Die sibirischen Zwergschwäne lieben nasse Füße. Um nachts ruhig schlafen zu können, müssen sie im Feuchten stehen. "Selbst ein zugefrorener Teich ist ihnen lieber, als an Land zu übernachten", sagt Biologin Heike Köster. Doch genauso wählerisch wie mit ihrem Nachtlager sind die weißen Vögel mit ihrem Futterplatz: "Sie lieben die energiereichen Gräser auf den Flächen der Landwirte", weiß die Zwergschwanexpertin vom Michael-Otto-Institut in Bergenhusen (Kreis Schleswig-Flensburg).
Größtes Feuchtwiesengebiet Norddeutschlands
Solche Kombination von ruhigem Schlafplatz und reich gedecktem Tisch finden die großen Vögel mitten in Schleswig-Holstein: Hier geben die drei Flüsse Eider, Treene und Sorge Norddeutschlands größtem zusammenhängenden Feuchtwiesengebiet ihren Namen. Die dünn besiedelte Flusslandschaft besteht aus einem Mosaik von Äckern, Sümpfen, flachen Seen, Niederungsmooren, Schilfbeständen und Feuchtwiesen. "Die Eider-Treene-Sorge-Region (ETS) ist eins der besten Gebiete für die Vögel in Schleswig-Holstein", sagt Heike Köster.
Das haben auch die sibirischen Zwergschwäne entdeckt. Schon jetzt machen viele bei ihrer Rückkehr aus dem Winterlager einen mehrwöchigen Zwischenstopp in der ETS-Region, um Energie zu tanken für den langen Weiterflug. Im vergangenen Jahr waren es zehn Prozent des Bestandes - Tendenz steigend. Nach Schätzungen von Biologen gibt es rund 36 000 Zwergschwäne, die zum Brüten in die russische Waldtundra ziehen - eine niedrige Bestandszahl im Vergleich mit anderen Vogelarten.
Mit Schleswig-Holsteins Landwirten haben die gefährdeten Zwergschwäne keine Probleme, weiß Heike Köster. Da die Vögel das Vorjahresgras kurz halten, erwärmt sich der Boden im Frühjahr schneller. Damit beginnt auch das Wachstum der neuen Pflanzen früher. "Meist ziehen sie weiter, bevor die Flächen beginnen, wieder aufzuwachsen."
Leicht aus der Nähe zu beobachten
Doch bis in den März hinein können Vogelliebhaber das Naturspektakel noch bewundern. Dann lassen sich die Zwergschwäne auf Grünflächen mit flachen Wasserstellen in Trupps von bis zu 300 Tieren nieder. Da sie nicht sonderlich scheu sind, kann man sie leicht aus der Nähe beobachten, während ihr "Trompeten" weit über die Niederung hinweg schallt.
Der Zwergschwan ist etwas kleiner als sein bekannter Vetter, der Höckerschwan. Der auffälligste Unterschied ist sein schwarz-gelb gemusterter Schnabel: Dieser ist individuell wie ein Fingerabdruck, so dass einige Zwergschwanexperten viele Vögel "persönlich" erkennen. Mit drei Jahren sucht der Zwergschwan seine große Liebe, mit der er den Rest des Lebens verbringt.