UN-Klimabericht, Teil 3 Menschheit bleiben nur wenige Jahre

Von Thomas Langkamp
Wenn der Klimawandel erst richtig in Gang gekommen ist, kann der Mensch ihn kaum stoppen. Teil drei des Statusreports zum Erdklima legt sich auf wenige Jahre fest, die bleiben, um den Kollaps abzuwenden. Eine gigantische Herausforderung. Sie ist aber zu meistern.

Der Menschheit bleiben nur noch acht Jahre, um eine Klimakatastrophe abzuwenden. Spätestens von 2015 an muss der weltweite Treibhausgasausstoß sinken, wenn die schlimmsten Folgen der Erderwärmung verhindert werden sollen. Das geht aus dem dritten Teil des UN-Klimaberichts hervor, der am Freitag in Bangkok veröffentlicht wurde.

Der bereits veröffentlichte erste Teil des UN-Reports fasste die Ursachen für den Klimawandel zusammen und nennt als Hauptverantwortlichen uns Menschen.

Leseraufruf

Wie retten wir das Klima? Die Weltgemeinschaft kann die Klimakatastrophe noch abwenden, sagen die Klimaexperten der UN und schlagen konkrete Maßnahmen vor. Auch Umweltminister Gabriel hat Pläne für Deutschland. Sind die vernünftig? Schreiben Sie uns Ihre Meinung!

Teil drei des Berichts stützt sich ebenfalls auf die gesammelten Forschungsarbeiten der letzten sechs Jahre. Demnach hat die Menschheit viele Möglichkeiten der Erderwärmung entgegenzutreten, sich anzupassen, Energie effizienter einzusetzen und so weniger Treibhausgase zu produzieren. Doch es bleibt nicht viel Zeit. Schon in rund einem Jahrzehnt könnte die Treibhausgaskonzentration und die mit ihr steigende Lufttemperatur nicht mehr umkehrbare Folgen bedeuten.

"Wir haben nicht mehr viel Zeit zum Handeln, die Reduktionsziele für den Treibhausgasausstoß müssen ehrgeiziger sein", mahnte einer der Mitherausgeber des Reports,Olav Hohmeyer von der Universität Flensburg. "Wir müssen handeln und dürfen keine zehn Jahre mehr warten."

Die Kosten

Die Kosten für eine Eindämmung des Klimawandels halten sich nach Einschätzung des UN-Klimarats IPCC derzeit noch in Grenzen. Wenn der globale Temperaturanstieg im beherrschbaren Bereich von 2,0 bis 2,4 Grad Celsius bleiben soll, koste dies im Jahr weniger als 0,12 Prozentpunkte des weltweiten Wirtschaftswachstums, heißt es in seinem Bericht. Die Autoren des Reports halten es sogar für möglich, dass der Einsatz klimaschützender Technologien das Wachstum leicht beschleunigt. "Wir haben alle Technologien, die wir dafür brauchen, das Problem nachhaltig anzufassen", betonte Hohmeyer. "Die Handlungsmöglichkeiten sind ökonomisch preiswert."

Um den Temperaturanstieg auf den beherrschbaren Bereich zu begrenzen, muss der immer noch steigende Treibhausgasausstoß dem Report zufolge drastisch reduziert werden. Spätestens in acht Jahren dürfen die weltweiten Kohlendioxidemissionen nicht weiter ansteigen und müssten bis Mitte des Jahrhunderts um 50 bis 85 Prozent sinken - verglichen mit den Werten vom Jahr 2000.

Teil zwei des Reports, der im April veröffentlicht wurde, nennt als größte Risiken Dürren und Hitzewellen, das Abschmelzen von Grönlands Eispanzer, Überschwemmungen und die Übersäuerung der Ozeane.

Gabriels Acht-Punkte-Plan zur Senkung der deutschen Emissionen

1. Stromverbrauch: Bis 2020 soll der Stromverbrauch unter anderem durch sparsamere Geräte um elf Prozent sinken (Einsparvolumen 40 Millionen Tonnen CO2).

2. Kraftwerke: Die Kohle- und Gaskraftwerke sollen modernisiert werden (30 Millionen Tonnen CO2).

3. Alternative Energien: Der Anteil erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung soll auf mehr als 27 Prozent steigen (55 Millionen Tonnen CO2).

4. Kraft-Wärme-Kopplung: Die kombinierte Nutzung von Strom und Wärme in Kraftwerken soll auf 25 Prozent verdoppelt werden (20 Millionen Tonnen CO2).

5. Energieverbrauch: Der Verbrauch von Energie insgesamt soll durch die Sanierung von Gebäuden, wirksamere Heizungsanlagen und effizientere Herstellungsverfahren der Industrie sinken (41 Millionen Tonnen CO2).

6. Wärme: Der Anteil der Bio-Energien an der Wärmeerzeugung kann den Plänen zufolge auf 14 Prozent steigen (14 Millionen Tonnen CO2).

7. Verkehr: Die Bundesbürger sollen "effizienter" unterwegs sein. Den Anteil der Biokraftstoffe will die Bundesregierung auf 17 Prozent steigern (insgesamt 30 Millionen Tonnen CO2).

8. Andere Treibhausgase: Der Ausstoß auch anderer Treibhausgase wie Methan soll zurückgehen (40 Millionen Tonnen CO2).

Was getan werden kann

Um das zu verhindern, haben die Klimaforscher und Autoren des UN-Klimaberichts unterschiedlichste Vorschläge. Einer der Autoren ist Ottmar Edenhofer, Chefökonom am Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung (PIK).

Den Ausbau der Atomkraft hält Edenhofer für "volkswirtschaftlich unsinnig, weil es ökonomisch zumindest gleichwertige Alternativen gibt", sagte er der "Frankfurter Rundschau". Selbst weitere mehrere hundert Reaktoren könnten nur einen bescheidenen Beitrag liefern. Da investiere man besser in die drei Hauptstrategien Energieeffizienz, erneuerbare Energien und kohlendioxidarme Kohle- und Gaskraftwerke. Auf der UN-Klimakonferenz erwartet Edenhofer heftige Debatten um das Thema und für den Report eine Formulierung wie:

"Atomkraft kann eine Option sein, aber wichtiger sind die genannten drei Haupt-Energiestrategien."

Er rät außerdem, den Handel mit Luftverschmutzungsrechten auszuweiten - insbesondere auf die USA, für die 2008 nach Neuwahlen ein Wechsel in der Klimapolitik erhofft wird - und auf die stark wachsenden Entwicklungsländer wie Indien und China. Edenhofer erwartet von den Politikern, dass sie einen effizienteren Umgang mit Energie attraktiv machen und ökologische Technologien fördern. Als Vorbild gelten hier die seit Jahren gut funktionierenden japanischen Gesetze: Baut dort ein Unternehmen ein Elektrogerät, das sparsamer ist als alle anderen am Markt, wird sein Stromverbrauch nach wenigen Jahren zur Messlatte für die Geräte anderer Hersteller. Wer die Messlatte reißt, zahlt Strafe. Der UN-Bericht weist gleichermaßen auf notwendige Änderungen im Verhalten der Konsumenten hin. Von der Ernährung bis hin zur Wahl der Urlaubsziele und Verkehrsmittel sind zigfach Möglichkeiten zum Handeln gegeben.

Zentrale Aussagen des UN-Klimareports

Der vierte Report des UN-Klimarats IPCC teilt sich in drei Abschnitte: Teil 1 beleuchtet das Ausmaß des Klimawandels und stellt die Verantwortung des Menschen für die globale Erwärmung so deutlich heraus wie nie zuvor, Teil 2 betrachtet die Folgen und Teil 3 den verbleibenden Handlungsspielraum des Menschen.

Zentrale Aussagen von Teil 1, der am 2. Februar in Paris präsentiert wurde:

- Der Kohlendioxid-Gehalt der Atmosphäre ist seit 1750 um mehr als ein Drittel gestiegen. Die Temperatur stieg seit Mitte des 19. Jahrhunderts weltweit um 0,74 Grad Celsius. Die Arktis hat sich doppelt so stark erwärmt wie das globale Mittel. - Elf der vergangenen zwölf Jahre finden sich unter den zwölf wärmsten seit dem Beginn der Aufzeichnungen um 1850. - Der Meeresspiegel ist im 20. Jahrhundert um 17 Zentimeter gestiegen. Die schneebedeckte Fläche hat seit 1980 um etwa 5 Prozent abgenommen. - Es gibt zahlreiche Hinweise darauf, dass die Intensität tropischer Stürme im Nordatlantik zugenommen hat. - Die Durchschnittstemperatur der Jahre 2090 bis 2099 wird je nach Szenarium um 1,1 bis 6,4 Grad höher liegen als im Durchschnitt der Jahre 1980 bis 1999.

Zentrale Punkte von Teil 2, der am 6. April in Brüssel vorgestellt wurde:

- Rund 20 bis 30 Prozent aller Tier und Pflanzenarten könnten aussterben, wenn die weltweite Durchschnittstemperatur um mehr als 1,5 bis 2,5 Grad Celsius steigt. - Überschwemmungen durch den steigenden Meeresspiegel bedrohen bis zum Jahr 2080 voraussichtlich viele Millionen Menschen zusätzlich. - Häufigere und heftigere Wetterextreme werden in den betroffenen Gebieten zu steigenden ökonomischen und sozialen Kosten führen. - Die erwarteten Klimaänderungen werden wahrscheinlich die Gesundheit von Millionen von Menschen betreffen. Hauptfaktoren sind dabei eine Zunahme von Mangelernährung und Folgekrankheiten; zunehmende Todesfälle, Krankheiten und Verletzungen durch Hitzewellen, Überschwemmungen, Stürme, Brände und Dürren. - In moderaten Klimazonen könnten die Klimaänderungen auch einige Gesundheitsvorteile bringen, etwa weniger Kältetote. Insgesamt werden jedoch die Vorteile durch die nachteiligen Gesundheitsfolgen der steigenden Temperaturen aufgehoben.

Wie viel Spielraum noch bleibt

Aber es sind weitaus größere Anstrengungen notwendig, um die kritische Schwelle der Erderwärmung von 2 Grad Celsius einzuhalten. Der wegweisende Bericht "Avoiding Dangerous Climate Change" (2006) nennt konkrete Grenzwerte, die auch in den UN-Bericht eingeflossen sind. Das Buch entstand unter der Federführung von Hans Joachim Schellnhuber, Direktor des PIK und Chef-Klimaberater von Kanzlerin Angela Merkel. Die Autoren stellen darin fest: Die Konzentration von Kohlendioxid (CO2) in der Atmosphäre darf die Grenze von 0,5 Promille auf keinen Fall übersteigen. Je nach Studie liegt der Grenzwert auch schon mal bei 0,4 Promille, doch schon in gut fünf Jahren wird dieser Wert erreicht.

Bei der jährlichen Zuwachsrate von 0,0025 Promillepunkten (2,5 ppm) - Tendenz steigend - würde die optimistischere Grenze von 0,5 Promille im Jahr 2030 überschritten. Stiege der CO2-Ausstoß jedoch nur noch bis 2020 an und sänke anschließend jährlich um 3 ppm, dann könnte die Grenze unterschritten werden. Die Autoren rechnen darüber hinaus vor, welche Technologien bis zum Jahr 2100 die größten CO2-Einsparer sind.

Die sechs besten Klimaretter

MaßnahmenEinsparpotenzial in Gigatonnen CO2-Äquivalenten bis zum Jahr 2100
Stärkere Nutzung erneuerbarer Energiequellen wie Sonne, Wind, Wasser, Biomasse und Erdwärme1500
2.    Energieeffizienz von Haushalten, Industrie, Verkehr und Elektrogeräten verbessern1200
3.    CO2 aus Luft und Abgasen filtern und speichern1100
4.    Atomenergie voll ausnutzen600
5.    Außer dem Klimakiller CO2 weitere schädliche Treibhausgase einsparen (z. B. Methan bei Viehhaltung und Reisproduktion)550
6.    CO2 über pflanzliches Wachstum einfangen450
7. Umstieg von Kohle auf Gas200

Beim Atomstrom scheiden sich jedoch die Geister. Ein Blockheizkraftwerk auf Erdgas-Basis könne "locker mit der CO2-Bilanz von Atomstrom mithalten", sagte Umweltminister Sigmar Gabriel in Bezug auf die jüngsten Studie seines Ministeriums vom 24. April. Denn bei der Urangewinnung wird viel Treibhausgas freigesetzt, weit mehr als beispielsweise bei der Produktion von Windkraftwerken.

"Bei ideologiefreier Betrachtung ist Atomenergie auch bei weitem nicht die preisgünstigste Art, Strom zu erzeugen. Es ist Zeit, mit der Legende, Atomstrom wäre billig und CO2 frei, aufzuräumen", fasste Bundesumweltminister Gabriel die Ergebnisse der Studie zusammen.

Ebenso umstritten ist der Punkt des künstlich beschleunigten Algenwachstums in den Ozeanen. Algen atmen CO2 und könnten auf den Meeresboden absinken, doch nach neuesten Erkenntnissen ist die erforderliche Düngung der Algen mit Eisen wenig wirksam. Das berichten französischer Forscher in der jüngsten Ausgabe des Wissenschaftsmagazin Science. Wichtiger ist da schon die Züchtung von Reissorten, die wachsen können, ohne im Wasser zu stehen und so weniger von dem Faulgas Methan produzieren.

Energiesparen ist eine der Hauptmaßnahmen

An dritter Stelle steht die Verbesserung der Energieeffizienz von Autos, Flugzeugen und Schiffen und besonders vom größten Energieverbraucher - den Haushalten. Sie kann schnell gesteigert werden, indem strengere Vorschriften beim Wohnungsneubau greifen und Altbauten nachisoliert werden. Und das Teils kostenlos. Denn beim so genannten "Einsparcontracting" sanieren Privatunternehmen auf eigene Kosten öffentliche Gebäude. Bezahlt werden sie später mit den Ersparnissen bei den Energiekosten. In Berlin senkten so bereits 1300 Gebäude ihre Heizkosten um bis zu 50 Prozent. Ein Beispiel im Haushalt ist der Gasherd. Gegenüber dem Elektroherd produziert er nur ein Drittel der CO2-Menge und spart gleichzeitig bares Geld. Denn Strom ist dreimal teurer als Gas.

Rang 2 auf der Klimaretterliste nehmen unterirdische Gasspeicher ein. Leergepumpte Erdgasfelder könnten mit CO2 vollgepumpt werden. Strittig ist, ob überall genügend große Speicher vorhanden sind und wie das CO2 eingefangen werden soll. Gerade läuft ein erstes Pilotprojekt an, ein Kohlekraftwerk, dass an Stelle eines Schornsteins eine Pumpe hat, die seine Abgase in ein leeres Erdgasfeld pumpt. Das verringert die Effizienz des Kraftwerks von 43 auf 35 Prozent.

Klarer Sieger unter den Klimarettern sind die Technologien für erneuerbare Energien. Deutschland ist hier zurecht Weltmarktführer.

Die Politik reagiert

Zwar räumt der UN-Bericht den Menschen noch ein Jahrzehnt Zeit zum Handeln ein, doch berücksichtigt man die langen Entscheidungswege von Politik und Rechtsprechung, gibt es keinen Tag, an dem man zu früh handeln würde. Umweltminister Sigmar Gabriel stellte am 26. April entsprechend einen Acht-Punkte-Plan vor. Darin enthalten sind Maßnahmen im Wert von drei Milliarden Euro.

1990 verursachte Deutschland noch 1,08 Millionen Tonnen Treibhausgas-Ausstoß. Bis heute sank dieser Wert um knapp 18 Prozent. Bis 2020 will der Umweltminister eine Reduktion um 40 Prozent erreichen - und zwar ohne Atomkraft, sagte Gabriel. Erreicht werden soll das hehre Ziel über Stromsparmaßnahmen, Biokraftstoffe, die Förderung von Gebäudeisolierung und Kraft-Wärme-Kopplung und den Bau solarthermischer Kraftwerke in Nord-Afrika:

"Die Idee ist bahnbrechend: In 20 bis 30 Jahren können wir einen Teil unserer Energie mit solarthermischen Kraftwerken produzieren. Das ist bereits heute technisch machbar", sagt Gabriel in Bezug auf eine aktuelle Studie des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR).

Ein groß angelegter Bau solarthermischer Kraftwerke würde laut DLR auf lange Sicht Strom so günstig wie aus Erdgaskraftwerken ermöglichen. Mittels Hochspannungsleitungen könnte der Strom ab dem Jahr 2020 mit nur drei Prozent Übertragungsverlust je 1.000 Kilometer bis Europa geleitet werden. In Kombination mit den übrigen Klimarettern soll Europa bis 2050 so 70 Prozent CO2 einsparen können - und das bei langfristig sinkenden Stromkosten. Das muss jetzt nur noch gemacht werden.

"Nur durch den verantwortungsbewussten Umgang mit Ressourcen und nachhaltiges Wirtschaften wird eine erfolgreiche Zukunft möglich sein - für die Unternehmen ebenso wie für die gesamte Welt. Daher ist Klimaschutz keine Option, für die man sich entscheiden kann oder auch nicht, sonder ein zwingendes Gebot", erkannte sogar Takuji Yamada, Präsident von Honda Motor Europe North.

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