Was haben der Klimawandel und die Corona-Pandemie gemeinsam? Auf den ersten Blick: nichts. Das Klima verändert sich seit Beginn der Erdgeschichte, dank des Menschen in jüngster Zeit jedoch um ein Vielfaches schneller. Beim Corona-Virus handelt es sich um einen Erreger, der – laut der derzeit wahrscheinlichsten Theorie – jüngst vom Tier auf den Menschen übergesprungen ist und diese Spezies ebenso bedroht. Halt nur im Zeitraffer. Dementsprechend verlief auch die Lernkurve. Corona wird nicht mehr verschwinden, wir müssen mit dem Virus leben (lernen), lautete die Erkenntnis.
Beim Klimawandel ist das nicht ganz so einfach. Die Erderwärmung verläuft sehr viel langsamer und ist von verschiedenen Faktoren abhängig. Während sich das Virus innerhalb von wenigen Monaten über den ganzen Erdball ausbreitete, begann der menschengemachte Klimawandel bereits im 18. Jahrhundert (oder mit der Sesshaftigkeit des Menschen – Klimaforscher sind sich teilweise uneinig). Bis die Folgen auch im globalen Norden spürbar wurden, vergingen mehr als zwei Jahrhunderte.
Mindestens genauso lange dauerte es, bis die Staatengemeinschaft begriff, dass man etwas gegen den Klimawandel unternehmen müsse. Ende der 1980er-Jahre versetzten die Deutsche Physikalische Gesellschaft und die Deutsche Meteorologische Gesellschaft die Bundesrepublik mit einer vernichtenden Prognose in Alarmbereitschaft. Weltweit rüttelte der erste Bericht des Weltklimarates (IPCC) von 1990 auf.
USA feiern Klimapaket, das viel zu spät kommt
Mehr als 30 Jahre, sechs Klimaberichte und zahlreiche Umweltkatatstrophen später hinkt die Klima-Lernkurve noch immer der vom Coronavirus hinterher. Wenn man so will, dann befindet sich die Weltgemeinschaft noch in der ersten Bekämpfungsphase. Den Klimawandel können wir noch stoppen, lautet das Motto. Hierfür einigten sich 55 Staaten 2016 in Paris darauf, die Erderwärmung auf ein Minimum zu reduzieren. Mit dem 1,5 Grad-Ziel sollten die schlimmsten Katatstrophen verhindert werden. Dafür nötig ist auch eine Dekarbonisierung unseres Planeten, sprich: Wir müssen unseren CO2-Ausstoß reduzieren. Ist das gelungen?
Laut Statistischem Bundesamt sanken die Emissionen in der EU von 1990 bis 2020 um 32 Prozent. Deutschland, das EU-weit für den größten Teil der Treibhausgase verantwortlich ist, konnte das überbieten. 41 Prozent sparte die Bundesrepublik in den letzten 30 Jahren ein. Der Effekt bleibt allerdings marginal, wenn der Ausstoß weltweit weiter steigt. Angesichts der ernsten Lage gibt es zudem noch Schlupflöcher, die die Bekämpfung des Klimawandels bremsen. Eines davon ist die Energiecharta, ein Relikt aus den 90ern zum Schutz von Energieunternehmen. In der Vergangenheit haben Firmen so klimafreundliche Projekte boykottiert, weil sie sich im Wettbewerb benachteiligt fühlten. Derartiges haben auch die Autoren des jüngsten Klimaberichts kritisiert. Dass der Klimaschutz so schleppend vorangehe, liege zum einen an den Ressourcen, zum anderen am fehlenden politischen Willen.
Die Vereinigten Staaten sind hierfür mit das beste Beispiel. Unter Ex-Präsident Donald Trump wurden die in Paris vereinbarten Klimaziele höchstens mit Kritik bedacht. Jetzt hat der Senat unter der Federführung Joe Bidens ein "historisches Klimapaket" verabschiedet, das auch von der "New York Times" gelobt wurde. Das Maßnahmenpaket trumpft vor allem mit den unfassbaren Summen, die die Biden-Regierung für den Klimaschutz bereitstellen will. Inhaltlich hinterlässt das Ganze aber wenig Eindruck. Nicht zuletzt deshalb, weil die hiesigen Wirtschafts- und Umweltpolitiker schon seit Jahren über den Ausbau erneuerbarer Energien streiten und referieren.
Rekordbrände, verheerende Überschwemmungen, gewaltige Stürme: Das waren die Wetterextreme 2021

Mit 400 Milliarden Dollar will Biden jetzt die E-Mobilität in seinem Land fördern. Zudem sollen fossile Energien zurückgedrängt und höhere Steuern für ihre Förderung erhoben werden. Die Einnahmen sollen den Erneuerbaren zugute kommen. Damit sind die guten Nachrichten des Klimapakets mehr oder weniger abgehakt. Ob sich die Investition in E-Mobilität lohnt, ist fraglich, denn die Produktion und Entsorgung der Batterien ist weder klimaschonend, noch abschließend geklärt. Problematisch ist auch die Tatsache, dass die Vereinigten Staaten von ihrem Ziel, ihren CO2-Ausstoß bis 2030 zu halbieren, wieder abgerückt sind. Stattdessen sollen die Emissionen bis Ende des Jahrzehnts um 40 Prozent unter denen von 2005 liegen. Der Treibhausgassaustoß fiel damals mit über 5500 Milliarden Tonnen jährlich ähnlich hoch aus wie heute. Zudem sollen Unternehmen neue Pachtverträge zur Öl- und Gasförderung im Golf von Mexiko und Alaska erhalten.
Klimapakete können den Klimawandel nicht mehr aufhalten
Weltweit zählen die USA zuammen mit China zu den Ländern mit dem höchsten CO2-Ausstoß. Bidens Klimapaket ist deshalb trotz Abstrichen ein Schritt in die richtige Richtung. Bremsen wird der US-Präsident den Klimawandel und seine Folgen mit dem Milliarden-Paket bestimmt nicht mehr. Dafür sind die Folgen des Klimawandels schon zu gravierend.
Seit den 70er--Jahren hat sich die Zahl der Umweltkatastrophen verfünffacht. Das hat die Wetterorganisation "(WMO) in Genf herausgefunden. Dass sie mit dem Klimawandel zusammenhängen, zeigt unter anderem eine Analyse von 500 Extremwetterereignissen und dazugehörigen Studien, die Journalisten des britischen "Guardian" zusammen mit Klimaforscherinnen ausgewertet haben. Demnach wurden rund 71 Prozent der untersuchten Wetterereignisse durch den vom Menschen verursachten Klimawandel wahrscheinlicher oder sogar verschlimmert. Deutlich wird das an den Hitzewellen. 93 Prozent hängen mit dem Klimawandel zuammen, bei Dürren sind es 68 und bei Überschwemmungen 56 Prozent. Die Folgen: Laut Studienautoren hat der Klimawandel in den letzten drei Jahrzehnten ein Drittel der Hitzetoten verursacht.
Bereits 2014 prognostizierte die Direktorin des Forschungszentrums für die Epidemiologie von Katatstrophen, Debby Guha Sapir: "Es gibt einen klaren Trend der Zunahme von wetter- und klimabedingten Katastrophen." Das liegt nach Experteneinschätzungen daran, dass immer mehr Menschen in gefährdeten Gebieten leben, insbesondere in Küsten- oder Flussregionen, wie etwa das Beispiel Ahrtal zeigt. Aber auch im trockenen Binnenland, sind die Menschen nicht vor Katatstophen gefeit. Der brennende Grunewald spricht für sich.
Aufhalten können wir den Klimawandel nicht mehr. Aber wir können uns, ähnlich wie beim Coronavirus, auf seine Folgen vorbereiten. Das bedeutet nicht, dass wir den Kampf aufgeben und alle bisherigen Maßnahmen über Bord werfen sollen. Aber die Forschung zeigt, dass es sich bei sämtlichen Paketen und Zielen lediglich um Schadensbegrenzung handeln kann. Wir müssen spätestens jetzt anerkennen, dass wir mit dem Klimawandel leben müssen. Zeit für Phase Zwei der Bekämpfung.
Wir müssen uns an den Klimawandel anpassen
Einen Vorreiter gibt es bereits. In Neuseeland hat die Regierung einen Anpassungsplan veröffentlicht. "Das Klima verändert sich und es wird einige Effekte geben, die wir nicht vermeiden können", sagte der neuseeländische Klimaminister James Shaw. Mit dem knapp 200-seitigen Papier können sich die Bürger über die Folgen des Klimawandels informieren. Besonders im Fokus stehen die Küstenregionen. Laut Bericht leben 675.000 Neuseeländer in überschwemmungsgefährdeten Regionen. Weitere 72.065 Anwohner leben in Gebieten, die vom steigenden Meeresspiegel betroffen sind. In dem Dokument hat die Regierung festgehalten, welche Maßnahmen sie in den kommenden sechs Jahren ergreifen möchte, um das Land klimafest zu machen. Künftige Bauvorhaben sollen etwa so geplant werden, dass Klimaveränderungen oder -katatstrophen keinen allzu großen Schaden anrichten. Hierfür müssen die Bürger über die Risiken vor Ort aufgeklärt werden. In dem Plan enthalten sind auch Richtlinien, um Umwelt und Ressourcen zu schonen.
Für die Bevölkerung sollen zudem Informationsportale rund um gefährdete Regionen und die Folgen des Klimawandels entstehen. Ähnliches gibt es auch in Deutschland. Das Bundesland Nordrhein-Westfalen hat bundesweit das erste eigenständieg Klimaanpassungsgesetz beschlossen. Laut der 15-Punkte-Offensive sollen Klimafolgen und Anpassungsmöglichkeiten regelmäßig untersucht und erarbeitet werden. Um die Klimaanpassungsstrategie umzusetzen, wird ein Beirat eingesetzt. Auch auf EU-Ebene gibt es ein ähnliches Programm.
Doch so richtig bekannt sind diese Anpassungsmaßnahmen nicht. Und auch die politische Debatte zeigt: Die Regierungen sind aktuell noch zu sehr damit beschäftigt über Lösungen für den Klimawandel zu diskutieren. Während sich die Diskussionen um erneuerbare Energien als Maßnahmen für weniger Emissionen drehen, kommt die Frage danach, wie sich die Bevölkerung selbst vor den Folgen des Klimawandels schützen kann, viel zu kurz. Flächendeckende Informationsmöglichkeiten, die auch auf die einzelnen Regionen zugeschnitten sind, fehlen. Dabei wären sie nicht nur hilfreich, um den Schaden bei möglichen Klimakatastrophen zu verhindern, sondern auch um das Bewusstsein und Wissen für und um derlei Ereignisse in der Bevölkerung zu steigern. Anzuerkennen, dass wir mit dem Klimawandel leben müssen und die Bevölkerung darauf vorbereiten, das wäre der Strategiewechsel, der sich aus Studien und Klimaereignissen der letzten Jahre ableitet.
Quellen: Umweltbundesamt, Statistisches Bundesamt, "New York Times", Die Bundesregierung, Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung, Landesregieurng NRW, Regierungswebsite Neuseeland, "The Guardian", Deutsche Welle