Afghanistan Loja Dschirga in Kabul anscheinend vor Ende

Die Delegierten der Großen Ratsversammlung in Kabul haben auch am Samstag keinen Durchbruch bei der Verabschiedung einer neuen Verfassung für Afghanistan erzielt. Sie haben eine letzte Frist bis Sonntag um alle Streitpunkte zu überwinden.

Die Große Ratsversammlung (Loja Dschirga) in Kabul steht nach dreiwöchigen Beratungen anscheinend immernoch nicht vor der Verabschiedung einer neuen Verfassung für Afghanistan. Die Delegierten der Verfassungsversammlung für Afghanistan haben auch am Samstag keinen Durchbruch erzielt. Der Vorsitzende der Loja Dschirga, Sibghatullah Mudschaddedi, sprach am Nachmittag von einer "beschämenden Störung in der letzten Minute". Die Verhandlungen seien auf Sonntag vertagt worden. "Wenn wir am Sonntag nicht zum Abschluss kommen, werden wir der Welt unser Scheitern bekannt geben", sagte er weiter.

Streitpunkt ob usbekisch Amtssprache wird

Nahezu alle Konflikte seien überwunden bis auf den Streit über ein Wort. "Einige Delegierte wollen es, andere nicht. Es ist beschämend, dass wir uns nicht einigen konnten", sagte Mudschaddedi. Genaue Angaben über den Grund des Verhandlungsabbruchs machte er nicht. Nach Angaben des prominenten Delegierten Hedajatullah Hedajat scheiterten die Verhandlungen am Samstag an dem Streit, ob die Sprache der usbekischen Minderheit als eine von mehreren Amtssprachen eingeführt wird.

Vermittler schlugen Kompromiss vor

Vermittler der USA und der UN hätten vorgeschlagen, usbekisch als Amtssprache zu akzeptieren, sagte Hedajat. In einem von Mudschaddedi vorgelegten Brief hieß es jedoch, die Sprache der Minderheit solle zwar in Schulen zugelassen, nicht jedoch als offizielle Sprach anerkannt werden. Auch der afghanische Präsident Hamid Karsai will usbekisch als Amtssprache verhindern. Die Sprecherin der Loja Dschirga appellierte noch am Morgen eindringlich an die Delegierten, die Ratsversammlung am Samstag zu beenden. "Lassen Sie die Feinde nicht das Scheitern der Versammlung feiern", sagte Safia Saddiki.

Minderheitenrechte spalten Versammlung

Versammlungspräsident Mudschaddedi räumte ein, dass ein bitterer Streit über Minderheitenrechte die Loja Dschirga weiter spaltet. Der Konflikt um den Einfluss der verschiedenen Volksgruppen hatte die Loja Dschirga, die seit drei Wochen tagt, in den vergangenen Tagen fast zum Stillstand gebracht.

Karsai will starken Präsidenten

In Krisengesprächen hatten Vertreter der afghanischen Fraktionen und der UN am Freitag versucht, den tiefen Graben zu überbrücken. Karsai tritt für eine starke Rolle der Zentralregierung ein. Der Verfassungsentwurf sieht ein Präsidialsystem nach amerikanischem Vorbild vor. Zahlreiche Delegierte, vor allem Angehörige der Tadschiken, Usbeken und Hasara, fordern ein starkes Parlament und mehr Regionalisierung.

Auch doppelte Staatsbürgerschaft umstritten

Ein weiterer Streitpunkt war eine Klausel, die ranghohen Regierungsmitgliedern die doppelte Staatsbürgerschaft erlaubt. Der Delegierte Mohammed Gul Junisi forderte die betroffenen Minister auf, ihre ausländischen Pässe abzugeben. Es wird vermutet, dass Finanzminister Aschraf Ghani und Innenminister Ali Ahmad Dschalali, die beide viele Jahre in den USA lebten, noch immer ihre amerikanischen Pässe haben.

2004 sollen Parlamentswahlen kommen

Die am 14. Dezember aufgenommenen Beratungen der Loja Dschirga sind Teil des Demokratisierungsprozesses im Anschluss an den Sturz des Taliban-Regimes. In diesem Jahr sollen Parlamentswahlen angesetzt und eine dauerhafte Regierung gebildet werden.

DPA

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