Ein Streit um die Zerstörung eines Parks im Stadtzentrum von Istanbul hat in der Türkei eine Protestwelle ausgelöst, die inzwischen mehrere Städte erfasst hat. Zehntausende wütender Bürger marschierten am Freitagabend in der türkischen Metropole rund um den zentralen Taksim-Platz. Die Polizei setzte neben Wasserwefern und Pfeffersprays so viel Tränengas ein, dass die Luft auch in den angrenzenden Stadtteilen gasgeschwängert war. Dutzende Menschen wurden verletzt.
Einige der vorwiegend jungen Demonstranten zündeten auf dem Gelände des umstrittenen Bauprojekts, das den Platz und den Gazi-Park umfasst, Einfassungen und Container der beteiligten Baufirmen an. Die Protestierenden riefen: "Die Regierung soll zurücktreten!" Schon seit Tagen versammeln sich immer mehr Menschen auf dem Platz, um für den Erhalt des Parks zu demonstrieren.
Während der Auseinandersetzungen mit Sicherheitskräften schrien einige Demonstranten: "Ihr bringt uns um!" Mehrere Protestteilnehmer warfen Steine auf die Beamten. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International sprach von mehr als 100 Verletzten, die Behörden von zwölf Menschen, die in Krankenhäusern behandelt würden.
"Wir haben entschieden!"
Landesweit gingen in mehreren Städten der Türkei tausende Menschen auf die Straßen, um sich mit den Demonstranten in Istanbul zu solidarisieren. Der Protest richtete sich dabei ausdrücklich gegen die Polizeigewalt und gegen Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan. Dieser hatte schon am Mittwoch das Anliegen der Demonstranten brüsk zurückgewiesen: "Macht, was Ihr wollt, wir haben entschieden", sagte er unversöhnlich.
Mit dem Protest hatten die Demonstranten seit Anfang der Woche versucht zu verhindern, dass eine der letzten Grünflächen in der Istanbuler City für den Bau eines Einkaufszentrums mit Wohngebäuden zerstört werden. Tag für Tag besetzen mehr Gegner des Projekts den Park im Istanbuler Herzen. Das Bauprojekt ist aber nur der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat. Der Protest richtet sich auch gegen weitere Großprojekte der Regierung, etwa die neue Brücke über den Bosporus und einen dritten internationalen Flughafen für Istanbul.
In Oppositionskreisen - einige Parlamentarier hatten sich den Demonstranten angeschlossen - hatte sich zuletzt viel Wut über die Politik der Regierungspartei AKP angestaut, die aus Sicht ihrer Gegner immer weniger Rücksicht auf die Interessen Andersdenkender nimmt. Die US-Regierung zeigte sich am Freitag "besorgt" angesichts der Gewalt. "Der beste Weg, für Stabilität, Sicherheit und Wohlstand zu sorgen, ist, die Meinungsfreiheit zu respektieren", sagte Außenamtssprecherin Jennifer Psaki.