George W. Bushs erstes Jahr im Amt des Staatschefs der USA ist die Geschichte zweier verschiedener Präsidenten - des einen vor dem 11. September und des anderen danach. Vor den Anschlägen in New York und Washington konzentrierte sich Bush auf die Innenpolitik, verbrachte viel Zeit auf seiner Ranch in Texas und galt der demokratischen Opposition als leichtes Ziel etwaiger Angriffe. Mit dem 11. September wurde er jedoch gleichsam über Nacht zu einem Präsidenten im Krieg. Wenige Tage danach stand er mitten im verwüsteten New York und schwor Vergeltung. Bushs Popularität stieg und der 55-Jährige wirkt seither klarer und konzentrierter als zuvor.
»Wir sind jetzt eine Nation im Krieg«
»Auf eine merkwürdige Weise hatten wir zwei Präsidenten und zwei Präsidentschaften«, sagt zwar Stephen Hess von der Brookings Institution, die vier Präsidenten beraten hat. Keiner unter Bushs Beratern will jedoch von einer Veränderung des Präsidenten sprechen. Er sei der gleiche, der am 20. Januar 2001 das Amt übernommen habe, sagen sie. Nur die politische Agenda habe sich verändert. »Wir sind jetzt eine Nation im Krieg, eine Nation, die gegen eine Rezession kämpft«, sagt Bushs PR-Direktor Dan Bartlett.
Vor dem 11. September richtete sich Bushs Blick vorwiegend auf Amerika selbst. Die Krise danach und die von den USA geschmiedete internationale Allianz gegen den Terrorismus haben ihn gezwungen, sich wie sein Vater und Vorgänger George
Bush stärker mit der Außenpolitik zu befassen. Bush konnte sich während seines Wahlkampfs einmal nicht an den Namen des pakistanischen Präsidenten erinnern - heute nennt er Pervez Musharraf einen wichtigen Alliierten und spricht über innenpolitische Fragen Pakistans.
Amtsantritt von Querelen belastet
Bushs Amtsantritt war durch die Querelen um die Stimmenauszählung im US-Bundesstaat Florida belastet. Wochenlang stritten sich Bushs Republikaner mit dem demokratischen Kandidaten und damaligen Vizepräsidenten Al Gore um eine Neuauszählung der Stimmen in einigen Wahlkreisen. Das Oberste Gericht entschied letztlich zu Gunsten Bushs. Der Republikaner wurde mit den Stimmen Floridas zum Präsidenten gewählt, obwohl Gore die Mehrheit der landesweit abgegebenen Stimmen hatte. Viele Amerikaner betrachteten Bush deshalb nicht als legitimen Sieger.
Ungewöhnliche Popularität
Heute finden jedoch 80 Prozent der Amerikaner, dass er seine Arbeit gut macht. Diese ungewöhnliche Popularität muss indes nicht in einen Erfolg bei der nächsten Präsidentenwahl münden. In einer Umfrage des Fernsehsenders »Fox News« waren die Befragten darin gespalten, ob sie Bush bei der Wahl 2004 ihre Stimme geben würden. Die US-Wirtschaft steckt zurzeit in einer Rezession und es besteht die Möglichkeit, dass es Bush wie seinem Vater gehen könnte: Unter dessen Präsidentschaft hatten die USA den Golfkrieg gewonnen, die darauf folgende Präsidentenwahl 1992 hatte Bush Senior aber gegen Bill Clinton verloren - nicht zuletzt wegen der wirtschaftlichen Entwicklung der USA.