Bereits 1999 verlor das Hamburger Magazin im Kosovo-Krieg zwei Mitarbeiter: Der Reporter Gabriel Grüner und der Fotograf Volker Krämer wurden damals von Unbekannten erschossen. Zweieinhalb Jahre später musste jetzt der 40-jährige freie Mitarbeiter Volker Handloik sterben, der in Afghanistan gemeinsam mit fünf Kollegen in einen Hinterhalt geraten war.
Sie haben sich vollkommen sicher gefühlt
»Der Tod von Volker Handloik macht uns alle betroffen und sprachlos«, sagte »stern«-Chefredakteur Thomas Osterkorn zu dem Zwischenfall. Sofort tauchen Fragen auf, ob die Journalisten nicht zu waghalsig gewesen seien. Die Fakten bestätigen das nicht: Die Reporter waren nach Augenzeugenberichten in einer Gruppe unterwegs und der Einladung eines Kommandeurs der Nordallianz gefolgt. Die kurz zuvor eroberten Schützengräben bei der Provinzhauptstadt Talokan sollten den Journalisten präsentiert werden. Während der Fahrt hätten sie noch miteinander gescherzt, berichtete eine französische Überlebende später. Sie hätten sich vollkommen sicher gefühlt.
Drei Reporter fielen vom Panzer. Sie überlebten den Überfall nicht
Dies erwies sich als tödlicher Irrtum. Offenbar hatten sich die Taliban doch noch nicht ergeben: Die Reporter gerieten unter Granaten- und Maschinengewehrbeschuss, drei von ihnen fielen oder sprangen vom Panzer. Sie überlebten den Überfall nicht. Wie das Auswärtige Amt berichtete, wurden Handloik sowie Johanne Sutton von Radio France Internationale und der französische RTL-Korrespondent Pierre Billaud am Montagmorgen von einer französischen Hilfsorganisation gefunden und später identifiziert.
»Volker Handloik war ein sehr erfahrener Reporter«
Es fällt schwer, Handloik und den anderen ernsthaft eine waghalsige Kamikaze-Aktion vorzuwerfen. Dagegen spricht auch die Biografie des aus Rostock stammenden Reporters. Der nach »langjährige und erfahrene Journalist« arbeitete seit mehr als zehn Jahren unter anderem für »stern«, »Geo«, »Spiegel Reporter«, »Focus« und andere Medien, oft aus der ehemaligen Sowjetunion und aus Südamerika. »Volker Handloik war ein sehr erfahrener Reporter, der bereits aus vielen Krisengebieten berichtet hat«, betonte »stern«-Sprecher Frank Plümer.
Viele unerfahrene Reporter wollen sich einen guten Namen machen
Der Tod von Journalisten in Krisengebieten ist fast schon trauriger Alltag. Allein im Jahr 2000 sind nach Angaben der Organisation Reporter ohne Grenzen 32 Journalisten in Ausübung ihres Berufes getötet worden. Das International Press Institute zählte gar 56 getötete Journalisten und Medienarbeiter und für das Jahr 2001 bislang schon 44 Todesfälle. Unter ihnen waren oft genug junge und unerfahrene Reporter, die sich mit einer guten Story einen Namen machen wollten. Der Vorwurf, einige Redaktionen forderten von ihren Mitarbeitern zu hohe Risiken, liegt da nahe.
Handloik ist kein unnötiges Risíko eingegangen
Dabei musste der »stern« sich fragen lassen, warum es bereits zum zweiten Mal in einem so kurzen Zeitraum die eigenen Mitarbeiter getroffen hat. »Das war ein tragischer Unglücksfall«, erklärte Plümer. Es sei zwar von Hamburg aus schwer einzuschätzen, aber nach ersten Erkenntnissen sei Handloik kein unnötiges Risiko eingegangen.
Nach dem Tod der beiden Kollegen auf dem Balkan habe man sämtliche Mitarbeiter eindringlich darauf hingewiesen, dass die »Unversehrtheit im Zweifel immer Vorrang vor der Nachricht« hat. Nach Angaben Plümers steht das »teilweise sogar in den Arbeitsverträgen«.
»Nicht auf abenteuerliche Frontnachrichten angewiesen«
Im übrigen sei der »stern« als Wochenmagazin gar nicht so sehr auf abenteuerliche Frontnachrichten angewiesen. »Was wir brauchen, sind Analysen und kompetente Einordnung des Wochengeschehens.« Dafür müsse eigentlich kaum ein Risiko eingegangen werden. »Wir sagen den Reportern immer wieder: ?Ihr müsst da nicht reingehen, wenn es zu riskant aussieht?«, erklärte der »stern«-Sprecher.