Der Klimaforscher Ottmar Edenhofer rechnet damit, dass die weltweite Durchschnittstemperatur das 1,5 Grad-Limit des Pariser Abkommens wahrscheinlich jahrzehntelang überschreiten wird. "Wir werden akzeptieren müssen, dass es ein Überschießen gibt der Temperatur für mehrere Dekaden", sagte der Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung im "Interview der Woche" des Deutschlandfunks, das am Sonntag ausgestrahlt wird. Mit Glück könnte es funktionieren, "dass wir diese Temperaturkurve wieder zurückbiegen dann etwa gegen Ende des Jahrhunderts auf 1,5 Grad".
Die internationale Staatengemeinschaft hat das 1,5-Grad-Ziel vereinbart, um die Überschreitung gefährlicher Kipppunkte mit unumkehrbaren Konsequenzen zu vermeiden und die katastrophalsten Folgen des Klimawandels abzuwenden. Dabei geht es darum, die Erwärmung global möglichst auf 1,5 Grad über vorindustriellem Niveau zu begrenzen. Schon jetzt hat sich die Erde nach Angaben des Weltklimarates IPCC um etwa 1,1 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit aufgeheizt, in Deutschland sind es sogar 1,6 Grad.
Absenken der Temperatur trotzdem möglich
Ein Absenken der Durchschnittstemperatur werde nur gelingen, "wenn wir im großen Maßstab CO2 der Atmosphäre entziehen können, also mit anderen Worten, wenn wir netto negative Emissionen erzeugen", so Edenhofer.
Anpassung an die Folgen der Klimakrise: Diese Städte sind am besten vorbereitet
Die ungarische Hauptstadt Budapest sieht die Forschungsgruppe auf diesem Feld weit vorne. Ungarn entschied vor zwei Jahren, schon 2025 aus der Kohlekraft auszusteigen. Stattdessen soll auf Atomkraft und Solarenergie gesetzt werden. Ein aufwendiges Gebäudesanierungsprogramm fördert umweltfreundlichere Häuser, durch Wärmedämmung, den Austausch von Fenstern oder die Nutzung erneuerbarer Energien. Auch soll der Autoverkehr halbiert und das Fernwärmenetz massiv ausgebaut werden. Schafft die Stadt die vorgenommene Wende, könnte das die Emissionen von ganz Ungarn um fünf Prozent reduzieren, schreibt die Friedrich-Ebert-Stiftung in einem Bericht.
Mit dem Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts von Mittwoch wurde ein 60 Milliarden Euro großes Loch in die Finanzierung von Klimavorhaben der Bundesregierung gerissen. Die Ampel-Koalition ist laut Edenhofer gezwungen, Prioritäten zu setzen. "Sie muss also entweder die Ausgaben kürzen, bei den Ausgaben neu priorisieren und umstrukturieren, oder sie muss zu Steuererhöhungen greifen, also zum Beispiel den CO2-Preis weiter erhöhen", sagte der Klimaforscher. Es könnte nach Edenhofers Worten sein, dass Gegner des CO2-Preises nach dem Urteil ihre Position überdenken. So könnte ein Teil der Finanzierungslücke geschlossen werden.
Das Bundesverfassungsgericht hatte die Verwendung von Corona-Krediten für Klimaprojekte als verfassungswidrig bewertet.