Griechenland-Krise Einigung oder Grexit? Griechenland vor dem Tag der Entscheidung

Wenige Stunden vor dem Euro-Sondergipfel zur griechischen Schuldenkrise steigt der Druck auf die Regierung von Ministerpräsident Alexis Tsipras. Die Entwicklungen des Tages zum Nachlesen.

Vor dem Sondergipfel der Eurozone am Montag in Brüssel hat der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras nach Angaben aus Athen Vorschläge für eine "endgültige Lösung" der Schuldenkrise seines Landes vorgelegt. Er telefonierte am Sonntag mit Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem französischen Präsidenten François Hollande sowie mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker.

Ein griechischer Regierungssprecher sagte, Tsipras habe dabei Vorschläge zu den von den Gläubigern geforderten Sparmaßnahmen präsentiert, damit es eine "endgültige Lösung zugunsten aller Seiten" gebe und das Problem nicht verschoben werde. Ein EU-Mitarbeiter erklärte dagegen zunächst, dass bisher kein Vorschlag eingetroffen sei.

Zwischen Optimismus und Pessimismus

EU-Kommissar Günther Oettinger sah kaum noch Möglichkeiten für weitere Zugeständnisse der Geldgeber. "Unsere Spielräume sind weitgehend ausgereizt", sagte er in der ZDF-Sendung "Berlin direkt". Die Länder der Eurozone seien sehr flexibel hinsichtlich der in Griechenland notwendigen Einsparungen.

Der italienische Ministerpräsident Matteo Renzi sagte indes: "Meiner Ansicht nach gibt es alle Voraussetzungen für eine Einigung mit Griechenland." Hollande betonte, man dürfe nun keine Sekunde verlieren. Er sei aber "weder optimistisch noch pessimistisch".

Gibt es in den kommenden Tagen keine Einigung mit den Gläubigern, droht Griechenland die Pleite und womöglich ein Ausscheiden aus der Eurozone. 

Hier können Sie alle wichtigen Entwicklungen, Beiträge und Nachrichten des Tages noch einmal nachlesen:

+++ Oettinger: Spielräume weitgehend ausgereizt +++

EU-Kommissar Günther Oettinger sieht kaum noch Möglichkeiten für weitere Zugeständnisse der Geldgeber gegenüber Athen. "Unsere Spielräume sind weitgehend ausgereizt", sagt er in der ZDF-Sendung "Berlin direkt". "Alles in allem haben wir ein sehr solides Paket zugunsten Griechenlands aufgebaut." Die Länder der Eurozone seien zudem sehr flexibel hinsichtlich der in Griechenland notwendigen Einsparungen. "Ich glaube, damit zeigen wir, dass wir wirklich einen Kompromiss wollen und nicht von den Griechen erwarten, dass sie zu Kreuze kriechen", so Oettinger.

+++ Tausende protestieren in Athen gegen Sparpolitik +++

Tausende Menschen demonstrieren in Athen gegen die Sparpolitik und für eine harte Haltung gegenüber den Gläubigern des pleitebedrohten Landes. Der Prostest vor dem Parlamentsgebäude steht unter dem Motto: "Gegen die Austerität (den harten Sparkurs)." Teilnehmer skandieren "Stoppt die Privatisierungen." Einige rufen zum Austritt Griechenlands aus dem Euroland und zum "Bruch mit seinen Gläubigern" auf.

Bei der Kundgebungen sind Sympathisanten der Regierung des linken Ministerpräsidenten Alexis Tsipras, die Gewerkschaft der Staatsbediensteten (ADEDY) sowie zahlreiche Organisationen der außerparlamentarischen Linken zugegen. Zudem ist die rechtspopulistische Partei der Unabhängigen Griechen (Anel) vertreten, die zusammen mit Tsipras` Syriza das Land seit Januar regiert. 

+++ EU-Diplomat: Tsipras und Juncker treffen sich vor Krisengipfel +++

Griechenlands Ministerpräsident Alexis Tsipras wird nach Angaben eines EU-Diplomaten vor dem Krisengipfel am Montag mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker zusammenkommen. Das Treffen sei für Montagvormittag geplant, erfährt die Nachrichtenagentur AFP von dem Diplomaten. Juncker und Tsipras hätten sich mehrfach am Wochenende in Telefongesprächen ausgetauscht.

+++ Varoufakis von Übereinkunft mit Geldgebern überzeugt +++ 

Griechenlands Finanzminister Yanis Varoufakis gibt sich optimistisch, dass eine Vereinbarung mit den Kreditgebern möglich ist. Auf die Frage, ob er davon überzeugt sei, sagt Varoufakis: "Immer, wir sind auf dem Weg zu einer Übereinkunft." Details nennt er nicht.

+++ Renzi glaubt an Einigung mit Athen +++

Vor dem Sondergipfel der Euro-Staaten äußert sich der italienische Ministerpräsident optimistisch zu einer möglichen Einigung mit Griechenland. "Meiner Ansicht nach gibt es alle Voraussetzungen für eine Einigung mit Griechenland", sagt Matteo Renzi laut der Nachrichtenagentur Ansa bei einem Treffen mit dem französischen Präsidenten François Hollande auf der Expo in Mailand. Man dürfe sich diese Möglichkeit nicht entgehen lassen. 

Hollande betont, man dürfe nun keine Sekunde verlieren. Ein Austritt Griechenlands aus der Eurozone sei für niemanden eine positive Situation. Was eine Einigung mit Griechenland angehe, sei er "weder optimistisch noch pessimistisch".

+++ Geldgeber beraten womöglich noch am Sonntag +++

Griechenlands Geldgeber treten nach Angaben von Insidern noch am Sonntag zu Beratungen über eine Lösung der Schuldenkrise zusammen. Allerdings liege der dafür benötigte neue Vorschlag der Regierung in Athen noch nicht vor, sagen EU-Diplomaten vor dem Beginn des Treffens. Ohne die Vorlage können die Gespräche der Institutionen Internationaler Währungsfonds (IWF), Europäische Zentralbank (EZB) und EU-Kommission keine Ergebnisse erzielen. Frankreichs Präsident Francois Holland erklärt in Mailand, Griechenland habe einen Vorschlag an die Kommission übergeben und soweit er wisse auch an die Institutionen.

+++ Tsipras legt Merkel und Juncker neuen Vorschlag vor +++

Die griechische Regierung legt nach eigenen Angaben Deutschland, Frankreich und der Europäischen Kommission ihren Vorschlag zur Lösung der Schuldenkrise vor. Ministerpräsident Alexis Tsipras habe dazu mit Bundeskanzlerin Angela Merkel, Präsident Francois Hollande und Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker telefoniert, heißt es in einer Erklärung der Regierung in Athen. Der Vorschlag sei eine "für alle vorteilhafte Einigung, die eine endgültige Lösung bringt und ein Angehen des Problems nicht verschiebt", heißt es weiter. Inhaltliche Einzelheiten werden zunächst nicht bekannt.

+++ Österreichs Finanzminister erwartet geöffnete Banken +++

Österreichs Finanzminister Hans Jörg Schelling rechnet nicht damit, dass die griechischen Banken wegen des massiven Kapitalabflusses der vergangenen Tage zu Wochenbeginn geschlossen sein werden. Er gehe davon aus, dass die Institute in den nächsten Tagen ihre Schalter ohne Probleme öffnen, sagt Schelling im ORF. Es sei wichtig, dass die Europäische Zentralbank den griechischen Geldhäusern Notfall-Liquidität bereitstelle, solange diese solvent seien. Denn keine Bank in Europa könne einen solchen Abzug von Einlagen verkraften, den es in Griechenland über die vergangenen Monate gegeben habe. Deswegen sei es wichtig, dass solche Hilfsprogramme so lange laufen wie möglich.

+++ Morgan-Stanley-Chef glaubt nicht an "Grexit" +++

Der Chef der US-Investmentbank Morgan Stanley rechnet nicht mit einem Ausscheiden Griechenlands aus der Euro-Zone. "Ich glaube nicht, dass Griechenland den Euro verlässt. Es wird einen Kompromiss geben, das Risiko ist zu groß", sagt James Gorman der "Welt am Sonntag". Sinnvoller sei es, die Schulden des Landes zu restrukturieren. Sollte Griechenland die Währungsunion doch verlassen, hält Gorman die wirtschaftlichen Folgen für überschaubar, die Ansteckungsgefahr für die Weltwirtschaft sei begrenzt. "Schließlich hatten alle Akteure genug Zeit, sich auf dieses Szenario vorzubereiten." Er fügt aber hinzu: "Die politischen Folgen sind jedoch unkalkulierbar. Da gibt es bisher auch keine Erfahrungen."

+++ Fieberhafte Beratungen in Athen +++

Die Beratungen in Athen laufen auf Hochtouren. Für Sonntagmittag hat Ministerpräsident Alexis Tsipras nach Angaben aus Regierungskreisen eine Kabinettssitzung einberufen. Dabei wolle er seine Minister über die Positionen Athens unterrichten. Insider schließen nicht aus, dass Tsipras bereits am Sonntagabend nach Brüssel reist.

+++ Athen muss Gehälter und Renten für Juni kürzen +++

Griechische Rentner und Staatsbedienstete müssen sich einem Zeitungsbericht zufolge darauf einstellen, dass ihre Bezüge für Juni nicht voll ausgezahlt werden. Wegen stark gesunkener Steuereinnahmen dürften Athen bis zum Monatsende zwischen zwei und 3,6 Milliarden Euro fehlen, berichtet die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" unter Berufung auf interne Berechnungen der internationalen Geldgeber. Die Regierung könne dann auch eine fällige Rate von 1,6 Milliarden Euro an den Internationalen Währungsfonds nicht begleichen.

Auch eine Einigung Athens mit den Geldgebern auf Reformen in der kommenden Woche würde an den Kürzungen dem Bericht zufolge nichts ändern. Da die Reformen erst noch im griechischen Parlament beschlossen werden und fünf nationale Parlamente einer Auszahlung zustimmen müssten, werde Athen frühestens Mitte Juli wieder liquide sein, heißt es.

+++ Frankreichs Finanzminister: Grexit wäre Katastrophe +++

Frankreichs Finanzminister Michel Sapin warnt vor einem Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone (Grexit). Ein solcher Schritt wäre eine Katastrophe für das klamme Land, sagt Sapin in einem Interview mit der Zeitung "Le Journal du Dimanche". Alles müsse getan werden, um dieses Szenario zu vermeiden. Die Konsequenzen wären nur schwer abschätzbar. Athen müsse zur Lösung der Schuldenkrise "solide" und "ernsthafte" Vorschläge präsentieren. "Wir müssen eine Einigung finden, die es Griechenland ermöglicht, zu Wachstum und Investitionen zurückzukehren", ergänzt Sapin.

+++ Treffen der Euro-Finanzminister vorverlegt +++

Das Sondertreffen der Euro-Finanzminister zur griechischen Schuldenkrise am Montag ist um wenige Stunden vorverlegt worden. Die Ressortchefs kämen in Brüssel nun um 12.30 Uhr statt um 15 Uhr zusammen, teilt Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem via Twitter mit. Einen Grund für die Verlegung nannte er nicht. Der Sondergipfel der Staats- und Regierungschefs der Eurogruppe ist für Montagabend um 19 Uhr angesetzt.

+++ CSU-Finanzexperte: Keine Chance auf Einigung +++

Der CDU/CSU-Obmann im Bundestagsfinanzausschuss und Vorsitzende der CSU-Mittelstands-Union, Hans Michelbach, sieht keine realistische Chance mehr für einen Verhandlungserfolg in der Griechenland-Schuldenkrise. Er warnt in Berlin zugleich vor "faulen politischen Kompromissen" beim bevorstehenden EU-Sondergipfel. "Nur eine ökonomisch nachhaltige Lösung ist vertretbar", sagt er. Der griechischen Regierung warf der CSU-Finanzexperte vor, ihr gehe es um eine Zerstörung der Euro-Stabilitätspaktes und eine Vergemeinschaftung der griechischen Schulden. Er fordert die Europäische Zentralbank auf, angesichts der anhaltenden Weigerung der griechischen Regierung zur Erfüllung der bestehenden Verträge, die Nothilfekredite für Griechenland sofort zu stoppen.

Michelbach wendet sich auch gegen Überlegungen, das zweite Rettungspaket ein neuerliches Mal zu verlängern, um Zeit für weitere Verhandlungen zu gewinnen. Unabhängig vom Ausgang der Verhandlungen sei an eine Auszahlung der letzten Rate des Hilfspakets in Höhe von gut sieben Milliarden Euro ohnehin nicht zu denken. Dazu habe die griechische Regierung nicht die Voraussetzungen geschaffen.

DPA · Reuters · AFP
mka