Der Anruf kam um fünf Minuten vor 12 Uhr. "Meine Sekretärin hat gesagt, sie muss durchstellen - ein Anruf aus Stockholm", sagt der Münchner Experimentalphysiker Theodor Wolfgang Hänsch. An seinem Schreibtisch erfährt der Münchner Wissenschaftler dann, dass er zusammen mit seinen US-Kollegen Roy Glauber und John Hall mit dem diesjährigen Physik-Nobelpreis ausgezeichnet wird. "Ich war platt", so der 63-Jährige. "Als erstes habe ich meine Sekretärin umarmt."
Die Nachricht machte sofort die Runde
Die Nachricht macht sofort die Runde. In dem Physik-Gebäude der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität stellen Studenten vor dem Büro von Hänsch einen kleinen Tisch mit einer Magnum- Champagnerflasche und Gläsern auf. Für die Fotografen nippt der Wissenschaftler ein bisschen an seinem Glas. "Ich habe mich riesig gefreut", sagt er. "Ich bin immer noch in allen Wolken."
Und dann muss Hänsch ein Interview nach dem anderen geben und seine Forschungsarbeit erklären. Als junger Mann habe er genau gewusst, dass er Naturwissenschaftler werden wolle - er habe auch an Chemie, Medizin und Biologie gedacht. "Mein schlechtes Gedächtnis hat den Ausschlag für die Physik gegeben - denn da muss man sich weniger merken und kann vieles ableiten", sagt der Wissenschaftler scherzend, der neben der Lehrtätigkeit an der Münchner Uni auch das Max-Planck-Institut für Quantenoptik in Garching bei München leitet.
Seine Idee war einfach, aber schwer umzusetzen
Mit dem Nobelpreis wird er für seine Arbeiten zur extrem genauen Messung von Lichtfrequenzen - also der Zahl der Schwingungen pro Sekunde - bis zur 16. Stelle hinter dem Komma geehrt. "Die Idee am Anfang war recht einfach, aber es war sehr unwahrscheinlich, dass sie funktioniert", so der Wissenschaftler. "Der Durchbruch kam 1997/98." Seine Erkenntnisse zur so genannten Laserspektroskopie, die bis in seine Zeit an der Stanford-Universität in Kalifornien zurückreichten, seien zunächst vor allem für die Grundlagenforschung wichtig.
Eine praktische Anwendung kann sich Hänsch in den Bereichen Astrophysik, Navigation und vor allem in der Telekommunikation vorstellen, wenn dank extrem präziser Taktgeber möglicherweise noch mehr Daten durch vorhandene Glasfaserkabel geschleust werden könnten. "Das ist aber noch eine junge Technik", so der Wissenschaftler. "Und es ist ja auch schwer bei einem neugeborenen Kind vorherzusagen, wie dieses die Welt einmal beeinflussen wird."
Hänsch gilt als einer der weltweit angesehensten Physiker und Tausendsassa seines Faches. Er hat bereits eine Reihe von Auszeichnungen bekommen. In seiner mehr als 40-jährigen Laufbahn befasste sich der Wissenschaftler unter anderem mit ultrakalten Atomwolken, der Erforschung von Antiwasserstoff und mit innovativen Laserexperimenten - damit gehört er weltweit zu den Spitzenforschern auf seinem Gebiet.
Der Nobelpreis muss für Hänsch wie ein vorgezogenes Geburtstagsgeschenk sein: Rund vier Wochen vor seinem 64. Geburtstag wurde ihm am Dienstag die höchste wissenschaftliche Ehrung für seine Beiträge zur Entwicklung laserbasierter Präzisionsspektroskopie zugesprochen. Weitere Preisträger sind die US-Forscher Roy Glauber und John Hall.
Hänsch wurde am 30. Oktober 1941 in Heidelberg geboren und promovierte dort 1969. Anschließend ging er in die USA an die Stanford Universität in Kalifornien, wo er 1975 Professor wurde. Immer wieder hat der Forscher im Ausland als Gastprofessor unterrichtet, unter anderem in Frankreich, Japan, in den USA und in Italien. Seit 1986 lehrt er an der Ludwig-Maximilians-Universität-München (LMU).
Frau und Kinder hat der Forscher nicht. "Er hat die Physik zur Familie", sagte sein Physikerkollege an der Universität München, Eberhard Riedle. Hänsch sei auch nicht an Geld oder Machtpolitik interessiert, sondern nur an seiner Forschung. "Hänsch ist nicht unkommunikativ, aber neben der Physik ist bei ihm wenig Platz für andere Gesprächsthemen", so Riedle.
"Kleines Fünkchen Hoffnung habe ich mir erlaubt"
Nach eigenen Worten hat er vage gewusst, dass er als Kandidat für den Nobelpreis in Frage kommen könnte. "Die Vorhersagekraft solcher Kandidatenlisten ist gering, aber ein kleines Fünkchen Hoffnung habe ich mir erlaubt." Er freue sich sehr, dass auch Deutschland mit der Auszeichnung bedacht werde. "Dies zeigt, dass man hier sehr gut wissenschaftlich arbeiten kann." Die Ehrung gelte auch der Münchner Universität und dem Max-Planck-Institut sowie seinen Mitarbeitern. Der Nobelpreis ist mit umgerechnet 1,1 Millionen Euro dotiert. Dann stürzt sich Hänsch wieder in sein normales Leben als Wissenschaftler. Er muss rasch zum Flughafen, denn er reist zu einem Symposium nach San Francisco. "Ich hoffe, dass mein Lebenswerk noch nicht zu Ende ist", sagt er. Und über den Termin der Nobelpreis-Überreichung am 10. Dezember bemerkt er: "Da muss ich erst einmal in meinen Terminkalender schauen, ob da überhaupt noch Platz ist."