Die Energiewende scheint möglich, das behauptet zumindest der Weltklimarat mit seinem 900-seitigen Bericht "Special Report on Renewable Energy Sources and Climate Change Mitigation" (SRREN), der heute in Abu Dhabi verabschiedet wurde. Darin fassen 120 Forscher den aktuellen Stand der Literatur zusammen und untersuchten 164 Zukunftsszenarien auf Basis verschiedener wirtschaftlicher oder politischer Ausgangsdaten. Vier beispielhafte Szenarien wurden genauer analysiert - und lassen auf eine positive Energiepolitik hoffen.
Fossile Gegenwart, grüne Zukunft?
Die fossilen Rohstoffe Kohle, Öl und Gas stellten laut IPCC nach neuesten Daten von 2008 rund 85 Prozent der genutzten Energie bereit, die Atomkraft lag bei 2 Prozent. Demgegenüber stehen gerade einmal 13 Prozent aus erneuerbaren Energien, wovon knapp die Hälfte (6 Prozent) auf Holz- und Dungverbrennung entfällt. Wasserkraft (2,3 Prozent), Windkraft (0,2 Prozent), Solarenergie und Erdwärme (jeweils 0,1 Prozent) sowie Meeresenergie (0,002 Prozent) bilden die Schlusslichter im internationalen Energieranking.
Erneuerbare Energien verzeichnen aber zunehmend höhere Zuwachsraten und werden immer günstiger. Auf einem guten Weg ist die Windenergie: In einigen Regionen ist sie bereits auf einem ähnlichen Preisniveau wie die herkömmliche Stromversorgung angekommen. Im Jahr 2050 könnte sie bis zu 20 Prozent des Strombedarfs decken. Dennoch wird die Menschheit auch in 40 Jahren auf fossile Brennstoffe zurückgreifen müssen. Um diesen Anteil möglichst klein zu halten, muss die Unterstützung durch Politik und Wirtschaft zunehmen.
Hohe Investitionen nötig
Vor allem die Kosten könnten zum Problem werden: In den vier betrachteten Szenarien gingen die Forscher für den Zeitraum 2011 bis 2020 von Gesamtausgaben in Höhe von 1360 bis 5100 Milliarden US-Dollar (949 bis 3562 Mrd. Euro) aus. Noch teurer soll es im nächsten Jahrzehnt mit Investitionen von 1490 bis 7180 Milliarden US-Dollar (1041 bis 5014 Mrd. Euro) werden. Laut IPCC werden die Kosten für die erneuerbaren Energien jedoch nicht höher sein als ein Prozent des weltweiten Bruttosozialproduktes. Weiterhin werden künftige Gewinne der erneuerbaren Energien oftmals zu wenig in die Kalkulationen mit einbezogen und Effekte wie Erderwärmung und starke Gesundheitsschädigungen nur unzureichend betrachtet.
"Der Report zeigt, dass es wissenschaftlich keine Probleme gibt, die Welt mit alternativen Energien zu versorgen", sagte Mitautor Sven Teske von Greenpeace International. "Technisch könnten die 560 Gigatonnen (Milliarden Tonnen) Kohlendioxid mit Erneuerbaren Energien eingespart werden, die wir brauchen, um die Erderwärmung auf zwei Grad zu begrenzen", sagte er mit Blick auf den Jahresausstoß 2050. Eine weitere Forderung zum Klimaschutz ist die Eindämmung der Waldzerstörung, die rund 20 Prozent zum CO2-Ausstoß beiträgt. Derzeit übersteigt die Konzentration an Treibhausgasen in der Luft 390 ppm (Teile pro Millionen Teile) und ist damit um 39 Prozent höher als zu Beginn der Industrialisierung.
Harte Verhandlungen
"Der Weltklimarat hat hervorragende Arbeit geleistet, beides herauszustellen: die großen Herausforderungen und die noch viel größeren Chancen und Gewinne für alle Nationen durch Erneuerbare Energien", sagte Stephan Singer von der Umweltstiftung WWF. Der Weltklimarat zeige die mögliche Kostenreduktion der Erneuerbaren ebenso auf wie die Möglichkeit für neue Jobs. "Der Report ist ein Meilenstein auf dem Weg zu 100 Prozent Erneuerbare Energien."
Dieser Meilenstein wurde hart erkämpft: Vertreter aus über 100 Ländern debattierten über jeden Satz der 30-seitigen Zusammenfassung des Berichts. Besonders Brasilien sowie die Ölstaaten Saudi Arabien und Katar verzögerten die Verhandlungen immer wieder und versuchten die Kernaussagen des Berichts für Politiker zu verwässern. Dass der Report gerade in der Hauptstadt der Vereinigten Arabischen Emirate verabschiedet wurde, ist kein Zufall. Der Staat strenge sich sehr an, seinen Energiemix zu verändern, und sei dabei, eines der führenden Länder im Bereich saubere Energie zu werden, sagte der Politische Direktor der Emirates Wildlife Society, Tanzeed Alam. Zudem hat die Internationalen Agentur für Erneuerbare Energien (IRENA) ihren Sitz in dem Wüstenstaat. Ein weiterer Schritt in Richtung grüner Zukunft ist das Bauprojekt der Ökostadt Masdar unweit von Abu Dhabi. Die Stadt soll ein Brutkasten für alternative Energietechnik werden und eine klimaneutrale Bilanz aufweisen. Auch Siemens ist an ihrem Bau beteiligt.