Alaska High-Tech-Überwachung in Fischerdorf

Das abgelegene 2400-Seelen-Dorf Dillingham gehört seit kurzem zu den am besten überwachten Orten der USA. 80 Kameras dienen der potenziellen Terrorüberwachung und bringen alteingesessene Fischer zur Rage.

Nur zwei Wege - über das Wasser oder die Luft - führen nach Dillingham, einem Fischerdorf an der Westküste des nördlichsten US-Staates Alaska. Neunzig Minuten ist ein Propellerflugzeug aus dem 600 Kilometer entfernten Anchorage unterwegs. Boote passieren nur zwischen Mai und November, im Winter ist der Hafen zugefroren. Eine Straße zur Außenwelt gibt es nicht. "Die Leute, die hier leben, wollen in Ruhe gelassen werden", meint Freeman Roberts, der vor 64 Jahren in Dillingham geboren wurde. "Doch jetzt zählen wir plötzlich zu den bestüberwachten Menschen", empört sich der Bootsführer und frühere Bürgermeister des 2400-Seelen-Dorfes. "Eine Kamera pro 30 Bewohner!"

In dem entlegenen Ort am Rande der Tundra, der unter Sportanglern als Geheimtipp für den besten Lachsfang gehandelt wird, ist ein Streit um High-Tech-Überwachung entbrannt. Seit Januar hat die Polizei mit grünem Licht vom Stadtrat 80 Kameras in Dillingham installiert. Das Geld dafür - über 200.000 Dollar - kam aus der Washingtoner Bundeskasse für den Heimatschutz aus dem Fonds für Schutzmaßnahmen gegen Terrorangriffe. 42 Linsen haben den derzeit vereisten Hafen im Visier, weitere Kameras sind am Stadthaus, an Feuerwehrgebäuden und anderen Einrichtungen angebracht. "Wir haben die Pflicht unsere Grenzen sicherer zu machen", rechtfertigt Polizeichef Richard Thompson die Anschaffung. "Wer nach Alaska hinein gelangt, der ist damit in den USA."

"An den Haaren herbeigezogen"

"Das ist so an den Haaren herbeigezogen", schimpft Roberts. "Ich habe keine Angst vor Osama bin Laden", frotzelt der Alaskaner, der nun mit Gleichgesinnten gegen die "Big Brother"-Überwachung vorgeht. Bis zu den nächsten Kommunalwahlen im Herbst sollen genügend Unterschriften für eine Petition zur Abschaffung der Kameras gesammelt werden. Roberts ist zuversichtlich, dass er die "grobe Verletzung der Privatsphäre" wieder aufheben kann. "Ich habe noch niemanden getroffen, der sich auf dem Bildschirm gefällt."

Den Vorwurf, hinter den Bewohnern von Dillingham herzuspionieren, weist Polizeichef Thompson energisch zurück. Meistens schaue eh niemand auf den Monitor in der Polizeizentrale, wo die Bilder von den verschiedenen Standorten auflaufen. Das ganze sei mehr als Abschreckung gedacht. Dabei denkt der Chef des siebenköpfigen Polizeiteams auch an Drogengeschäfte und Schlägereien, die im Sommer mit dem Zulauf von Fischern und Hafenarbeitern wieder zunehmen. Doch vor allem liegt ihm der Heimatschutz am Herzen. "Hier laufen Fischkutter aus aller Welt, aus China, Russland und Nordkorea ein", wenn die Eisschollen wieder geschmolzen sind. Dillingham liege näher an Russland als an Seattle, betont Thompson.

Kameras "Made in Germany"

Sollten unerwünschte Besucher oder Bomben über den Dillinghamer Hafen ins Land kommen, so könnten die Aufnahmen im Polizeiarchiv später den Beweis liefern, hofft er. Er verlässt sich dabei auf deutsche Technologie. Die Kameras "Made in Germany" hätten sich in dem kalten und nassen Alaska bestens bewährt, versichert der Beamte. "Die Welt hat sich verändert", lamentiert der Ordnungshüter. "Orte wie Dillingham sind nicht mehr obskure Plätze, von denen noch nie jemand gehört hat". Dazu trägt Thompson nun unfreiwillig bei. Die Kamera-Kontroverse hat den Fischerort ins Rampenlicht gerückt. "80 Augen über 2400 Menschen", lautete die Schlagzeile in der "Los Angeles Times". Und ein Kommentator in einem Internet-Tagebuch (Blog) schreibt amüsiert: "Bin Laden beim Angeln in Alaska gesichtet."

DPA
Barbara Munker/DPA