Schwäbischer Lindwurm Klein bleiben, um zu überleben

Schon in der Urzeit musste man essen, um zu leben. Wenn die Nahrung knapp wurde, verhungerten die Dinosaurier. Alle - außer dem "Schwäbischen Lindwurm": Der urzeitliche Pflanzenfresser wuchs einfach langsamer als sonst.

Einige der ersten Dinosaurier passten ihr Wachstum an die jeweiligen Umweltbedingungen an: War es warm und gab es viel Nahrung, wuchsen die urzeitlichen Tiere schneller und wurden größer. Das vermuten Martin Sander und Nicole Klein von der Universität in Bonn.

Die beiden Paläontologen hatten zahlreiche Knochen des "Schwäbischen Lindwurms" (Plateosaurus engelhardti) untersucht, einem der häufigsten Pflanzenfresser vor etwa 200 Millionen Jahren, und das überraschend flexible Wachstumsverhalten entdeckt. Eine derartige Anpassungsfähigkeit an die Umwelt fehlte anderen Dinosaurierarten, kommt aber in ähnlicher Form bei Schildkröten und Krokodilen vor. Die beiden Wissenschaftler berichten über ihre Forschungsergebnisse im Fachmagazin "Science".

Gemessen an der Zahl der Fossilfunde ist der "Schwäbische Lindwurm" der bedeutendste Dinosaurier in Deutschland. Der Vegetarier wurde bis zu zehn Meter lang und mehrere Tonnen schwer. Er ging auf zwei Beinen und hatte recht kurze Arme mit langen Krallen. Zudem besaß er einen langen Schwanz und einen langen Hals, auf dem ein recht kleiner Kopf saß.

Jahresringe in den Knochen

Von Plateosaurus engelhardti waren in Zentraleuropa zahlreiche Knochen gefunden worden, etwa bei Trossingen in Süddeutschland und bei Frick in der nördlichen Schweiz. Als Sander und Klein die mikroskopische Struktur dieser Röhren- und Hüftknochen analysierten, entdeckten sie, dass die Tiere ihre endgültige Größe in sehr unterschiedlichem Alter erreicht hatten. Beispielsweise war das jüngste ausgewachsene Exemplar erst zwölf Jahre alt, während die Knochen des mit 27 Jahre ältesten Tieres noch kaum ihre endgültige Länge erreicht hatten. Die Wachstumsgeschwindigkeit schwankte bei Plateosaurus demzufolge sehr stark, wie auch Unterschiede im Knochenaufbau verrieten.

Weil das Knochenwachstum bei diesen Sauriern mit Unterbrechungen verlief, lassen sich unter dem Mikroskop ähnlich wie bei Bäumen "Jahresringe" feststellen. Bei schnellem Wachstum ist der Abstand zwischen diesen Jahresringen größer. Erstaunlich sei, dass alle anderen Dinos gleichmäßig zu wachsen schienen, sagte Sander. "Unser Befund stellt uns vor ein Rätsel."

"Im Prinzip wuchsen Dinosaurier wie wir", erklärte Sander. "Zu jedem Alter hatten sie eine bestimmte Körpergröße." Hier unterschieden sie sich von Reptilien, die bei knapper Nahrung langsamer wüchsen als bei reich gedecktem Tisch. Eine Schildkröte könne daher im selben Alter 30, 40 oder auch 60 Zentimeter lang sein. Warmblüter dagegen könnten ihren Stoffwechsel nicht so einfach herunterfahren, erläuterte Sander. "Wenn das Nahrungsangebot nicht reicht, gibt es nur eins: Sie sterben."

Ebenso variabel wie die Wachstumsgeschwindigkeit war die Körperlänge der erwachsenen Tiere, sagen die Forscher. Sie lag etwa bei den untersuchten Exemplaren zwischen 4,8 und 10 Metern. Im Durchschnitt waren jene Tiere, deren Knochen bei Frick gefunden worden waren, kleiner als ihre Artgenossen aus Süddeutschland. Als möglichen Grund dafür vermuten die Paläontologen weniger gute Lebensbedingungen.

War Plateosaurus wechselwarm?

Die Dinosaurier gehörten zwar zu den Reptilien. Viele von ihnen sind nach Ansicht der meisten Forscher jedoch bereits warmblütig gewesen. Und alle seien wie die heutigen Säugetiere nach genetisch programmiertem Muster und zudem relativ schnell gewachsen. "Unsere Ergebnisse werfen diese Vorstellung jedoch zumindest für einen Dinosaurier über den Haufen."

Heutige Reptilien zeigen jedoch ein ähnlich flexibles Wachstumsverhalten: Sie zählen zu den wechselwarmen Lebewesen, deren Körpertemperatur durch die Außentemperatur bestimmt wird. Damit hängen auch Stoffwechsel und Wachstum von den Klimabedingungen ab.

Das könnte nun die Vermutung aufkommen lassen, dass auch Plateosaurus wechselwarm war, sagen die Forscher. Eindeutig dagegen sprechen aber sowohl der Aufbau seiner Knochen als auch sein Bewegungsapparat. Nach Ansicht der Paläontologen war Plateosaurus aber möglicherweise die erste Stufe in der Evolution hin zu warmblütigen Dinosauriern, bei denen keine Verbindung mehr besteht zwischen Wachstum und den herrschenden Umweltbedingungen.

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