Diesmal war es keine der komplexen Kommando-Operationen, wie sie die Taliban in den vergangenen Monaten in Kabul verübt haben. Am Samstag sprengte sich ein einzelner Selbstmordattentäter in der afghanischen Hauptstadt in die Luft - und richtete ein Blutbad an. Zwölf Amerikaner, ein Kanadier und vier Afghanen starben, als der Angreifer sein mit Sprengstoff gefülltes Auto in einen Militärkonvoi steuerte. Nie zuvor töteten die Taliban bei einem Anschlag in Kabul mehr Angehörige der Schutztruppe Isaf.
Nicht nur dieser Anschlag weckt erneut Zweifel, ob Afghanistan bis Ende 2014 stabil genug für den geplanten Abzug der Nato-Kampftruppen sein wird. Im vergangenen Monat griffen die Taliban das Isaf-Hauptquartier und die US-Botschaft in Kabul an; erst nach 20 Stunden hatten Sicherheitskräfte die Lage unter Kontrolle.
Und am Wochenende gab es beunruhigende Nachrichten auch aus anderen Landesteilen. Im Osten des Landes sprengte sich erstmals seit Jahren eine Selbstmordattentäterin in die Luft. Im Süden wurden drei australische Isaf-Soldaten erschossen, auch der Angreifer starb - er war ein afghanischer Soldat. Der Vorfall stärkt nicht gerade das Vertrauen in die einheimischen Sicherheitskräfte, die bis Ende 2014 im ganzen Land die Verantwortung übernehmen sollen.
Isaf sieht Taliban-Gewalt als Zeichen der Schwäche
In der Hauptstadt Kabul tragen die Afghanen bereits seit 2008 die Verantwortung. Trotzdem riegelten ausländische Truppen am Samstag den Anschlagsort ab - und verweigerten afghanischen Sicherheitskräften zunächst den Zugang. Afghanische Armee und Polizei sind weiterhin im Aufbau, zu ihrer Qualität gibt es unterschiedliche Meinungen.
Strittig ist auch, ob sich die Sicherheitslage verbessert und damit langsam die Grundlage für den Abzug der ausländischen Soldaten geschaffen wird - oder ob sie sich wie in den vergangenen Jahren stetig verschlechtert. So verzeichnete die Nato-geführte Isaf zwischen Januar und September acht Prozent weniger "feindliche Angriffe" als im Vorjahreszeitraum. Die Isaf sieht den Trend der Vorjahre damit gebrochen. Ihr Kommandeur John Allen wertete die Gewalt vom Samstag erneut als Zeichen der Schwäche der Taliban.
Zu einem diametral entgegengesetzten Ergebnis kommen die Vereinten Nationen, die eine dramatische Verschlechterung der Lage konstatieren. Die UN-Statistik erfasst - anders als die der Isaf - nicht nur tatsächlich erfolgte Angriffe Aufständischer, sondern alle "sicherheitsrelevanten Vorfälle". Darunter sind beispielsweise auch Sprengsätze, die gelegt, aber vor der Detonation entdeckt wurden. Nach UN-Angaben nahm die Zahl der Vorfälle zwischen Januar und August im Jahresvergleich um 39 Prozent zu.
Taliban sind nicht an Gesprächen interessiert
Ein Ende der Gewalt ist nicht abzusehen. Ab dem 16. November soll in Kabul eine Loja Dschirga über eine strategische Partnerschaft mit den USA entscheiden, die die Taliban strikt ablehnen. Zweites Thema dieser Großen Ratsversammlung sind Gespräche mit den Taliban, die bislang keinerlei Erfolge zeigten und an denen die Aufständischen nicht besonders interessiert erscheinen.
Die Taliban haben angekündigt, die Loja Dschirga anzugreifen. "Für ihr Langzeit-Ziel einer dauerhaften Präsens in Afghanistan wollen die Amerikaner diese Tradition (der Loja Dschirga) ein weiteres Mal durch ihr Handlanger-Regime missbrauchen", teilten die Aufständischen mit. Teilnehmer an der Versammlung seien Verräter, die "in jeder Ecke des Landes" verfolgt und bestraft würden.