UN-Klimareport, Teil 3 Das große Feilschen

Wie kann man den Klimawandel bremsen? Diese Frage soll der dritte Teil des UN-Klimareports am Freitag beantworten. Noch streiten die Experten über jede Formulierung - und empfehlen wahrscheinlich auch Atomkraft, um das Klima zu retten.

Das große Feilschen um jede Formulierung ist wieder im Gange: Mehr als 400 Experten aus 190 Ländern verhandeln bis zum Freitag in Bangkok hinter verschlossenen Türen über den dritten Teil des UN-Klimareports, die Trilogie über die Zukunft der Erde. Nachdem der erste Teil keinen Zweifel an der Verantwortung des Menschen ließ und der zweite Teil die dramatischen Folgen vor allem für die armen Länder beschrieb, steht diesmal vor allem diese Frage im Raum: Was sollen wir tun, um die Erwärmung der Erde vielleicht doch noch auf zwei Grad zu begrenzen?

Empfehlen die Klima-Experten auch Atomkraft?

Der aktuelle Report des Weltklimarats (IPCC) ist der vierte nach den Studien von 1990, 1995 und 2001. Im ersten Bericht 1990 stellte das IPCC zwar den höchsten globalen Temperaturanstieg seit 10.000 Jahren fest, betonte aber gleichzeitig, dass der Umfang des globalen Temperaturanstiegs "im Rahmen der natürlichen Klimaschwankungen" liege. "Vor sechs Jahren wurde noch spekuliert, ob der Klimawandel mit Schwankungen bei der Sonneneinstrahlung zu tun haben könnte", sagt der Hamburger Meteorologe Jochem Marotzke, der am ersten Teil des diesjährigen Reports mitgeschrieben hat. Die aktuelle Studie lasse solche Schlüsse schlicht nicht mehr zu: Die letzten Klimawandel-Zweifler, so Marotzke, stünden inzwischen wie religiöse Fundamentalisten da, mit denen überhaupt keine Debatte möglich sei.

Auch die in Bangkok versammelten Wissenschaftler und Regierungsgesandten geben sich keinen Illusionen mehr hin: Im besten Fall könnten die Treibhausgase in der Atmosphäre bis 2030 stabilisiert werden, heißt es im einem Berichtsentwurf. Mit welchen Maßnahmen dies erreicht werden soll, ist jedoch strittig.

Als wichtigste Gegenmaßnahmen werden die Delegierten vermutlich die Abkehr von Kohlendioxid-lastigen Methoden der Energiegewinnung nennen, also die Umstellung von Kohle auf erneuerbare Energien, Gas - und auch auf Atomkraft: Im Abschlusspapier werde es wohl heißen, dass Atomkraft eine Option sein könne, sagte der Chefökonom des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, Ottmar Edenhofer. Weitere Empfehlungen dürften die Steigerung der Energieeffizienz von Gebäuden und Fahrzeugen und die Verringerung der Abholzung sein.

"Aus politischen Gründen amputiert"

Kritik entzündete sich an den etwa 30 Seiten langen Zusammenfassungen der ersten beiden Reports, über deren Wortlaut in Paris und Brüssel und jetzt auch in Bangkok tage- und nächtelang gestritten wurde beziehungsweise wird. Diese Kurzversionen seien am Ende zwar mehrheitsfähig, aber auch entschärft gewesen, war vielfach zu hören. In Brüssel waren es nach Angaben von Teilnehmern vor allem die USA, Russland, China und Saudi-Arabien, die etwa das Ausmaß der erwarteten Ausrottung von Tier- und Pflanzenarten weniger dramatisch dargestellt sehen wollten.

Mitautor Zbigniew Kundzewicz vom Potsdam-Institut klagte anschließend, der Report sei "aus politischen Gründen amputiert" worden. Zwar wurde der UN-Klimareport 2007 vielfach dafür gelobt, dass er die Ursachen und Wirkungen der globalen Erwärmung so deutlich wie kein Bericht zuvor benenne. Auch würdigten Forscher die ersten beiden Teile des Klimareports als die am besten geprüften wissenschaftlichen Berichte aller Zeiten. Für den Potsdamer Wissenschaftler Forscher Wolfgang Cramer ist diese Stärke jedoch gleichzeitig eine große Schwäche: So seien etwa in die Klimasimulationen nur die "aller-allersichersten Informationen" eingeflossen. Dagegen fehlten kleinere, aber möglicherweise hochgefährliche Risiken der Erderwärmung. "Bestimmte, sehr gefährliche Szenarien werden nicht betrachtet, zum Beispiel die Gefahr eines sehr schnellen Anstieges des Meeresspiegels", sagte der Cramer, der ebenfalls zur deutschen Delegation des UN-Gremiums gehörte.

Unterschätzt der Report die Risiken gar?

So ist es zu erklären, dass manche Forscher nun sagen, das IPCC habe bestimmte Risiken eher noch unterschätzt: Das Meereis im Nordpolarmeer etwa schmelze ungefähr drei Mal so schnell wie in den Szenarien des Weltklimarats vorhergesagt, berichteten Wissenschaftler der Universität Colorado Anfang dieser Woche. Gerade der Einfluss der Staaten auf den Weltklimarat ist manchen Kommentatoren ein Dorn im Auge. So wurde kritisiert, dass die Auswahl der beteiligten Forscher staatlichen Funktionären obliegt. Die Arbeit des IPCC sei also politisch beeinflusst.

Dieser Kritik zum Trotz bewertet der deutsche Mitautor Jochem Marotzke die internationale Zusammenarbeit positiv: Am Ende hätten viele Wissenschaftler und Regierungsvertreter zum Wohle des Klimas mit einer Stimme gesprochen - "und das macht mir Hoffnung".

AP
Matthias Armborst/AP

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