"Wuschi, wuschi, wu!", sagt mein Sohn in einen Taschenrechner, den er mangels Erfahrung für einen Telefonhörer hält. Ollin telefoniert derzeit sehr viel und mit allem: Textmarker, Kassetten, Bügeleisen. Und natürlich mit meinem Handy. Er sagt keine wichtigen Dinge, diese dafür aber sehr ernst. Wenn ich ihm den Taschenrechner aus der Hand nehme, wird er fuchsteufelswild. Da er mich nur nachahmt, wird mir klar, wie lächerlich telefonierende Erwachsene im Grunde sind. Nur fällt es ihnen nicht auf, weil sich ja alle so verhalten.
Spätestens seit das taiwanesische Unternehmen BenQ die Handysparte von Siemens übernommen hat, liegt die Zukunft des Mobiltelefons fest im Griff von Chinesenhänden. Sie werden die ollen Siemenshandys in bunte Fetische verwandeln, die endlich auch Musik machen und in Bonbonfarben aufleuchten.
Mobiltelefone sind nicht irgendein Produkt. Seit Konfuzius und Mao ausgedient haben, ist das Mobiltelefon die neue Religion im Reich der Mitte. Täglich murmeln über zweihundert Millionen Chinesen beschwörende Formeln in die kleinen "Gebetskästen", die sie stets griffbereit mit sich herumtragen. Sie würden sich sonst sündig gegen die göttliche Verheißung der neuen Handy-Zeit fühlen.
Die Aufnahme
in diese neue Religion findet mit der Auswahl der Rufnummer statt. Die kann schon mal umgerechnet dreißig Euro kosten. Chinesen glauben an Zahlen. Zahlen stellen für sie einen "Wert" dar. Die vier ist eine schlechte Zahl, sechs bringt dagegen Geld, acht auch und neun auch. Ich bin ein Zahlenatheist und habe deshalb gleich zwei Vieren in meiner Nummer, die einzige auf einer langen Liste, die es umsonst gab.
Handys in Shanghai klingeln - pardon: sie rocken, tirillieren und schmettern - im Bus und Kaufhaus, vor, während und nach der Pause im Theater. Keine Konferenz, während der sich nicht permanent ein Teilnehmer zum Telefonieren mit jemand offensichtlich Wichtigerem absetzt. Ich sehe regelmäßig Pärchen, die gemeinsam am Tisch sitzen und in trauter Harmonie telefonieren.
"Ja, hab'
ich Dir doch gesagt: Ich bin gestern noch Einkaufen gegangen. Doch, das hab´ ich Dir gesagt, ganz sicher. Was, Du auch? Ach so ja, hast Du mir gesagt."
Dass viele Worte meist nicht viel sagen, ist eine alte chinesische Weisheit. Bei Gebeten kommt's auch auf nicht Logik an. Sie wirken durch die Wiederholung beschwörender Formeln, mit denen sich der Gläubige eins weiß mit dem Universum. Das war schon im Mittelalter so, als die Pfaffen auf Latein predigten. Das ist in Shanghai so. Und bei mir zu Hause, wo Ollin mit ernster Mine "Wuschi, wuschi , wu" in den Taschenrechner sagt.