Österreicherinnen wollen zurück Das ausweglose Schicksal der Dschihad-Mädchen

Für den Dschihad reisten sie nach Syrien, doch von den dortigen Zuständen sind die Mädchen aus Österreich schockiert. Eine Rückkehr gilt als unmöglich. Sie sollen zwangsverheiratet und schwanger sein.

In österreichischen Medien werden die 17-jährige Samra und die 15-jährige Sabina als "Postergirls des Dschihad" bezeichnet. Im April verschwanden die beiden. Sie reisten nach Syrien, um die Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) zu unterstützen und "für Allah" zu sterben. Seitdem fahndet Interpol nach den Teenagerinnen aus Wien. Das Magazin "Österreich" berichtet nun, dass die beiden von der grausamen Realität vor Ort schockiert seien und nun zurückkehren wollen. Nach Recherchen des Magazins würden die beiden Mädchen täglich mit öffentlichen Auspeitschungen, Enthauptungen und Luftangriffen konfrontiert werden und dies nicht mehr verkraften.

Eine Heimkehr sei allerdings nahezu unmöglich. Beide Mädchen sollen sich in der zentralsyrischen Stadt Raqqa aufhalten und dort an tschetschenische IS-Kämpfer zwangsverheiratet worden sein. Zudem berichtet die britische "Daily Mail", dass beide Mädchen schwanger sein sollen. Würden sie es dennoch nach Österreich schaffen, müssten sie ein Verfahren wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung befürchten.

Ähnlich wie in Deutschland diskutieren österreichische Politiker über die Entziehung der Staatsbürgerschaft von Menschen, die für IS in den Dschihad ziehen. Aufgrund des Falls der beiden Mädchen soll zudem die Ausreise von gefährdeten Minderjährigen ohne Zustimmung der Eltern in Zukunft besser verhindert werden können. Bislang ist es in Österreich möglich, dass 14-Jährige selbst eine Flugreise ins Ausland buchen können.

Fall Nora - radikales Doppelleben einer 15-jährigen

Wie schwierig eine Rückkehr werden kann, zeigt der Fall der 15-jährigen Französin Nora. Seit Monaten ist sie in Syrien - in den Händen islamischer Extremisten, die das französische Mädchen für den Dschihad rekrutiert haben. Ihr Bruder Foad ist verzweifelt: Immer wieder habe seine Schwester am Telefon die Familie angefleht, sie zu retten. Im Mai habe der 37-Jährige sie dann nach monatelanger Suche endlich ausfindig gemacht. "Als ich ins Zimmer kam und sie mich sah, hörte sie gar nicht mehr auf zu weinen und klammerte sich an mich", erzählt der französische Lkw-Fahrer marokkanischer Herkunft der Nachrichtenagentur Reuters. "Als ich sie fragte, kommst Du mit zurück, fing sie an, ihren Kopf gegen eine Wand zu schlagen und zu schreien: 'Ich kann nicht, ich kann nicht, ich kann nicht'." Foad ist überzeugt, dass der französisch sprechende Befehlshaber seiner Schwester mit der Exekution gedroht hat, sollte sie gehen.

An einem Nachmittag im Januar sei Nora völlig überraschend für ihre Familie nach Syrien aufgebrochen, erzählt der Bruder. "Drei Tage später erhielten wir eine Nachricht, in der sie sagte, sie sei in Aleppo, sie sei glücklich, habe genug zu essen - so als wäre sie in Disney World." Dabei sei sie früher ein ganz normales, fleißiges Mädchen gewesen und habe sich für Disney-Filme interessiert. Aber es gab offenbar auch eine andere, bis dahin unbekannte Seite von ihr. Nora habe ein Doppelleben geführt, meint Foad. Unbemerkt von der Familie habe sie begonnen, sich dem radikalen Islam zuzuwenden. Erst nach ihrem Verschwinden habe die Familie ein zweites Handy, einen zweiten Facebook-Account und Kleidungsstücke mit islamischen Motiven entdeckt.

Auf diesem zweiten Facebook-Account seien Aufrufe für den Dschihad zu lesen und Bilder verstümmelter syrischer Kinder zu sehen gewesen, erzählt Foad weiter. Seit Mai hat er keinen Kontakt mehr zu seiner Schwester gehabt. Wo er sie getroffen hat, will Foad auf Anraten der französischen Polizei nicht sagen. Auch seinen eigenen vollen Namen will er nicht veröffentlicht sehen, um seine Familie zu schützen.

"Der Tod zählt mehr als das Leben"

Nora gehört wie die Österreichischen Mädchen Samra und Sabina zu Dutzenden europäischen Mädchen, die sich mit dem Versprechen, den Islamisten in Syrien helfen zu können, auf den Weg gemacht haben. Auch aus Deutschland sind schon Mädchen aufgebrochen. Dort angekommen, darin sind sich Experten und Angehörige einig, erfahren sie dann ihr wahres Schicksal: Zwangsheirat mit islamistischen Kämpfern, strenges Einhalten des islamischen Rechts, ein Leben unter ständiger Beobachtung und wenig Hoffnung auf Heimkehr. Nora lebt ihrem Bruder zufolge bei einem engen Berater eines Emirs und betreut Kinder von Dschihadisten. Einer Zwangsheirat habe sie entgehen können, die ein Anwerber und früheres Mitglied der radikalislamischen Al-Nusra-Front eingefädelt habe. Der Mann befinde sich jetzt in französischer Haft.

Der Dschihad-Expertin Dounia Bouzar zufolge gehen die Anwerber immer raffinierter vor. Einige der Mädchen würden per Facebook kontaktiert oder auf Dating-Seiten. Ein Trend, der auch in Deutschland bekannt ist. Im Internet werde eine Dschihad-Romantik verbreitet, sagte jüngst Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen. Sie werde von Frauen dazu genutzt, andere Frauen anzuwerben. Von rund 400 aus Deutschland nach Syrien ausgereisten radikalisierten Menschen seien rund zehn Prozent Frauen. "Sie wollen Märtyrer heiraten", sagt der schwedische Terrorismus-Experte Magnus Ranstorp. "Es gibt fast eine Art Obsession mit dem Paradies und dem Leben nach dem Tod, was es zu so etwas wie einem Todeskult macht. Der Tod zählt mehr als das Leben."

Reuters
ono/Reuters