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Dürren, Starkregen, Hitze, kürzere Winter, Überschwemmungen: Die Liste der Klimakatastrophen-Szenarien ist bekannt. Nicht zuletzt, weil auch Europa zunehmend von solchen Extremwetterereignissen heimgesucht wird. Dabei bemühen sich Klimaforscher und Politiker weltweit darum, das Schlimmste abzuwenden.
Laut dem 2015 vereinbarten Pariser Klimaabkommen soll das 1,5 Grad-Ziel das Klimaproblem lösen. Staaten weltweit haben sich darauf geeinigt, dass die globale Temperatur bis 2050 maximal um 1,5 Grad steigen soll – vergleichen mit der Durchschnittstemperatur vor der Industrialisierung. Doch genau dieses Ziel ist nach Einschätzung von Hamburger Wissenschaftlern unrealistisch. Warum das so ist und was das für die Welt bedeutet:
Warum 1,5 Grad?
Die EU hatte 1996 ein 2 Grad-Ziel vorgeschlagen, 2009 wurde es im Abschluss der UN-Klimakonferenz in Kopenhagen aufgegriffen. Allerdings war das Ziel unverbindlich. 2015 einigten sich Staaten weltweit darauf, die globale Temperatur im Vergleich zu der Durchschnittstemperatur aus den Jahren 1850 bis 1900, bis 2100 um maximal 1,5 Grad steigen zu lassen. Festgeschrieben wurde das Ziel im Pariser Klimaabkommen. Die Zahl wurde vom Weltklimarat (IPCC) berechnet.
Wie realistisch ist das Ziel?
Bisher ist die globale Durchschnittstemperatur um 1,1 Grad gestiegen. Das bedeutet, dass die Temperatur nur noch um 0,4 Grad steigen darf. Im aktuellen IPCC-Bericht sind die Klimawissenschaftler noch optimistisch, dass dieses Ziel bis 2100 eingehalten werden kann. Doch schon in den Vorjahren haben Forscher Zweifel daran geäußert.
Laut dem Klima-Update der UN-Weltwetterorganisation (WMO) wird die 1,5 Grad-Marke mit 50-prozentiger Wahrscheinlichkeit schon 2026 überschritten. Das bedeutet nicht, dass die Temperaturgrenze dauerhaft gerissen wird, aber es kann häufiger vorkommen. Seit 2015 veröffentlicht die WMO diese Prognosen jedes Jahr. Damals galt es bereits als wahrscheinlich, dass die 1,5 Grad-Marke 2025 überschritten wird. Die Wahrscheinlichkeit stieg mit jedem weiteren Bericht.
Was sagt die aktuelle Studie dazu?
Die Hamburger Forscher geben den WMO-Prognosen recht. Das Verhalten von Konsumenten und Unternehmen bremse den weltweit dringend notwendigen Klimaschutz. Die Reduktion von Kohlestoffdioxid-Emissionen "verläuft einfach zu langsam", erklärte die Leiterin des Exzellenzclusters "Klima, Klimawandel und Gesellschaft" (Cliccs), Anita Engels. Dass das 1,5 Grad-Ziel eingehalten wird, halten die Forscher deshalb für unrealistisch.
Was müsste sich ändern?
Um die Erderwärmung einzudämmen, wäre nach Einschätzung der Forscher ein sozialer Wandel nötig. "Verfehlen wir die Klimaziele, wird es umso wichtiger, sich an die Folgen anzupassen", betonte Engels. Dennoch müssten die Bemühungen um Klimaschutz weitergehen. Jedes halbe Grad globaler Klimaerwärmung sei wahrnehmbar, warnte der Direktor des Max-Planck-Instituts für Meteorologie, Jochen Marotzke.
Sofortiger Emissionsstopp: Retten wir damit das Klima?
Die Entwicklung der globalen Temperatur hängt nach Einschätzung des Forschers nicht nur von den Emissionen, sondern auch von der Reaktion des Klimas ab. Das Klima ist ein träges System. Veränderungen machen sich meist es Jahre oder gar Jahrzehnte später bemerkbar. Deutlich wird das an den Extremwetterereignissen: Obwohl die CO2-Emissionen schon seit der Industrialisierung steigen, machen sich Extremwetterereignisse durch den Klimawandel etwa in Europa erst deutlich seit einigen Jahren bemerkbar.
1,5 Grad-Ziel verfehlt, und nun?
Insgesamt gilt: Je geringer der Temperaturanstieg, desto geringer die Risiken für Ökosysteme und Menschen. Schon jetzt ist klar, dass sich Extremwetterereignisse wie Dürren, Hitze, Starkregen, Überschwemmungen und kürzere Winter künftig häufen werden. Selbst wenn der CO2-Ausstoß sofort gestoppt würde, würde es Jahre dauern, bis sich das Weltklima wieder normalisiert. Wie stark die negativen Folgen ausfallen, hängt auch davon ab, wie sich die Temperatur künftig entwickelt:
1,5 Grad:
- mehr Hitzeperioden und Unwetter
- Meeresspiegel steigt deutlich an (aber weniger als einen halben Meter bis Ende des Jahrhunderts)
- Bewohner einiger Inselstaaten müssten umgesiedelt werden
- Deichschutz verbessern
2 Grad:
- Meeresspiegel steigt bis 2100 bei um weniger als einen halben Meter an
- weltweit mehr Wetterextreme
- Destabilisierung der Westantarktis
- Arktis im Sommer eisfrei
3 bis 4 Grad:
- Meeresspiegelanstieg bis 2100 um mehr als einen halben Meter
- eine Milliarde Menschen dürfte von Überflutungen in Küstenregionen betroffen sein – auch in Metropolen wie Hamburg oder New York
- Schäden wirtschaftlich kaum noch abzusichern
mehr als 4 Grad:
- Meeresspiegelanstieg bis Ende des Jahrhunderts um fast einen Meter
- flache Inselstaaten könnten weitestgehend verschwinden
- Küstenregionen überflutet
- Amazonas könnte wegen Dürre und Hitze verschwinden
- Sahelzone entwickelt sich zur Wüste
- Permafrostböden tauen auf
- weiterer Temperaturanstieg durch Methanemissionen
- schwindende Eisschilde an den Polen
Gibt es Lösungen?
Klimaforscher und Wissenschaftler des IPCC-Berichts plädieren für sogenannte Klimaanpassungsmaßnahmen. Zum einen bedeutet das, dass sich Länder auf weitere Extremwetterereignisse einstellen und Maßnahmen ergreifen müssen, um größere Schäden zu verhindern. Sowohl auf EU- als auch auf Staatenebene liegen solche Maßnahmenkataloge vor. Darin stehen Vorschläge wie der Ausbau des Küstenschutzes, Städte stärker zu begrünen, weniger Boden zu asphaltieren. Doch je nachdem, wie sich das Klima in den kommenden Jahren entwickelt, stößt auch die "Klimaresilienz" an ihre Grenzen, sagen Klimaforscher. Einige Regionen könnten etwa unbewohnbar werden, wenn sich die globale Temperatur etwa um 2 Grad erhöht.
Quellen: Max-Planck-Gesellschaft, WWF, Umweltbundesamt, CLICCS, UN-Weltwetterorganisation, "Süddeutsche Zeitung", "Welt", mit Material von DPA.