Die Journalistin Karen Fischer, 30, und der Techniker Christian Struwe, 38, hatten viel Afghanistan-Erfahrung, die beiden jungen Journalisten kannten das Land gut. Ihr Leben rettete das nicht. Die Mitarbeiter der Deutschen Welle, die sich zum wiederholten Male in Afghanistan aufhielten, wurden in der Nacht zu Samstag im Norden des Landes kaltblütig ermordet, ihre Körper von Kugeln durchsiebt. Fischer und Struwe sind die ersten deutschen Journalisten, die nach dem Sturz der radikal-islamischen Taliban Ende 2001 in Afghanistan getötet wurden.
Die Taliban weisen jede Verantwortung für den Mord zurück, ein Raubüberfall wird aber ebenso ausgeschlossen: Unklar ist bislang, wer die Journalisten in der nordafghanischen Provinz Baghlan ermordet hat - und warum sie sterben mussten. Taliban-Sprecher Kari Jussuf Ahmadi sagte der dpa, die radikal-islamischen Rebellen würden keine Journalisten angreifen. Der Polizeichef Baghlans, Mohammad Dschalal Hashimi, wiederum sagt, die Mörder hätten das Eigentum der Opfer nicht angerührt: Die Kameras und das restliche technische Equipment seien ebenso am Tatort gefunden worden wie das Auto der beiden.
Region gilt als "problematisch"
Kaum Zweifel gibt es daran, dass das Paar trotz aller Afghanistan- Erfahrung fahrlässig handelte und Sicherheitsbedenken in den Wind schlug. Die beiden freien Mitarbeiter der Deutschen Welle waren bei einer privaten Recherche-Reise auf dem Weg nach Bamyan, jener Provinz, wo die weltberühmten Buddha-Statuen standen, bevor die Taliban sie im März 2001 in die Luft sprengten. Dort wollten Karen Fischer und Christian Struwe an einer Dokumentation arbeiten. Während Bamyan als verhältnismäßig ruhig gilt, raten Sicherheitsexperten in Baghlan - wo die beiden nahe dem Dorf Abi Tootak der Bluttat zum Opfer fielen - zur Vorsicht. Baghlan wird als "ziemlich problematisch" eingeschätzt.
Afghanische Gastfreundschaft nicht genutzt
Nicht nur übernachteten die beiden in Baghlan, sie schliefen zudem ausgerechnet in einem Zelt, der schutzlosesten aller Behausungen, und das nach Angaben der Polizei auch nur zwölf Meter von der Hauptstraße entfernt. Kein Afghane würde die Bitte Fremder um einen Schlafplatz in seinem Haus abschlagen, das ginge gegen den Ehrenkodex. Die in Afghanistan alles überragende Gastfreundschaft gebietet zudem, dass der Gast Schutz genießt. In einem Zelt freilich gilt das nicht. Karen Fischer und Christian Struwe mögen sich in falscher Sicherheit gewogen haben. Sie sollen zuvor schon einmal gemeinsam mit einem Zelt in Afghanistan unterwegs gewesen sein, entgegen allen Warnungen. Damals war nichts passiert.
Schlechte Sicherheitslage in Afghanistan
Die grausige Tat beweist erneut, wie schlecht es um die Sicherheitslage in Afghanistan steht. Der Mord geschah auf den Tag genau fünf Jahre nach Beginn des Krieges in Afghanistan, der am 7. Oktober 2001 begonnen hat - und der kein Ende finden will. Rund 500 ausländische Soldaten sind im Rahmen der Afghanistan-Einsätze ums Leben gekommen, mehr als 165 davon alleine im laufenden Jahr - das ist weit mehr als in jedem einzelnen Jahr zuvor.
Internationale Journalisten allerdings gelten am Hindukusch nicht als Ziel der Rebellen. Der letzte deutsche Journalist, der in Afghanistan getötet wurde, war ein Reporter des sterns. Er kam im November 2001 bei Kampfhandlungen ums Leben, bevor das Taliban-Regime stürzte. Danach ist kein einziger Berichterstatter aus der Bundesrepublik in Afghanistan mehr Opfer von Gewalt geworden - bis zu dem tragischen Tod von Karen Fischer und Christian Struwe.