Einmal Shanghai, bitte! Der peinlichste Superlativ der Welt

Von Tilman Wörtz
Zu Sowjetzeiten behaupteten Witzbolde, die Russen hätten den "größten Mikrochip der Welt" entwickelt. In China herrscht die kommunistische Partei immer noch und mit ihr die Gigantomanie - bis ins Genitale.

Anfangs bin ich darauf reingefallen, wenn die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua meldete, chinesische Wissenschaftler hätten "das erste Schiff entwickelt, auf dem man nicht mehr seekrank werden kann." Mittlerweile lese ich genauer, auch den letzten Absatz, in dem ergänzt wird, dass Amerikaner und Briten im Grunde schon längst ein solches Schiff gebaut haben.

Die Zeitungen

sind voll von Weltpremieren und Rekorden. Chinesischen Wissenschaftlern müsste eine Sonderausgabe des Guinness-Buchs gewidmet werden. Sie haben zum ersten Mal eine Antilope mit einem Schaf gekreuzt, den ersten Computer für Blinde entwickelt, auf einem Gipfelgrat des Mount Everest in 5300 Metern Höhe die höchste Wetterstation der Welt errichtet und Mumien in Xinjiang entdeckt, die viel besser konserviert sind als jeder ägyptische Pharao.

China verfügt außerdem über die meisten "von Menschenhand gepflanzten Bäume", über den weltgrößten Schnee-Santa-Claus im Nationalpark von Changchun, mit 80 Metern Länge und 17 Metern Höhe, und über das größte Piano der Welt. Das behauptet zumindest das Schild an dem viereinhalb Meter langen "Xinghai"-Flügel, den Premierminister Zhou Enlai zum zehnjährigen Jubiläum der Volksrepublik 1959 bauen ließ. "Weil in die Große Halle des Volkes Musik gehört." Gespielt wird der Flügel allerdings nie.

Shanghai ist nicht

nur die reichste und offenste aller chinesischen Städte. Sie ist auch die superlativste. Man kann über keine Brücke gehen, keinen Fahrstuhl betreten, ohne sich dabei auf Terrain jenseits der Normalsterblichkeit zu wagen. Der Jin Mao-Tower hat dank "Cloud 9" die "am höchsten gelegene Bar der Welt" im "am höchsten gelegenen Hotel der Welt". Der neue Tiefseehafen wird natürlich der größte der Welt (warum eigentlich nicht der tiefste?) und selbst Chongming-Island, im Grunde ein langweiliger Erdhaufen in der Jiangtse-Mündung, ist mit dem Attribut "drittgrößte Insel Chinas nach Taiwan und Hainan" der Banalität enthoben.

Die Angst, zu kurz zu kommen, ist in China so groß, dass Chang Lung-wai, Chef-Urologe am Hong Konger Union Hospital, mit einer Studie gegen ein besonders ärgerliches Gerücht vorgegangen ist. Er fand heraus, dass das beste Stück von chinesischen Männern überhaupt nicht kürzer ist als das anderer Männer. Chang Lung-wai hat fünf Monate lang 148 chinesische Glieder im Entspannungszustand gemessen und kam auf eine Durchschnittslänge von 8,46 Zentimeter. Deutsche sind im Schnitt mit 8,6 Zentimeter auch nicht viel länger, türkische mit 7,8 etwas kürzer. "Gliedgröße korreliert nicht mit Körpergröße", schlussfolgerte Chang Lung-wai und konnte dank dieser akribischsten aller Observationen den peinlichsten Superlativ aus der Welt beweisen.