Die Polizei in Haiti hat brutaler Gewalt ein von Rebellen gehaltenes Stadtviertel in der Stadt Saint-Marc zurückerobert. Wie Radiosender berichteten, kamen bei dem Einsatz in dem Viertel La Syrie, in dem sich militante Gegner von Präsident Jean Bertrand Aristide verschanzt hatten, bis zu sechs Menschen ums Leben. Die Polizei wurde von bewaffneten Anhängern Aristides unterstützt. Zahlreiche Häuser und ein Radiosender wurden angezündet, zwei Oppositionelle seien in ihren Häusern verbrannt. Ein Augenzeuge berichtete, die Polizisten hätten lachend auf fliehende Aristide-Gegner geschossen.
Die militanten Aristide-Gegner in der rund 100 Kilometer nördlich von Port-au-Prince gelegenen Hafenstadt hatten am Wochenende die ganze Stadt Saint-Marc unter ihre Kontrolle gebracht, doch hatte die Polizei schon am Montag den größten Teil zurückerobert. Aus der nördlichen Großstadt Cap Haitien, wo Aristides Bewegung Lavalas die Oberhand hat, wurden am Mittwoch neue Ausschreitungen und Brandstiftungen gemeldet. Die Aristide-Anhänger hätten gedroht, alle Oppositionellen in Cap Haitien umzubringen.
Großdemonstration angekündigt
In Port-au-Prince wurde mit Bangen eine für Donnerstag angekündigte Großdemonstration der Demokratischen Plattform erwartet. Das Oppositionsbündnis fordert seit Monaten mit friedlichen Protesten den Rücktritt Aristides. Die Demonstranten waren dabei immer wieder von Aristide-Anhängern und der Polizei angegriffen worden. Viele Eltern entschlossen sich, ihre Kinder am Donnerstag nicht in die Schule zu schicken.
Aristide, dem die Opposition Korruption und Machtmissbrauch vorwirft, hat bisher alle Forderungen nach seinem Rücktritt vor Ende seiner bis 2006 reichenden Amtszeit zurückgewiesen. In der Großstadt Gonaives, rund 160 Kilometer nördlich von Port-au-Prince, bekäftigte der Rebellenführer Butteur Métayer die Entschlossenheit seiner Leute, Aristide zu stürzen.
Eine ganze Stadt in der hand der Rebllen
Gonaives befindet sich seit einer Woche in der Hand der Rebellen der «Anti-Aristide-Front». Es soll sich bei ihnen um 500 bis 700 schwer bewaffnete Männer handeln. Viele der 200 000 Einwohner Gonaives sollen die Stadt verlassen haben. Die Rebellen haben die Nationalstraße eins blockiert, was erhebliche Versorgungsprobleme im Norden Haitis zur Folge hat. In Cap Haitien gibt es keinen Strom mehr, weil die Kraftwerke keinen Treibstoff mehr erhalten. Die Welthungerhilfe klagte, dass sie ihre Zielgebiete im Nordwesten Haitis, dem ärmsten Teil des ärmsten Landes des amerikanischen Kontinentes, nicht mehr versorgen könne.