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Verschmutzte Ozeane Wer ist schuld am vielen Plastik im Meer?

Die Menge an Plastik, die durch achtlose Entsorgung ins Meer gelangt, ist gigantisch. Forscher haben nun erstmals aufgezeigt, woher der meiste Müll kommt, und wie die Verschmutzung zu stoppen wäre.
Von Mirja Hammer

Unsere Liebe zu Plastik ist groß. Unsere Bereitschaft zu recyceln weniger. Von den jährlich 300 Millionen Tonnen produzierten Plastiks weltweit, werfen wir rund ein Drittel nach kürzester Zeit schon wieder weg. 2012 wurden in den USA von 32 Millionen Tonnen Plastikmüll nur neun Prozent recycelt. Würde man das gesamte Plastik, das je produziert wurde, wie einen Teppich auslegen, so würde es unseren gesamten Planeten regelrecht ersticken, wie Jan Zalasiewicz von der Universität Leicester berechnet hat.

Zum Teil landet das weggeworfene Plastik auf Mülldeponien, manche Länder verbrennen oder vergraben es, doch ein großer Teil endet im Meer. Dort hat es erhebliche Auswirkungen auf das marine Ökosystem - Tiere ersticken an verschluckten Partikeln, die sie für Futter halten oder verfangen sich in Plastikteilen und verenden auf diese Weise. Auch Auswirkungen auf den Menschen wurden teilweise belegt: Mit dem Verzehr von Seefisch würden schädliche Kleinstpartikel aufgenommen werden, warnt die Toxikologin Lisbeth Van Cauwenberghe von der Universität Gent in Belgien.

Wie viel Plastik tatsächlich unsere Meere verschmutzt, konnte bislang nur erahnt werden. Die letzte offizielle Schätzung lag bei rund 270.000 Plastikteilchen unterschiedlicher Größe. Wenig Klarheit herrschte außerdem darüber, aus welchen Ländern das meiste Plastik in die Meere gelangt und wo bei der Müll-Eindämmung angesetzt werden müsste. Daher wählten Forscher des Nationalen Zentrums für ökologische Analysen und Synthesen (NCEAS) an der Universität von Kalifornien einen neuen Ansatz: Statt die Teilchen im Wasser zu zählen, berechneten sie, wie viel Plastik vom Land in die Meere gelangen kann.

Was passiert, wenn nichts passiert?

Für ihre Untersuchung, die im Fachmagazin Science erscheint, zogen die Forscher um die Umweltingenieurin Jenna Jambeck Daten aller Küstenstaaten heran, insgesamt von 192 Ländern. Sie errechneten, wie viel Plastikmüll jeder Einwohner pro Jahr produziert und kamen für 2010 auf eine Gesamtmenge von rund 275 Millionen Tonnen. Dann betrachteten sie die Abfallsysteme der einzelnen Länder unter folgender Fragestellung: Wie hoch ist die Menge des falsch entsorgten Plastikmülls - sprich wie viel Plastik kann über Wasserwege, Wind oder schlecht funktionierende Abwassersysteme potenziell in die Meere gelangen?

Die Zahl, die die Forscher hieraus errechneten, ist erschreckend hoch: Zwischen fünf bis zwölf Millionen Tonnen Plastikmüll könnten 2010 aufgrund mangelhafter oder nicht vorhandener Abfallsysteme in die Meere gelangt sein. Der Mittelwert - sprich acht Millionen Tonnen - würde 34 mal die Fläche Manhattans knöcheltief bedecken, sagt Co-Autor Roland Geyer. "Acht Millionen Tonnen Plastik entspricht der Menge, die 1961 weltweit produziert wurde."

Um Aussagen für die zukünftige Entwicklung zu treffen, betrachteten die Forscher außerdem noch die Bevölkerungsentwicklung der einzelnen Länder. Ihre Prognose: Wenn sich an der Art der Müllentsorgung und der Bevölkerungsentwicklung bis 2025 nichts ändere, dann würde sich die Menge an Plastik in den Meeren bis dahin verdoppelt haben, so Jambeck. Bildlich gesprochen stapelten sich in zehn Jahren dann auf jedem Meter Küstenabschnitt rund 33 Einkaufstüten voller Plastik.

Welche Länder sind hauptverantwortlich?

Allein 20 der 192 untersuchten Länder (siehe Karte) könnten für 83 Prozent des Plastikmülls in den Meeren verantwortlich gemacht werden, so die Forscher. China steht mit 1,3 bis 3,5 Millionen Tonnen pro Jahr unangefochten an der Spitze, gefolgt von Inselstaaten wie Indonesien, den Philippinen und Vietnam. Vor allem die hohe Bevölkerungsdichte eines Landes sowie die Menge des produzierten Mülls und die Größe der Küstenabschnitte seien entscheidend dafür, wie viel Plastikmüll in die Meere gelange. Nicht berücksichtigt hätten die Wissenschaftler allerdings Abfallexporte. Die Europäische Union beispielsweise exportierte laut Europäischer Umweltagentur bis 2007 mehr Plastikmüll nach Asien als innerhalb der EU - und dürfte damit für das Müllproblem im asiatischen Raum mitverantwortlich sein.

16 der Top-20-Länder sind Schwellenländer, in denen Wirtschaft und Wohlstand derzeit anwachsen - und mit ihnen der Plastikverbrauch. Eine solide Abfallwirtschaft stünde in aufstrebenden Ländern typischerweise aber an letzter Stelle auf der To-Do-Liste, sagt Jambeck. Dringendere Probleme wie etwa sauberes Trinkwasser und Abwasserklärung hätten da höhere Priorität.

Wer muss jetzt handeln?

Doch was tun gegen die Schwemme an Plastikmüll, die unsere Meere verschmutzt? Großangelegte Maßnahmen, um Müll aus dem Meer zu filtern, seien viel zu kostspielig und derzeit noch wenig effektiv, sagt Geyer. Er plädiert dafür, Wege zu finden, damit Plastik gar nicht erst in die Meere gelangt. Gelänge es in den 20 Top-Nationen, den unsachgerecht entsorgten Müll um 50 Prozent zu reduzieren, würde im Jahr 2025 rund 40 Prozent weniger Plastik in den Meeren treiben. Und selbst wenn es nur in den Top-Zehn der 192 Länder gelingen würde, wären es in zehn Jahren immerhin 34 Prozent weniger, so die Forscher.

Nun seien vor allem die reicheren Nationen gefordert. Während die Infrastruktur in Entwicklungsländern gerade erst im Aufbau sei, könnten entwickelte Länder sofort in Aktion treten, um Müll zu reduzieren und dem Anstieg von Einwegplastik durch Alternativen und Gesetze Einhalt zu gebieten. Zudem könnten Investitionen in ärmere Länder dort neue Jobs und Entwicklungschancen schaffen - und die Lebensbedingungen und die Gesundheit von Millionen Menschen verbessern.

"Das Problem ist zwar heftig, aber nicht unlösbar", sagt NCEAS-Direktor Frank Davis in einer Mitteilung. Die Forscher hätten realistische Lösungen aufgezeigt, um zu verhindern, dass immer mehr Plastik in unsere Meere treibe. Das wären etwa eine gezielte Müllreduzierung und eine effizientere Abfallbehandlungen, sprich Wiederaufbereitungs- oder Recyclingmaßnahmen. Außerdem gelte es, das ökologische Bewusstsein der Verbraucher zu schärfen. In der EU etwa sollen Bürger nur noch 45 Plastiktüten pro Jahr verbrauchen. Das wäre zumindest ein Anfang.

Mirja Hammer

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