"Frankreich hat heute erklärt, dass ein möglicher Besuch des israelischen Ministerpräsidenten in Paris, für den es noch keinen Termin gibt, nur geprüft wird, wenn die geforderten Erklärungen geliefert werden", sagte eine französische Regierungssprecherin am Montagabend in Paris. In Israel stieß die Mitteilung auf Unverständnis. Französische Politiker verstärkten ihre Kritik an Scharons Aufruf.
Juden sollen Frankreich verlassen
Scharon hatte am Sonntag von "dem wildesten Anti-Semitismus" in Frankreich gesprochen. Er legte den französischen Juden nahe, das Land sofort zu verlassen und nach Israel zu ziehen. Gleichzeitig lobte Scharon ausdrücklich die Maßnahmen der französischen Regierung im Kampf gegen die Judenfeindlichkeit. Ein Sprecher Scharons verwies auf die moslemische Minderheit in Frankreich als Ursache für den Anti-Semitismus im Land. Scharon hat immer wieder Juden in aller Welt aufgefordert, nach Israel umzusiedeln. In Frankreich leben etwa 600.000 Juden und fünf Millionen Moslems.
In Frankreich sorgte Scharons Aufruf auch am Montag für heftige Kritik. Parlamentspräsident Jean-Louis Debre nannte ihn unverantwortlich. "Diese Dinge verzerren die Wirklichkeit", sagte er dem Hörfunksender Europa 1. "Und ich glaube, sie sind der Ausdruck einer feindlichen Einstellung gegenüber unserem Land." Ein Sprecher der französischen Sozialisten sagte: "Frankreich ist nicht wie Deutschland in den 1930er Jahren."
Botschafter spricht von Übeereaktion
"Ich denke, dass sie überreagieren", sagte der israelische Innenminister Avraham Poras der Nachrichtenagentur Reuters. "Wie Sie wissen, ist Israel ein zionistischer Staat. Wir raten Juden immer, nach Israel auszuwandern. Das ist also nichts Neues." Der israelische Justizminister Josef Lapid sagte, Scharon könne auch andere Länder besuchen, wenn er in Frankreich nicht willkommen sei. "Das ist allerdings schade, weil Frankreich ein schönes Land ist", fügte er hinzu.
Kerstin Gehmlich