die bisher erfolgten. Beim Bt-Mais etwa wurde ein zusätzliches Gen eingefügt, damit die Pflanze ein weiteres Eiweiß produziert. Ein ganz neuer Mechanismus also, der in keinen der in der Pflanze stattfindenden Kreisläufe eingreift. "Bei der Toleranz gegen Trockenheit ist das etwas ganz anderes - hier existieren schon Mechanismen in der Pflanze, an denen Dutzende, wenn nicht Hunderte Gene beteiligt sind. Deshalb ist eine Manipulation ungleich schwieriger", erklärt Mark Stitt.

Muss es also Gentechnik sein? Wahrscheinlich - sie kann allerdings auch nur indirekt in der Pflanzenzüchtung eingesetzt werden. Mark Stitt, der sich neben der Gentechik auch der Erforschung der natürlichen Vielfalt und der Frage, wie diese in der konventionellen Pflanzenzüchtung genutzt werden kann, widmet, erklärt: "Die Züchtung verbessert sich durch den biotechnologischen Fortschritt, weil man inzwischen bestimmte genetische Merkmale identifizieren und gezielt züchten kann." Die Gentechnik wird quasi als Werkzeug genutzt, um Informationen zu gewinnen und Ergebnisse zu prüfen. "Aber die Pflanzen entstehen natürlich über Kreuzungen, das heißt, sie sind nicht gentechnisch verändert."

Mehr zum Thema

Newsticker