Griechenland "Wir wollen die Regierung stürzen sehen"

In Griechenland ist die Gewalt erneut aufgeflackert. Am Nachmittag griffen Jugendliche ein Gerichtsgebäude an, in dem zwei Polizisten verhört wurden, die für die Todesschüsse auf einen 15-jährigen Schüler verantwortlich gemacht werden. Die Demonstranten haben inzwischen ein konkretes Ziel für ihren Protest formuliert.

Nach den beispiellosen Krawallen der vergangenen Tage hat sich die Lage in Griechenland am Mittwoch zunächst leicht entspannt. Am Nachmittag jedoch flackerte die Gewalt erneut auf. Jugendliche warfen in Athen Molotow-Cocktails und Steine auf das Gerichtsgebäude, in dem die beiden wegen des Todes eines 15-Jährigen angeklagten Polizisten vernommen wurden. Die Polizei feuerte mit Tränengas auf die Demonstranten. Mindestens zwei Menschen wurden verletzt. Darüberhinaus lähmte ein - schon länger angekündigter - landesweiter Streik das öffentliche Leben und brachte den Flugverkehr für 24 Stunden zum Erliegen

Unterdessen erklärte der Rechtsanwalt des griechischen Polizisten, aus dessen Waffe der tödliche Schuss auf einen 15-jährigen Jungen abgegeben worden war, die ballistische Untersuchung der Kugel entlaste seinen Klienten. "Die Untersuchung spricht für meinen Mandanten", sagte der Rechtsanwalt des mutmaßlichen Schützen. Die tödliche Kugel sei ein Querschläger gewesen, meinte der Rechtsanwalt. Eine offizielle Bestätigung gab es dafür nicht. Der Tod des Jugendlichen hatte die tagelangen Krawalle ausgelöst.

Der 37-jährige Polizist hatte seit Samstag mehrmals ausgesagt, er habe drei Warnschüsse abgefeuert; das Opfer sei von einem Querschläger getroffen worden. Er hofft nun, nicht wegen Totschlags oder Mord, sondern nur wegen fahrlässiger Tötung belangt zu werden. Einem 31-jährigen Polizei-Kollegen wird bislang Beihilfe zum Totschlag vorgeworfen.

Im Zentrum Athens waren am Mittwoch die meisten zerstörten Geschäfte mit Wellblech provisorisch gesichert. Andere Ladenbesitzer versuchten ihre Schaufenster wieder einzurichten. Der griechische Regierungschef Kostas Karamanlis versprach den Geschädigten günstige Kredite und eine Soforthilfe von 10.000 Euro für jeden Laden, der zerstört wurde. Bei Unternehmen, die bis zum 20. Dezember nicht wieder öffnen können, übernehme der Staat die Gehälter der Angestellten für drei Monate, kündigte Karamanlis an. Schätzungen nach wurden in Athen und Piräus rund 500 Geschäfte zerstört oder beschädigt.

Die kleinen autonomen und anarchistischen Gruppen stehen mit ihrer Wut auf das Establishment inzwischen nicht mehr allein, sondern haben Unterstützung und Zulauf von Studenten, die keine Arbeitsplatzperspektive haben - und auch etablierten politischen Organisationen. "Es ist ganz einfach: Wir wollen diese Regierung stürzen sehen", sagte Petros Constantinou von der Sozialistischen Arbeiterpartei. "Diese Regierung will, dass die Armen für die Probleme des Landes bezahlen - und nie die Reichen. Und sie wollen die, die protestieren, mit Polizeiunterdrückung unten halten."

Opposition fordert Neuwahlen

Die größte Oppositionspartei, die Sozialisten unter Führung von Georgios Papandreou, greifen die Emotionen auf und fordern im Gefühl eines sicheren Sieges eine vorzeitige Neuwahl. Karamanlis hat dies bislang ignoriert, seine Partei Neue Demokratie (ND) hat eine Mehrheit von 151 Abgeordneten im 300 Sitze zählenden Parlament. Die äußerst knappe Mehrheit wirkt vorerst stabilisierend für ihn: Bei einem Vorsprung von 4,8 Prozent für die Sozialisten in Umfragen setzt momentan kein Abgeordneter seiner Partei seine politische Laufbahn aufs Spiel, indem er für eine Parlamentsauflösung stimmt.

An dem Generalstreik der zwei größten Gewerkschaftsverbände des Landes nahmen nach Angaben eines Gewerkschaftssprechers rund zwei Millionen Arbeitnehmer teil. Beeinträchtigt wurde außer dem Flug- auch der Fährverkehr und der öffentliche Nahverkehr in Athen. Die deutsche Lufthansa strich nach Angaben eines Sprechers zwölf Flüge von und nach Athen. Den Kunden seien Umbuchungen angeboten worden.

Zudem blieben am Mittwoch in Griechenland die Schulen und die Ministerien geschlossen. Hotels und Taxis wurden dagegen nicht bestreikt. Die Gewerkschaften wandten sich mit dem Streik gegen die Lohnpolitik und Reformen im Rentensystem der konservativen Regierung.

AP · DPA · Reuters
DPA/AP/Reuters